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Zug

Baarer Kirchenratspräsident nimmt Stellung zur Kritik am Religionsunterricht

Seit Anfang Jahr ist Thomas Inglin (54) Präsident des katholischen Kirchenrats. Er äussert sich unter anderem zu eingeleiteten Änderungen bei einem Dauerbrenner in der Kirchgemeinde – der Qualität des Religionsunterrichts.
Die Pfarrkirche St. Martin in Baar. (Bild: Stefan Kaiser)
Der Baarer Kirchenratspräsident Thomas Inglin (Bild:PD)

Interview: Raphael Biermayr

Interview: Raphael Biermayr

Die Kirche St. Martin schlägt acht Mal, als Thomas Inglin in den Sitzungsraum der Kanzlei der katholischen Kirchgemeinde in Baar bittet. Der 54-Jährige ist vor rund einem Jahr als Nachfolger von Martin Hotz zum Präsidenten des Kirchenrats gewählt worden, seit Anfang 2018 übt er dieses Amt aus. Den Anlass zum Gespräch gab ein anonymer Brief an die Redaktion unserer Zeitung, der unter anderem den Religionsunterricht zum Thema hat. Dieser bietet in der Gemeinde seit mehreren Jahren Anlass zur Kritik. Neben Inglin ist der Kirchenschreiber Stefan Doppmann beim Gespräch anwesend.

Thomas Inglin, was hat Sie nach Ihrem Amtsantritt als Kirchenratspräsident am meisten überrascht?Die Vielfalt an Aufgaben. Ich hätte nicht gedacht, dass man einen so breiten Einblick erhält – auch in Themen, von denen man nicht so viel Ahnung hat, beispielsweise das Bauwesen. Ich bin sehr interessiert und bespreche mich oft mit den Departementsleitern, wie ich meine Ratskollegen nenne. Ich kann nach den ersten acht Monaten sagen – es ist einfach eine gute Sache.In einem anonymen Brief, der unserer Zeitung zugestellt wurde, wird Vetternwirtschaft angedeutet, weil Ihre Frau und Ihr Bruder auch bei der Kirchgemeinde angestellt sind...... Es gilt zu ergänzen, dass zwei meiner Kinder auch schon in der Kirche musizierten (schmunzelt).Wurden Sie je direkt auf dieses Thema angesprochen?Nein, nie. Meine Frau ist seit rund 30 Jahren Chorleiterin in Inwil, mein Bruder wurde als Ministrantenpräses eingestellt, bevor ich mein Amt als Präsident angetreten habe. Damit hatte ich also nichts zu tun. Aber ich habe ihn aus eigener Vorsicht erst nach drei Monaten angerufen, um zu fragen, wie es ihm geht. Er ist ja näher an den Leuten in der Pfarrei dran und es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass ich über ihn spioniere.Im besagten Brief wurden – nicht zum ersten Mal – Kündigungen von Religionslehrern und eine allgemeine Besorgnis ausgedrückt, was den Religionsunterricht in Baar anbelangt. Bietet dieser Unterricht heutzutage eine besondere Reibungsfläche?Aus meiner Sicht nicht. Er ist im Gegenteil eine Riesenchance für die Kirche, unser kulturelles Erbe und unsere Identifikation zu vermitteln, die nun mal im Christentum liegen. Das Alte und das Neue Testament beinhalten coole Geschichten, die wie Filmplots sind. Es gilt unter anderem, diese Geschichten den Kindern im Religionsunterricht attraktiv zu vermitteln.Das heisst, es gibt grosse Fähigkeitsunterschiede bei den Religionslehrern?Ja, so wie in der Regelschule auch. Allerdings ist die Auswahl an Katecheten viel geringer als bei anderen Lehrern. Der Besuch des Religionsunterrichts ist für katholische und reformierte Schüler freiwillig. Nicht zuletzt deshalb ist es besonders wichtig, einen spannenden Unterricht zu bieten.Aus anderen Kirchgemeinden gelangen nie Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht an die Öffentlichkeit. Warum aus Baar?(Weil die meisten Vorfälle die Zeit vor Inglins Präsidentschaft betreffen, antwortet der Kirchenschreiber Doppmann darauf, Anm. d. Red.) Wir sind mit rund 12 000 Gläubigen eine der grössten Pfarreien innerhalb des Bistums Basel. Der Wechsel in der Pfarreileitung im Jahr 2013 brachte natürlich auch Bewegung ins Team. Jeder einzelne Abgang war, auf die persönliche Situation des Mitarbeiters bezogen, nachvollziehbar. Wir haben aber einen strukturellen Mangel erkannt, den wir auf Initiative des jetzigen Präsidenten beheben.Wie denn, Herr Inglin?Wir haben per 1. September mit Alexander Kraus einen Assistenten unseres Pfarrers Anthony Chukwu eingestellt, der auch für die Qualitätskontrolle und Organisation im Religionsunterricht zuständig ist. Es kann nicht sein, dass unser Pfarrer sich auch mit den Stundenplänen für den Religionsunterricht befassen muss. Wie sieht diese Kontrolle aus?Alexander Kraus nimmt bei Bedarf am Unterricht der Katecheten teil und wird diesem sowie dem Kirchenrat Rückmeldungen geben. Er bringt in dieser Funktion bereits Erfahrung aus Einsiedeln mit. Wir sind überzeugt, dass diese Massnahme die Qualität des Religionsunterrichts fördert.Sind eigentlich Eltern direkt auf Sie zugekommen in Sachen Religionsunterricht?Ja, und wir nehmen diese Rückmeldungen sehr ernst. Wir sind froh, wenn sich die Eltern direkt an uns wenden, damit wir über ihre Anliegen sprechen und gegebenenfalls Massnahmen ergreifen können. Das ist uns lieber, als wenn anonyme Briefe an die Presse gehen.Ein anderes Thema, das die Pfarrei Baar seit mehreren Jahren beschäftigt, ist der vom Bistum Basel geplante gemeinsame Pastoralraum mit der Pfarrei Steinhausen. Wir sind laufend in Gesprächen mit dem Bistum. Die Schaffung der Pastoralräume findet im Zuge derselben Reorganisation statt, wie die kürzlich erfolge Aufhebung des Dekanats Zug. Es braucht einfach Zeit, bis die unterschiedlichen Bedürfnisse aufeinander abgestimmt sind.Bei wem liegt der Ball?Beim Bistum.Protokollen der Kirchgemeindeversammlungen der letzten Jahre ist zu entnehmen, dass sich manche Mitglieder einen zweiten Priester wünschen. Besteht dieser Wunsch weiterhin?Die frühere Co-Leitung der Pfarrei ist bei den Mitgliedern sehr gut angekommen, manche wünschen sich diese Lösung tatsächlich noch heute zurück. Aber das Bistum verlangt ausdrücklich, dass die Pfarreileitung bei einer Person liegt – dagegen anzukämpfen wäre sinnlos. Wir müssen das Beste aus den gegebenen Strukturen machen. Erwähnte Verpflichtung eines Assistenten ist für unseren Pfarrer schon sehr hilfreich. Denn so ist er stärker für seine eigentliche Aufgabe freigespielt – die Seelsorge.
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