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Zug

Bald ist er der Kunde

Nach sieben Jahr als Leiter des Zuger Staatsarchiv geht Ignaz Civelli in den Ruhestand. Langweilig wird es ihm wohl nicht werden – er erzählt von vielen Ideen, die er vorhat.
Ignaz Civelli studiert im Staatsarchiv historische Pläne, welche vor kurzem digitalisiert wurden. (Bild: Maria Schmid (Zug, 20. November 2018))

Andrea Muff

Spinnweben, Staub, Aktenberge: So die gängige Vorstellung eines Archivs. Wortkarg, bleich, humorlos: So die gängige Vorstellung eines Archivars. Doch weit gefehlt, weder der Leiter des Zuger Staatsarchivs Ignaz Civelli noch das Archiv selbst passen in das Klischee. Gehört hat Ignaz Civelli diese Vorstellungen natürlich schon öfters – er lacht darüber und spielt gerne mit ihnen: «Ich weiss schon, was man von Archiven denkt», lässt er seine Besucher bei der Begrüssung wissen. Seinen Arbeitsort wird der Unterägerer per Ende Jahr verlassen – er geht in den Ruhestand und gibt Badge, Schlüssel und die weissen Archivhandschuhe an seinen Nachfolger, Ernst Guggisberg, weiter. Und was macht Ignaz Civelli dann ab Januar?

Er versichert: «Mir wird es nicht langweilig, ich habe eher zu viele Ideen, was ich noch alles tun könnte.» So habe er unzählige Bücher, die darauf warten, endlich gelesen zu werden. Ein paar seien sogar noch in Folie verpackt. Und er will noch einem weiteren eher zeitintensiveren Hobby frönen: «Ich bin ein passionierter Eisenbähnler», sagt der 59-Jährige nicht ohne Stolz. Doch nicht nur Modelleisenbahnen interessieren ihn, sondern auch die Eisenbahngeschichte und das Eisenbahnfahren selbst. «Eine Reise mit der Transsib ist bereits geplant.» Auch in seiner Sprache kommt die Faszination für Gleise und Züge zum Vorschein: An Bahn-Metaphern spart der Historiker nicht – und kann hierbei aber auch über sich selber schmunzeln.

Zeit für Forschung und Crèmeschnitten

Doch nicht nur Bücher und Eisenbahnen stehen ab Januar auf dem Plan: «Ich freue mich, selbst Kunde im Staatsarchiv zu werden», verkündet Ignaz Civelli. Denn endlich habe er Zeit zu forschen. Als Staatsarchivar sei man zwar immer bei den Dokumenten, aber lesen könne man sie nicht, dafür bleibe keine Zeit. «Das ist wie, wenn man vor einer feinen Crèmeschnitte sitzt, diese aber nicht essen darf», sagt er mit leuchtenden Augen. «Jetzt freue ich mich auf die Crèmeschnitte», fügt er schmunzelnd hinzu. Und auch auf das Ausschlafen freut sich der Archivar. Denn bis anhin klingle wochentags sein Wecker um 4.45 Uhr, um 6.30 Uhr beginne er mit der Arbeit.

Seit 2011 leitet Ignaz Civelli das Zuger Staatsarchiv. Mit 59 Jahren gehört der Historiker zu den jüngeren, die sich pensionieren lassen. «Ich möchte noch einiges unternehmen, solange meine Gesundheit dies zulässt.» Für die letzten Tage sei nun noch ein Schlussspurt angesagt, sagt Civelli. Er wolle dem Nachfolger möglichst wenige Baustellen hinterlassen. In den vergangenen acht Jahren sei vor allem die Digitalisierung das vorherrschende Thema gewesen. «In diesem Bereich fanden die stärksten Veränderungen statt», erklärt er. Sein grösstes Projekt sei die Einführung eines elektronischen Geschäftsverwaltungssystems gewesen. Mit dieser Software werden Geschäfte und Dokumente der ganzen kantonalen Verwaltung eingeordnet und sind so jederzeit abrufbar. «Das war ein Hoselupf, aber schlussendlich ein Erfolg», sagt er. Jeden Tag arbeiten kantonsweit 1000 Leute in 70 Dienststellen mit dem System.

Pro Jahr wächst das Archiv um 200 Laufmeter

Insgesamt 7000 Laufmeter Dokumente bewahrt das Zuger Staatsarchiv auf. Wenn man Einzelblatt an Einzelblatt legen würde, so ergäbe das eine Distanz von Zug bis nach Peking, verdeutlicht Civelli den Umfang. Zudem wachse das Archiv pro Jahr um 200 Laufmeter. Die Räume an der Aabachstrasse stossen an ihre Kapazitätsgrenze. «Wir haben noch ein Aussenmagazin in der Grösse einer Turnhalle», erklärt Civelli. Von allen vom Kanton produzierten Akten übernehme man lediglich 5 Prozent. Besonders wichtige Akten seien die Entscheide des Regierungsrats oder Kantonsratsbeschlüsse, welche alle aufbewahrt werden.

Faszination für historische Dokumente

Es kommt aber auch immer wieder vor, dass etwa private Nachlässe dem Staatsarchiv vermacht werden. «Wenn man diese Kartons aufmachen darf, dann ist das für mich wie Weihnachten», gibt der Archivar zu. Schon als Kind habe er gemerkt, dass er an alten Dokumenten und Geschichten von früher interessiert sei. Die Eltern von Ignaz Civelli haben das Altersheim Chlösterli in Unterägeri geführt. Damals sei die Verwalterwohnung noch im Gebäude selbst gewesen. «Ich war als Kind viel bei den Bewohnern. Diese erzählten mir oft Geschichten, zeigten mir Postkarten, Fotos und Briefe einer vergangenen Zeit», erzählt Civelli und fügt hinzu: «Das hat mich schon immer fasziniert.»

Diese Faszination ist bis heute geblieben. «Ich werde mein Team vermissen. Es hat mich getragen und war immer unglaublich motiviert», schwärmt der Chef von seinen Mitarbeitern. Ein Expertenteam eben, freut er sich. Zu den Aufgaben seines Teams gehörte auch die Öffentlichkeitsarbeit: Beim letzten Archivtag mit dem Thema «Verbrechen und Skandale» lockte das Zuger Staatsarchiv weit über 600 Besucher in seine Räume. Es ging dem Team auch um das «Abbauen von Schwellenängsten»: Viele Leute hätten gesagt, sie seien das erste Mal in ihrem Leben in einem Archiv. «Das war ein toller Erfolg», freut sich Civelli noch heute. Für ihn steht damit fest: «Ich höre in einem guten Moment auf, denn es läuft so richtig gut.» Hat es auch mal Schwierigkeiten gegeben? «Es gab sicher auch mal Pannen – aber der Zug ist nie entgleist», fasst Civelli selbstkritisch seine Jahre als Leiter des Archivs in einer Bahnmetapher zusammen.

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