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Zentralschweiz

Ausbildungszahlen im Pflegebereich sinken – «durch die Pflege-Initiative wurde zu negativ über das Berufsfeld gesprochen»

Die Ausbildungszahlen im Pflegebereich sind rückläufig. Dies könnte den Fachkräftemangel zukünftig noch verschärfen.

Tobias Lengen.
Bild: Bild: PD

Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt sind die Ausbildungszahlen im Pflegebereich in der Zentralschweiz rückläufig. «Auf der Stufe der höheren Fachschule haben dieses Jahr knapp 10 Prozent weniger Studierende eine Gesundheitsausbildung begonnen», sagt Tobias Lengen, Geschäftsführer des regionalen Berufsbildungsverbands OdA Xund Gesundheit Zentralschweiz. Bei den Berufslehren sei nach Jahren der Zunahme eine Stagnation festzustellen.

Gleichzeitig spitzt sich der Fachkräftemangel zu. «Von 2012 bis 2020 haben die Ausbildungsplätze zwar um 70 Prozent zugenommen», so Lengen. «Um den Bedarf an Pflegepersonal zu decken, wäre bis 2029 aber nochmals ein Wachstum von rund 30 Prozent nötig – abhängig von der Entwicklung der Personalverweildauer, dem grössten Hebel gegen den Fachkräftemangel.»

Weniger Junge treten ins Berufsleben ein

Hanspeter Vogler.
Bild: Bild: Pius Amrein (Luzern, 13. Januar 2022)

Hanspeter Vogler, Leiter des Fachbereichs Gesundheitswesen des Kantons Luzern, führt den Rückgang der Ausbildungszahlen in Pflegeberufen unter anderem darauf zurück, dass geburtenschwache Jahrgänge ins Berufsleben eintreten.

Generell sei zu bedenken, dass in den nächsten zehn Jahren nur etwa halb so viele Personen in den Arbeitsmarkt eintreten werden wie ausscheiden. Dies sei in allen Berufen spürbar und habe nicht zwingend damit zu tun, dass ein Beruf unattraktiver werde. «Auch wenn wir die Massnahmen verdoppeln, um mehr Lernende für einen Beruf zu begeistern, gibt es noch zu wenige Auszubildende.»

Negative Wahrnehmung durch Pflege-Initiative

Auch Lengen hält einen Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsrückgang in der Pflege und der geringeren Geburtenstärke der Jahrgänge für möglich. Er weist aber darauf hin, dass die Anzahl Schulabgänge in der Zentralschweiz bereits seit 2010 rückläufig sei. Seit 2019 ein Tiefpunkt erreicht wurde, steigen die Zahlen wieder. So gewichtet er einen anderen Faktor stärker:

«Durch die Kampagne rund um die Pflege-Initiative wurden die attraktiven Aspekte des Pflegeberufs stark von der Skandalisierung der Arbeitsbedingungen überlagert.»

Inhaltlich sei das Massnahmenpaket der Pflege-Initiative sicher eine grosse Chance, so Lengen. Jedoch sei durch die Diskussion um die Initiative hauptsächlich über die Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche gesprochen worden, nicht aber über die positiven Aspekte von Pflegeberufen wie die Sinnhaftigkeit, die Arbeit mit und für Menschen, die vielfältigen Laufbahnperspektiven oder die Konjunktursicherheit. Die daraus resultierende öffentliche Wahrnehmung des Gesundheitsbereichs helfe nicht dabei, mehr Leute zu gewinnen.

Dem stimmt Vogler zu: «Es wurde zu negativ über dieses Berufsfeld gesprochen.» Während der Pandemie hätten in der Pflegebranche ausserdem andere Bedingungen als gewöhnlich geherrscht, es sei sehr viel gearbeitet worden und wenn Personal ausfiel, habe man dies auch noch auffangen müssen. «Im Normalbetrieb ist der Pflegeberuf sicher attraktiv, aber wir hatten keinen Normalbetrieb in den letzten zwei Jahren», so Vogler.

Verteilschlüssel gewährleistet Ausbildung

Im Kanton Luzern sind Spitäler, Pflegeheime und Spitex dazu verpflichtet, eine bestimmte Anzahl Lernender auszubilden. So sei trotz der Personalnot gewährleistet, dass alle ausgebildet werden können, die sich für eine Pflegeausbildung entscheiden, sagt Vogler.

Lengen und Vogler sind sich einig, dass mit gezielten Massnahmen auf verschiedenen Ebenen Gegensteuer gegeben werden muss. So sei es wichtig, die Fachkräfte im Beruf zu behalten und Quereinsteigende und Wiedereinsteigende zu fördern, wofür bereits Kampagnen der Xund laufen. Aufgabe der Spitäler, Heime und Spitex sei es zudem, das Personal durch attraktive Arbeitsbedingungen länger im Beruf zu halten.

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