Ernesto Piazza
Langsam lichten sich die Termine in seiner Agenda. Den Arbeitsplatz hat der Eschenbacher Gemeindeschreiber Toni Christen bereits geräumt und die Schlüssel seinem Nachfolger Roland Studer ausgehändigt. Die Übergabe der Akten ist vollzogen. Ende September tritt der verheiratete, dreifache Familienvater in den Ruhestand – nach 31 Jahren in der 3550-Seelen-Gemeinde.
Dass es CVP-Mann Christen beruflich überhaupt auf die Verwaltung zog, sieht der gebürtige Inwiler eher als Zufall. In der zweiten Sek attestierte ihm der Berufsberater kein technisches Flair. Als Bauernsohn aufgewachsen, übernahm sein älterer Bruder den Hof. Weil die Kanzlei in Inwil ihre Räume damals im Schulhaus hatte, sagte ihm sein Sek-Lehrer, er solle doch dort schnuppern gehen. Es folgte eine dreijährige Verwaltungslehre. Weitere sieben Jahre arbeitete er auf demselben Gebiet in Ebikon und schliesslich nochmals dieselbe Zeitspanne – bevor es ihn nach Eschenbach zog – als Gemeindeschreiber-Substitut in Meggen.
Rechtliche Fragen forderten ihn
Früher sei man in diesem Beruf der Generalist schlechthin gewesen, sagt Toni Christen. Eschenbach war für ihn in all den Jahren ein «spannendes und sehr interessantes» Tätigkeitsfeld. Beispielsweise wegen des gemeindeeigenen Kieswerkes: Immer wieder mussten Verhandlungen über Abbau-Verträge geführt werden, rechtliche Fragen forderten. Noch heute ist das Kieswerk für Eschenbach eine wichtige Einnahmequelle und mit ein Grund, dass der Steuerfuss mit 1,5 Einheiten bei den kantonalen Spitzenwerten liegt. «Wir können uns zwar nicht mit Meggen messen. Das jetzige Niveau wollen wir aber halten», sagt Christen.
Während seiner 31 Jahre hat Christen in Eschenbach drei Gemeindepräsidenten erlebt. Das Gremium habe ihn stets wie ein sechstes Ratsmitglied akzeptiert. Mehr noch: «Meine Meinung war erwünscht.» Viele Fäden liefen beim Gemeindeschreiber zusammen. Trotzdem fühlte er sich keinesfalls als «Dorfkönig», wie er betont. Er habe den Fokus immer auf die Sachpolitik gelegt. Zuweilen wurde im Rat intensiv über ein Geschäft diskutiert. Oft hätten sich diese Gespräche im Anschluss an die Sitzungen fortgesetzt. Dann in einem ungezwungeneren Rahmen. Dass man hinterher jeweils gemeinsam essen gegangen ist, schätzte Christen. Nicht vermissen wird er aber das Verfassen der Sitzungsprotokolle.
Als Meilensteine für Eschenbach bezeichnet er das Betagtenzentrum Dösselen mit der Residenz für Wohnen mit Dienstleistungen, die Aus- und Neubauten der Schulanlagen und die den Vereinen zur Verfügung gestellten Lokalitäten und Sportanlagen. Und ein weiteres Bauwerk – das Zentrum Oberhof – nimmt unmittelbar neben der Gemeindeverwaltung langsam Formen an. Der Verkehr sei hingegen ein grosses Thema für die Gemeinde, welche in den vergangenen 30 Jahren um rund 1000 Einwohner auf zirka 3550 gewachsen ist. Weiteres Entwicklungspotenzial sieht er im Unterdorf. Jetzt, da das ehemalige Restaurant Rössli verkauft sei, werden in diesem Gebiet neue bauliche Impulse ausgelöst.
Schwierige Momente bei seiner Verwaltungstätigkeit waren für Christen auch menschliche Schicksale. So verlor der Rat ein 53-jähriges Mitglied infolge Krankheit. Und ein Kollege vom Bauamt stürzte auf einer Bergtour tödlich ab. «Damit fertig zu werden, waren grosse Herausforderungen.»
Er musste aufs Zückerchen warten
Seine erste Wohnung in Eschenbach hatte Christen im ersten Stock des Feuerwehrmagazins bezogen. Er erinnert sich: «Damals war der Markt ausgetrocknet.» Deshalb hatte sich der 64-Jährige als neue Bleibe für diese vom Gemeinderat für den neuen Gemeindeschreiber vorgesehene Wohnung entscheiden müssen.
Mit dem Zückerchen mit der Gemeindeverwaltung in einen Neubau zu ziehen, habe man ihn quasi nach Eschenbach gelotst, sagt er schmunzelnd. Weil die Stimmbürger jedoch den geplanten Standort und damit das Projekt ablehnten, musste er sich schliesslich bis ins Jahr 2000 gedulden.
Beruflich sei er abends oft weg gewesen, blickt Christen zurück. Doch die Balance Geschäft und Familie habe gestimmt. «Daheim wurde ich immer unterstützt, man hielt mir den Rücken frei.»
Für seinen nächsten Lebensabschnitt schmiedet der Neurentner, der noch heute Mitglied des FC Eschenbach ist, nicht allzu grosse Pläne. Vielmehr ist er dankbar «für die gute Zeit». Deshalb kann es durchaus sein, dass er mittelfristig bei einer sozialen Institution etwas zurückgeben will.