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Zug

Beim Prozess wegen Anlagebetrugs liegen jetzt fast alle Karten auf dem Tisch

Die Zuger Staatsanwaltschaft fordert für zwei Männer hohe Strafen. Der Vorwurf: Sie sollen vielen Anlegern wertlose Aktien verkauft haben. Der eine Mann war der Verkäufer, welcher die Kundschaft derart überzeugen konnte, dass diese Geld in Firmen steckten, die bar jeder Geschäftstätigkeit waren. Der Frontmann hatte einen Helfer im Hintergrund. Am Freitag (4. Februar 2022) hatten die Verteidiger das Wort. Ihre Forderungen: Freisprüche in allen Punkten.

Der Staatsanwalt hatte am vergangenen Mittwoch (2. Februar 2022) seinen grossen Auftritt. Seine Anklageschrift füllte 96 eng beschriebene Seiten. Auf diesen begründete er, wieso zwei Männer in ihren 40ern hart zu bestrafen sind. Der dritte Prozesstag (4. Februar 2022) gehörte den Verteidigern der beiden Angeklagten. Der Verteidiger des Hauptangeklagten toppte den Umfang des Staatsanwalts noch: Sein Plädoyer war 146 Seiten lang. Um diesen Papierberg verbal abzuarbeiten, hatte der Pflichtverteidiger einen Praktikanten mitgebracht. Eine solche Person hat ihr Rechtsstudium erfolgreich abgeschlossen, benötigt für das Rechtsanwaltspatent aber ein Praktikum. Die beiden Herren spielten vor dem Zuger Strafgericht eine Art Rede-Pingpong. Beide kamen trotz der Lastenteilung immer noch auf eine Sprechzeit von rund drei Stunden. Wenig überraschend forderte der Pflichtverteidiger, dass der Hauptbeklagte von «Schuld und Strafe freizusprechen» sei. In diese Reihe der Maximalforderung reihte sich auch der erbetene Verteidiger des zweiten Beschuldigten ein. Sein Plädoyer dauerte aber immer noch rund zwei Stunden (54 Seiten).

Beide Verteidiger bemühten auch das Beschleunigungsgebot. Die von der Anklagebehörde vor Gericht gebrachten – natürlich in allen Punkten bestrittenen – widerrechtlichen Taten lägen zum Teil fast ein Jahrzehnt zurück. Da sei doch der eine oder andere Tatbestand womöglich schon verjährt.

Ein bildhaftes Plädoyer und die nüchterne Sprache des Juristen

Mochten die beiden Verteidiger von der Strategie her auf demselben Gleis fahren, in einem Punkt war es mit dem Gleichklang jedoch vorbei: Die gewählte Sprache. Der Pflichtverteidiger des Hauptangeklagten sagte in Richtung Staatsanwalt, dass dessen Vortrag «fiktiv» gewesen sei. Er legte dann noch etwas Holz nach und warf der Staatsanwaltschaft vor, sie habe sich aus Bequemlichkeit «mit Scheuklappen von ihrer Prämisse leiten lassen, dass hier ein ziemlich grosser Fisch gefangen wurde, den es gilt auszuweiden». Ein paar Redeminuten später versetzte der Rechtsanwalt dem Anklagevertreter den nächsten Schlag: Die Anklageschrift sei frei erfunden worden, «für welche die Staatsanwaltschaft mehr als zwei Jahre benötigte, um diese endlich auf Papier zu bringen.»

Der Verteidiger des Mitangeklagten tat in seinem Vortrag natürlich auch alles in seiner Macht stehende, um seinen Mandanten rauszuhauen. Er orientierte sich jedoch strikter am nüchternen Stil, dem jegliche Emotionsausbrüche fremd sind. Dem Halbsatz ein «Potpurri an Täuschungshandlungen» geht die Qualität eines Gefühlsausbruchs völlig ab. Und der Einwurf, dass die Staatsanwaltschaft «in Selbstregie und ohne das notwendige Fachwissen zu verfügen» zur «unzutreffenden Schlussfolgerung» komme, dass die Aktien wertlos seien, tönt höchstens belehrend.

Es ist bald Zeit für das Schlusswort der Beklagten

So oder so ist entscheidend, wie die Argumente aller Parteien beim dreiköpfigen Richtergremium ankommen. Am Dienstag (8. Februar 2022) können sich alle Parteien noch einmal zu allen Punkten äussern. Die letzten Wörter haben dann die beiden Beschuldigten. Wann das Urteil eröffnet wird, ist unklar. Womöglich geht das Verfahren wegen Anlagebetrugs noch vor höheren Instanzen weiter. Der Anwalt des Hauptbeklagten sagte in seinem Vortrag: «Vorliegend hat der Berg eine Maus geboren.» Der Papierberg steht schon.

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