Alexander von Däniken
In der Medizin ist er unbestritten, im Strassenverkehr sorgt er für hitzige Diskussionen: der Bypass. Für 1,8 Milliarden Franken sollen Stadt und Agglomeration Luzern ab 2030 mit einem zusätzlichen Autobahnabschnitt vor dem Verkehrskollaps bewahrt werden. Zentrales Element des Bundesprojekts ist ein neuer Autobahntunnel mit zwei Röhren und je zwei Fahrstreifen zwischen Ibach in Luzern Nord und dem Gebiet Grosshof in Kriens. Doch viele Krienser – darunter auch der Stadtrat – verlangen, dass der Tunnel weitergeführt wird. Wenn möglich vom südlichen Sonnenbergportal bis zum Tunnel Schlund.
Jetzt ist klar, wie viel diese komplette sogenannte Einhausung zusätzlich kosten würde: rund 540 Millionen Franken. Dies geht aus der Stellungnahme des Bundesrats auf eine Interpellation von FDP-Nationalrat Peter Schilliger hervor. Die Gesamtkosten würden also rund um einen Drittel ansteigen. Als Grund für die hohen Zusatzkosten führt der Bundesrat die Lüftung an. Statt der bis jetzt geplanten einzelnen Lüftungen für die Tunnel Schlund, Bypass und Sonnenberg/Reussport müsste ein komplett neues Lüftungssystem konzipiert werden.
Zwar würde der Lärmpegel in den umliegenden Quartieren mit einer vollständigen Eindeckung reduziert, so der Bundesrat: «Im Sinne des Umweltschutzrechts ist diese Massnahme jedoch nicht als wirtschaftlich tragbar zu betrachten.» Wenn, dann müssten sich auch der Kanton Luzern und die Stadt Kriens daran beteiligen. Grundsätzlich könnten die Arbeiten parallel durchgeführt werden, es bestehe aber auch das Risiko, dass sich das ganze Projekt Bypass verzögern könnte.
Bypass-Befürworter: Neue Fakten für Diskussion
Peter Schilliger ist mit den Antworten des Bundesrats auf seine Interpellation zufrieden: «Der Bundesrat zeigt jetzt klar auf, wo die Grenzen des ursprünglichen Projekts sind – und was die vollständige Einhausung inklusive neuer Lüftung kostet wird.» Auch sei nun klar, dass eine ganze Überdachung definitiv nicht ausschliesslich vom Bund getragen werde. Der Politiker aus Udligenswil, der auch als Präsident der TCS-Sektion Waldstätte amtet, will der emotionalen Debatte rund um den Bypass mit Fakten begegnen. Die Antworten des Bundesrats könnten nun von Kanton und Stadt Kriens sowie weiteren Interessengruppen diskutiert werden.
«Wichtig ist, dass am Ende an einem Strick gezogen wird.»
Schilliger hält eine vollständige Einhausung auf Krienser Boden persönlich für eher unrealistisch. Bei einem Kostenteiler wie bei einem vergleichbaren Projekt in Schwamendingen müsste der Kanton Luzern rund 135 Millionen Franken beisteuern, die Stadt Kriens rund 108 Millionen Franken. Das sei vor allem für Kriens viel Geld. Darüber hinaus werde riskiert, dass der bereits bewilligte Verpflichtungskredit angepasst werden müsse. «Und dann muss sich das ganze Bypass-Projekt mit unzähligen anderen Strassenprojekten messen, die ebenfalls auf ihre Realisierung warten.» Aber sollten sich die Stadt, der Kanton und die wichtigsten Interessengruppen auf den zusätzlichen Effort einigen, «würde ich dies sehr begrüssen», betont Peter Schilliger.
Kanton: Verzögerung kommt nicht in Frage
Der Kanton Luzern signalisiert Gesprächsbereitschaft. So sagt Regierungsrat Fabian Peter, Vorsteher des zuständigen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements: «Die Antwort des Bundes ist für uns nachvollziehbar. Eine Verzögerung des Projektes Bypass ist nicht im Sinne des Kantons. Wir stehen aber in regelmässigem Austausch mit der Stadt Kriens, dem Astra und Luzern Plus, um zu prüfen, was es anstatt einer Volleinhausung für Verbesserungsmöglichkeiten gibt.»
Luzern-Plus-Geschäftsführer Armin Camenzind bestätigt die Gespräche. Und er spricht bei der Interpellationsantwort des Bundesrats von einem wertvollen Erkenntnisgewinn:
«Die vollständige Einhausung hat jetzt ein Preisschild.»
Mit diesem könne nun gearbeitet werden – unter der Bedingung, dass der Bypass als Ganzes nicht gefährdet werde. «Aus den bisherigen Verhandlungen geht hervor, dass alle Gesprächspartner den Bypass wollen. Einzelne Anpassungen erachte ich als möglich.» Die Kosten für eine vollständige Einhausung seien offensichtlich sehr hoch; es sei aber durchaus denkbar und wünschenswert, dass deren Realisierung geprüft wird. «Dafür braucht es weiterhin konstruktive und sachliche Gespräche.»
Die Krienser CVP-Einwohnerrätin Michèle Albrecht leitet ein vereintes Komitee, das sich für eine Überdachung der Autobahn einsetzt. Sie sagt: «Die Stellungnahme des Bundesrates beinhaltet keine Informationen, die wir vom Komitee nicht schon gehabt hätten.» Für das Komitee sei weiterhin klar:
«Die 1 Kilometer lange und teilweise 70 Meter breite Schneise mitten durch die Luzerner Agglomeration darf nicht so wie aktuell geplant umgesetzt werden.»
Das Komitee beruft sich dabei auch auf ein 2019 überwiesenes Postulat aus dem Ständerat, wonach der Bund ein «städtebaulich integrierendes Projekt mit ganzer oder teilweiser Überdeckung» unterstützen muss.
Auf dieses Postulat beruft sich auch die Krienser Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf. Die 540 Millionen Franken seien erst eine Schätzung. «Wir sind der Meinung, dass wir in diesem Stadium nicht Kostenschätzungen beurteilen sollten, sondern zuerst Lösungsansätze finden müssen», sagt die CVP-Politikerin, die auch im Kantonsrat sitzt. Kriens könne und wolle ein Projekt wie die Einhausung der Autobahn nicht selber stemmen. «Ein solches Projekt muss in jedem Fall partnerschaftlich entwickelt und auch finanziell getragen werden.»
Anders als der TCS spricht sich der VCS gegen den Bypass aus. «Aus klimapolitischer Sicht ist der Bypass falsch. Er würde zu noch mehr Verkehr führen», sagt Michael Töngi, Präsident von VCS Luzern und Grüne-Nationalrat aus Kriens. Töngi ist aber auch pragmatisch; wenn das Strassenprojekt realisiert werde, dann müsse es möglichst siedlungsverträglich gestaltet sein. «Eine volle Einhausung ist dann Pflicht.» Der Bund habe durchaus die finanziellen Mittel, um einen Grossteil der geschätzten 540 Millionen Franken zu stemmen; aber auch Kanton Luzern und Stadt Kriens sollten sich beteiligen – wenn auch nicht bei gleichem Kostenteiler wie beim Schwamendinger Projekt.
Auch der Udligenswiler GLP-Nationalrat und WWF-Luzern-Vorstandsmitglied Roland Fischer sagt: «Aus meiner Sicht ist der Bypass nicht notwendig.» Der neueste Bericht des Weltklimarats IPCC zeige auf, dass jeglicher Ausbau des privaten Autoverkehrs kontraproduktiv sei. «Wenn der Bypass unbedingt gebaut werden muss, dann hat eine vollständige Überdachung absolute Priorität.»