Florian Arnold
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Die Geschichte mit dem Titel «Uri und der Bundesrat» lässt sich in drei Zeilen erzählen: «117 Bundesräte regierten die Schweiz seit ihrer Gründung 1848. Und kein einziger stammte bisher aus Uri.» Ein Blick in die Geschichte lässt die Gründe dafür erahnen. «Parteipolitische, regionale, sprachliche und konfessionelle Faktoren haben den Urnern
bisher immer wieder einen Streich gespielt», sagt Historiker Rolf Gisler-Jauch.
Nach der Gründung der Schweiz 1848 sollte es fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis ein Urner ernsthaft für das Amt in Erwägung gezogen wurde. Allerdings war der erste Urner Kandidat 1891 praktisch schon gewählt: Gustav Muheim (1851–1917). Der Urner Ständerat war der Spitzenkandidat für den ersten Sitz der Konservativen. Sogar die Freisinnigen, welche die absolute Mehrheit im Parlament hatten und bis dato die Alleinherrschaft im Bundesrat einnahmen, zollten Muheim Respekt. Doch es kam anders.
Ein Mann mit viel Einfluss in Bern
Historiker Hans Stadler-Planzer hat sich intensiv mit dem Urner Ausnahmepolitiker auseinandergesetzt und über dessen Leben seine Dissertation verfasst. Muheim habe als tüchtig gegolten und war Mitglied der Landammänner-Partei. «Es war üblich, dass man als Landammann auch im Ständerat sass», erklärt Stadler. «Die Gruppierung war sehr einflussreich, und Muheim ragte daraus hervor.» Trotzdem galt er als gemässigter als andere Kandidaten, die sich stark exponierten hatten.
Einer gegen sechs
Doch Muheim schrieb im Dezember 1891 an seine Frau: «Ich will nicht. Um keinen Preis und unter keinen Umständen.» Wieso diese Ablehnung gegenüber dem Bundesratsamt? «Muheim hat sein Tätigkeitsfeld im Kanton Uri höher gewichtet als das in Bern», sagt Stadler. «Er war es gewohnt, etwas zu bewirken. Im Bundesrat wäre er einer von sieben gewesen – und erst noch der einzige Konservative gegen sechs Freisinnige.» In entscheidenden Fragen wäre er somit in der Minderheit gewesen. «Ich glaube zudem nicht, dass Muheim dem harten Kampf in Bern gewachsen gewesen wäre», so Stadler. «Er war nervlich nicht überaus stark, nicht von Natur aus der Mann, an dem alles abprallt.»
Die Fraktion stellte schliesslich Josef Zemp aus Luzern auf, der gewählt wurde. Muheim selber hinterliess auch ohne Bundesrat zu werden deutliche Spuren. So stammt von ihm die neue Urner Kantonsverfassung von 1888, «die Grundlage dafür, dass Uri in die Zukunft schreiten konnte», so Stadler. Muheim war aber auch die treibende Kraft hinter der Mittelschule Uri, der Klausenstrasse und der Isenthaler Strasse. Er gründete das Urner Wochenblatt, den Historischen Verein Uri, das Historische Museums in Altdorf und legte den Grundstein auch für das Landesmuseum in Zürich.
Zwei Urschweizer wären zu viel gewesen
Dann war lange Funkstille. Das Prinzip der Regionenverteilung verhinderte eine Urner Kandidatur, als der Obwaldner Ludwig von Moos 1959 als erster Urschweizer in den Bundesrat einzog. Gleichzeitig wurde die Zauberformel geschaffen. Diese Voraussetzungen waren auch die Gründe, weshalb der Urner Nationalrat Alfred Weber (1923–2015) 1969 zwar als FDP-Kandidat zur Diskussion stand, jedoch nicht aufgestellt wurde. Immerhin gaben die Bundesratswahlen 1969 trotzdem Grund zu feiern: Neu gewählt wurde der Zürcher Ernst Brugger (1914–1998), dessen Mutter Urnerin war. Alfred Weber wurde 1970 als erster Urner zum Nationalratspräsidenten gewählt.
Schon früh an Umfahrung gedacht
1973 wollte die CVP Uri der bundesratslosen Geschichte des Kantons ein Ende bereiten. Der Parteivorstand schlug den eidgenössischen Räten einstimmig Ständerat Franz Muheim (1923–2009) als Kandidaten vor. Staatsarchivar-Stellvertreter Rolf Gisler-Jauch hat den Kandidaten persönlich erlebt: «Er war ein sehr interessierter Mensch mit Weitblick, der etwas ausgestrahlt hat», erzählt Gisler. In den frühen 1960er-Jahren arbeitete er im Gemeinderat Altdorf ein Umfahrungsprojekt aus, das damals das Volk nicht überzeugen konnte. «Heute würde man sich wünschen, dass die Pläne umgesetzt worden wären», sagt Gisler.
Die CVP Uri stand hinter Muheim, der seit 1969 als Ständerat politisierte. Die CVP-Fraktion in Bern folgte jedoch nicht dem Vorschlag der Urner und nominierte den Tessiner Nationalratspräsidenten Enrico Franzoni (1920–2008). «Bei der Regionenverteilung wurde oft das Tessin auch noch zur Zentralschweiz gezählt», erklärt Gisler. «Wegen der Sprache wurde eher auf einen Tessiner als einen Zentralschweizer gesetzt.» Doch die Taktik ging nicht auf. Statt eines offiziellen Kandidaten wählte das Parlament seinerzeit den Zuger Hans Hürlimann (1918–1994). An der Tellsplatte wurde ein Teil des «Wegs der Schweiz» nach dem Namen des mit Uri sehr verbundenen Bundesrats benannt.
Nachfolger bleibt nur vier Jahre im Bundesrat
1982 konnte Franz Muheim nochmals auf einen Bundesratssitz hoffen. Er war im Gespräch als Nachfolger von Hans Hürlimann. Doch erneut entschied sich die Fraktion für einen anderen Kandidaten, für den Luzerner Ständerat Alphons Egli (*1924), der im ersten Wahlgang in den Bundesrat einzog. Er blieb dem Gremium lediglich vier Jahre treu.
Die nächste Chance witterte die FDP Uri, welche Nationalrat Franz Steinegger zuhanden der Fraktion 1989 portierte. Doch der Flüeler unterlag innerhalb der Fraktion gegen den Luzerner Ständerat Kaspar Villiger, der später gerade mal mit 124 Stimmen von der Bundesversammlung gewählt wurde. Steinegger konnte allerdings einen Achtungserfolg feiern: Als nicht-offizieller Kandidat erzielte er doch 35 Stimmen. Kurz darauf wurde er Präsident der FDP Schweiz und blieb bei den kommenden Bundesratswahlen immer im Gespräch.
Im Jahr 2003 doppelte die FDP Uri nach und schlug Franz Steinegger erneut vor, diesmal als Nachfolger Kaspar Villiger. In zwei Wahlrunden schlug die FDP-Fraktion Hans-Rudolf Merz und Christine Beerli vor. Franz Steinegger hatte für den zweiten Wahlgang zu Gunsten einer Frauenkandidatur verzichtet. Zum Bundesrat gewählt wurde aber Merz.