Nichts erinnert derzeit daran, dass hier einmal der Matt-Spielplatz stand. Die Spielgeräte sind eingelagert. Lastwagen liefern Baumaterial an. Ein riesiger Berg von Gleisschotter erhebt sich im Hergiswiler Matt-Quartier. Der Abschnitt der Zentralbahn (ZB) zwischen dem südlichen Portal des Haltiwaldtunnels und der Station Matt ist seit diesem Frühling eine Grossbaustelle. Rund 30 Arbeiter der beauftragten Firma Marti Bauunternehmung AG Luzern pflügen derzeit die 730 Meter lange Strecke um.
Zukunft und Gegenwart begegnen sich. Auf dem alten kurvenreichen Gleis fahren wie gewohnt bis zu 16 Züge in der Stunde. Wenige Meter daneben nimmt das bergseitige Perron der neuen S-Bahn-Haltestelle Hergiswil Matt schon Gestalt an. Sie hat mit ihrer Vorgängerin nicht mehr viel gemeinsam. Hohe Perrons ermöglichen ebenerdiges Einsteigen. Dank 190 Metern Länge können im Notfall selbst die Interregio-Züge halten. Das Dach steht zu einem grossen Teil, die grosszügige, behindertengerechte Unterführung ist schon fast fertig.
Anwohner opferten ihre Gärten
Die Schienen der verlängerten begradigten Doppelspur, die künftig vom Tunnel bis zur S-Bahn-Haltestelle reicht, sind eingebaut. Die Brücken über den Schluchen- und Feldbach sind grösstenteils erstellt. Ein riesiger Pneukran hievte vor ein paar Wochen die Brückenelemente an ihre Position. Das alte Trafohaus ist abgebrochen, das neue auf der anderen Seite des Gleises bereits in Betrieb. Die Lärmschutzwände stehen teilweise schon, die Abwasserleitungen der Gemeinde, die unter den Gleisen hindurchführen, sind gebaut.
«Wir liegen im Zeitplan», freut sich Florian Homma, Projektleiter der ZB, bei unserem Rundgang mit ihm diesen Mittwoch. Auch das Nebeneinander von Zugbetrieb und Baustelle funktioniere. Drei Sicherheitswärter sind vor Ort. Eine Warnanlage heult auf, wenn ein Zug erwartet wird. Ein Kränzchen windet er auch den Anwohnern, die Baulärm in Kauf nehmen oder während der Bauarbeiten ihren Garten opfern müssen. «Man merkt, dass sie sich auf die neue Haltestelle freuen und darum auch bereit sind, Opfer zu bringen.»
Gearbeitet wird zeitweise im 24-Stunden-Betrieb
Vom 4. bis 17. November kommt der Zugbetrieb zwischen Allmend und Alpnachstad zum Erliegen. Die Passagiere müssen auf Bahnersatzbusse umsteigen und eine längere Reisezeit in Kauf nehmen (siehe Kasten). «Für die nächsten Arbeitsschritte brauchen wir zwei Wochen am Stück ohne Zugbetrieb», erklärt Florian Homma. Die neue Doppelspur wird ans bestehende Netz beim Tunneleingang und am Ende der S-Bahn-Haltestelle in Richtung Hergiswil Dorf angeschlossen, die Signal- und Sicherungsanlagen werden angepasst. «Das alte einspurige Gleis wird entfernt, das schafft auch Platz, um das Perron und den Zugang zur Unterführung auf der Seeseite zu bauen.»
Spektakulär wird es voraussichtlich am 9. November. Dann fliegt ein Helikopter die 38 neuen Fahrleitungsmasten an ihre Position, wo sie von den Arbeitern an den Sockeln angeschraubt werden. «In der knapp bemessenen Zeit der Sperrung werden rund 100 Arbeiter zeitweise im 24-Stunden-Betrieb arbeiten», sagt Florian Homma. In der vierwöchigen Totalsperre diesen Frühling wurden bereits Arbeiten gemacht, die unter laufendem Zugbetrieb nicht möglich gewesen wären.
Schneller und leiser unterwegs
Wenn am Montag, 18. November, morgens um 5.13 Uhr der erste Zug die neue Doppelspurstrecke befährt, wird er dank dem gestreckteren Verlauf teilweise Tempo 70 statt 50 fahren können. «Der Interregio mit seinen sehr knapp bemessenen Fahrzeiten dürfte dann pünktlicher unterwegs sein», sagt Gunthard Orglmeister, Leiter Infrastruktur der ZB. Was wohl die Anwohner freut: Das Kurvenquietschen, zumindest im bisherigen Ausmass, dürfte wegen des grösseren Radius der Vergangenheit angehören. Warum die Bahnbauer die Strecke in Hergiswil, welche 1889 eröffnet wurde, so schlangenlinienförmig angeordnet haben, weiss man heute nicht mehr. «Man wollte wohl möglichst auf Kunstbauten verzichten, wenig Berg abtragen und passte sich mit dem Linienverlauf darum der Topografie an», vermutet er.
Ab 1. März 2020 halten pro Stunde und Richtung vier S-Bahnen in Hergiswil Matt – dank Doppelspur. Seit der Umstellung auf den Viertelstundentakt im Dezember 2013 fuhren die allermeisten S-Bahnen vorbei, weil der Fahrplan den Halt auf der Einspurstrecke nicht mehr erlaubte. Die neue Haltestelle wird am 20. Juni samt wiederaufgebautem Spielplatz Matt eröffnet.
Hohe Nachfrage erwartet dank grossem Einzugsgebiet
38 Millionen Franken kostet das Projekt, finanziert vom Bund sowie den Kanton Nidwalden, Obwalden und Luzern. Gunthard Orglmeister spricht von gut investiertem Geld: «Hergiswil Matt hat ein sehr grosses Einzugsgebiet, sogar ein grösseres als Hergiswil Dorf. Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase wird das sehr attraktive Angebot mit nur zwölf Minuten Fahrzeit bis Luzern auf grosse Nachfrage stossen», ist er überzeugt. Bahnersatzbusse sollten dann auf diesem Abschnitt für einige Zeit der Vergangenheit angehören. «Die Gleise halten die nächsten 25 Jahre», verspricht Florian Homma.
Um dieselbe Strecke möglichst selten zu sperren, nimmt die ZB jeweils mehrere Baustellen zusammen, so auch in diesem Fall. So werden bis Dezember Horw (bahnseitig) und bis September 2020 Kriens Mattenhof erneuert. Rund 22 Millionen Franken kosten die Projekte auf Luzerner Boden.