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Uri

«Aus jedem Einsatz lernt man»

Der abtretende Feuerwehrinspektor Bruno Achermann sagt, was ihn in den vergangenen 16 Jahren geprägt hat, welche Veränderungen bei den Feuerwehren anstehen und wie man sich auf die Ernstfalleinsätze am besten vorbereitet.
Statistiken über die Einsätze - wie hier beim Unwetter 2005 - sind für Bruno Achermann wichtig, auch wenn sie eine trockene Angelegenheit sind. (Bild: Markus Zwyssig, Altdorf, 23. August 2018) 
Prägte die Zeit als Feuerwehrinspektor: Das Unwetter 2005 mit Hochwasser im Urner Talboden. (Bild: Bruno Achermann)
Der Brand der Halle Stille Reuss in Schattdorf. (Bild: Bruno Achermann)
Ebenfalls 2012: Der Grossbrand des Biomassekraftwerks Green Power Uri in Altdorf. (Bild: Bruno Achermann)  

Interview: Markus Zwyssig

Interview: Markus Zwyssig

Interview: Markus Zwyssig

Interview: Markus Zwyssig

Der 60-jährige Flüeler Bruno Achermann tritt als Urner Feuerwehrinspektor nach 16 Jahren in den frühzeitigen Ruhestand. Am Freitag hat er seinen letzten Arbeitstag. Seine Nachfolge wird Stefan Dahinden aus Andermatt antreten. Mit auf den Weg gibt er ihm vor allem dies: «Das Wichtigste bei der Arbeit sind die Erkenntnisse und Erfahrungen aus Ernstfällen und der gesunde Menschenverstand», sagt Achermann.

Bruno Achermann, ist es noch zeitgemäss, dass jede Gemeinde eine Feuerwehr hat?Heute hat tatsächlich noch jede Gemeinde im Kanton Uri eine Feuerwehr. In den nächsten Jahren wird sich einiges ändern. Es hat ja schon verschiedene kleinere Zusammenschlüsse gegeben. So bildet Bauen heute schon mit Seedorf, Isenthal und Attinghausen eine Ausbildungsregion. Amsteg hat keine Feuerwehr mehr, sondern ist in der Feuerwehr Silenen integriert. Auch andere Feuerwehren arbeiten eng zusammen, so haben Bürglen, Spiringen und Unterschächen eine Vereinbarung unter den drei Gemeinden.Wie schwierig ist es, genügend Leute für die Feuerwehr zu rekrutieren?Bei den Mitgliederzahlen hatten wir lange Zeit stets einen leichten Rückgang zu verzeichnen. Jetzt gab es erstmals seit 10 Jahren einen leichten Anstieg insbesondere in Altdorf, Erstfeld und Andermatt. Wichtig ist, dass die Feuerwehren aktiv um Nachwuchs werben. In Erstfeld kamen dank einem Schnuppertag um die 20 jungen Männer neu in die Feuerwehr. Einzelne kleinere Gemeinden wie Realp haben zwar Probleme, genügend Leute zu finden. Alles in allem ist es aber noch nicht so schlimm wie in anderen Kantonen. Viele wissen, was sie Dank der Feuerwehr haben. In Bristen zum Beispiel kommen jeweils von 60 Mann mehr als 55 zur Probe. Alle wissen: Im Bergdorf ist man bei einem Ernstfall – wie beispielsweise einem Unwetter, einem Erdrutsch oder einem Brandfall – auf rasche Hilfe vor Ort angewiesen.Brennt es heute weniger als früher?Im Kanton Uri rücken Feuerwehrleute jährlich zu rund 80 Bränden aus. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Es ist aber schon so, dass beim Brandschutz sehr viel gemacht wird. Grössere Gebäude werden mit Brandmeldeanlagen überwacht. Aufgrund der besseren Organisation und Alarmierung ist die Feuerwehr schneller vor Ort. Dadurch kommt es vielfach nur noch zu kleineren Bränden, die schnell gelöscht werden können.Haben sich die Gefahren, die die Feuerwehr bekämpfen muss, verändert?Die grösste Veränderung gab es auf der Schiene. Im vergangenen Jahr waren 142 Einsätze zu bewältigen. Zurückzuführen ist die hohe Zahl auf die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels. Einsätze gab es vor allem wegen Zugdefekten oder überfahrenen Tieren. Suizide kommen in Uri zum Glück eher selten vor. Im Gotthard-Strassentunnel ist die Schadenwehr Gotthard zuständig. Rettungseinsätze auf der Strasse sind pro Jahr 30 bis 40 zu verzeichnen. Die Feuerwehr unterstützte 2017 auch die Ambulanz bei 39 Rettungseinsätzen im Bereich Traghilfe nach Unfällen. Sehr oft gerufen wurde die Feuerwehr zur Bekämpfung von Wespennestern. Insgesamt leistete die Urner Feuerwehr im vergangenen Jahr 616 Einsätze. Auch im laufenden Jahr dürften es wieder ähnlich viele sein.Wie hat sich die Ausbildung der Feuerwehrleute gewandelt?Verstärkt geachtet wird auf die Sicherheit der Feuerwehrleute. Die Gefahr ist gross, dass man in einem Brandfall giftige Dämpfe einatmet. Die Ausbildung im Atemschutz wird daher nun jedes Jahr angeboten. Die Bekämpfung von Bienen und Wespen ist nicht eine Kernaufgabe. Macht das eine Feuerwehr, so brauchen die Leute einen Chemiekalienkurs. Ein grosser Teil der Ausbildung erfolgt im Kanton Uri durch den Feuerwehrverband. Wichtig ist, dass man wirklichkeitsnah übt. Speziell geschult wird der Einsatz bei Grossereignissen.Was hat Ihnen bei ihrer Arbeit als Feuerwehrinspektor besonders gefallen?Die Arbeit als Feuerwehrinspektor ist sehr vielseitig. Ich bin gerne mit Menschen zusammen und versuche mit meiner Arbeit etwas zu bewegen. Bei jedem Einsatz sieht man, was man optimieren könnte. Daraus lernt man und kann das gezielt in die Ausbildung mit einbeziehen. In der Zentralschweiz und auch landesweit habe ich immer gerne mit Berufskollegen zusammengearbeitet. Ich habe mit Herzblut in der Ausbildung gearbeitet. Mein Leitsatz war stets: Nicht nur instruieren und einfach das Wissen weitergeben, sondern ausbilden.Wie gerne erledigen Sie Büroarbeit?Ich bin lieber im Ausbildungsbereich an der Front tätig. Büroarbeit ist jedoch wichtig, auch wenn man sie nicht gerne erledigt. Mit Tätigkeitsberichten ist man gut dokumentiert und hat Argumente, wenn es beispielsweise um Neuanschaffungen geht.Was war das Schlimmste, das Sie während ihrer Zeit als Feuerwehrinspektor erlebt haben?Sehr prägend war für mich das Unwetter 2005. Der Urner Talboden war sehr stark von Hochwasser betroffen. Ich half im kantonalen Führungsstab unter der Leitung von Franz Steinegger mit. Das Grossereignis forderte viel von uns. Dabei kam ich auch körperlich an meine Grenzen. Gleich drei Grossbrände hatten wir 2012 zu bewältigen: die Schreinerei in Spiringen, die Halle Stille Reuss in Schattdorf und das Biomassekraftwerk Green Power Uri in Altdorf. Schlimm sind jeweils Todesfälle. Geprägt haben mich der Unfall mit dem überschlagenen Reisecar 2012 auf der Autobahn mit einem Todesopfer und im vergangenen Jahr das Unglück bei der Ruosalp mit zwei Todesopfern. Im zweiten Fall war die Betroffenheit insbesondere auch bei der Feuerwehr Unterschächen sehr gross, weil man die Verstorbenen sehr gut gekannt hat.Hat die Feuerwehr genügend Mittel, um die vielen Einsätze bewältigen zu können?Sehr wichtig ist der Feuerwehrlöschfonds. Die Versicherungsgesellschaften steuern Jahr für Jahr rund 1 Million Franken bei. Damit werden die Arbeit der Feuerwehr, die Ausbildung, das Material, neue Gerätschaften und Gebäude wesentlich finanziell unterstützt. Zurzeit sind im Fonds 1,3 Millionen Franken. Weil verschiedene grössere Investitionen anstehen, wird dieser Betrag aber nun kleiner. Es ist ja nicht das Ziel, möglichst viel Geld im Fonds zu haben.War es ein Bubentraum von Ihnen, Feuerwehrmann zu werden?Nein, ich bin vielmehr in das Ganze hineingewachsen. Bereits mit 16 Jahren ging ich in Flüelen zur Feuerwehr. Ich habe Maurer gelernt und war später Polier. Ich war 29 Jahre lang in der Feuerwehr Flüelen aktiv, davon war ich 9 Jahre lang Feuerwehrkommandant. Im Militär war ich bei den Rettungstruppen (früher Luftschutz) tätig. Als Kommandant habe ich eine Rettungskompanie geführt. Beruflich war ich zuerst Zivilschutzinstruktor. Vor 16 Jahren wurde ich dann Feuerwehrinspektor. Es war mir immer ein grosses Anliegen, anderen Menschen zu helfen.Welche Tipps geben Sie ihrem Nachfolger als Feuerwehrinspektor mit auf den Weg?Stefan Dahinden bringt viele Erfahrungen mit, insbesondere als Kommandant der Stützpunktfeuerwehr Andermatt und als Kommandant-Stellvertreter der Zivilschutz-Organisation Uri. Bereits bisher war er im Kantonalen Führungsstab Uri (Kafur) mein Stellvertreter. Ich helfe bei Fragen gerne weiter. Mein Nachfolger soll aber vor allem auch seine eigenen Ideen einbringen. Ich rate ihm, auf seine Erkenntnisse und Erfahrungen aus Ernstfällen zu vertrauen und den gesunden Menschenverstand zu gebrauchen.
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