Yasmin Kunz
Ein Mann aus der Region Luzern, etwas mehr als 70 Jahre alt, ist wegen beginnender Demenz verwahrlost und kann sich nicht mehr um seine Angelegenheit kümmern. Eine besorgte Nachbarin erstattet eine Meldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Deren Abklärungen ergeben, dass der Mann nicht mehr urteilsfähig ist und einen Beistand benötigt.
Viele Menschen wollen aber selber regeln, wie es weitergeht, wenn sie selber nicht mehr entscheiden können. Dafür gibt es den Vorsorgeauftrag, der den Willen der betroffenen Person umsetzt. Andernfalls entscheidet die Kesb über das weitere Vorgehen. Das kann zu Frust führen, wie Barbara Callisaya, Leiterin der Patientenstelle Zentralschweiz, weiss. «Für die betroffenen Personen sind das harte Schicksalsschläge.»
Vorsorgeauftrag geht bei Kesb über den Tisch
Darum plädiert Callisaya seit Jahren für den Vorsorgeauftrag. Am kommenden Freitag findet in Luzern dazu eine Veranstaltung statt. Mit der Erstellung eines Vorsorgeauftrages bestimmt eine handlungsfähige Person eine natürliche oder juristische Person, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder Vermögenssorge übernimmt und sie im Rechtsverkehr vertritt.
Hat der Betroffene das nicht geregelt, können einige Entscheide unter Umständen durch Angehörige getroffen werden. Wenn kein Vorsorgeauftrag besteht, greift das Vertretungsrecht: Angehörige dürfen nur Rechtshandlungen ausführen, welche zur Deckung des täglichen Unterhaltsbedarfes erforderlich sind. In den übrigen Fällen setzt die Kesb einen Beistand ein.
Angela Marfurt, Präsidentin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Luzern, findet den Vorsorgeauftrag grundsätzlich ebenfalls eine sinnvolle Sache. Sie sagt:
«Wer nichts mit der Kesb zu tun haben will, der soll diesen unbedingt aufsetzen.»
Doch ganz an der Kesb vorbei kommt man mit einem Vorsorgeauftrag dennoch nicht. «Jeder Vorsorgeauftrag muss von unserer Behörde validiert werden», erklärt sie. So werden etwa der Strafregister- und Betreibungsregisterauszug des Vorsorgebeauftragten geprüft. «Hat jemand bereits Betreibungen in einer gewissen Höhe oder geht aus dem Strafregisterauszug hervor, dass er wegen Vermögensdelikten verurteilt wurde, dann können wir diesen Menschen nicht als Vorsorgebeauftragen einsetzen, auch wenn das der Wunsch einer Person war. Wer nicht für seine eigenen Finanzen sorgen kann, kann das in der Regel auch nicht für andere.»
Darum rät Marfurt, sich genau zu überlegen, wem man für seine Belange die Verantwortung übergeben will. Zudem empfehlen Angela Marfurt sowie Barbara Callisaya jeweils noch eine Ersatzperson anzugeben.
Laut Marfurt kann es schon vorkommen, dass Vorsorgeaufträge nicht genehmigt werden können und die Kesb einen eigenen Beistand einsetzen muss. «Das geschieht zum Wohle der betroffenen Person. Wir wollen zum Beispiel vermeiden, dass ihr Vermögen abhanden kommt.»
Private Beistände erhalten Unterstützung
Die als Vorsorgebeauftragte eingesetzten Personen sollten vorab gefragt werden, ob sie diese Verantwortung übernehmen können. «Das ist auch mit Arbeit und Verantwortung verbunden», sagt die Stadtluzerner Kesb-Präsidentin. Die eingesetzte Person hat auch die Möglichkeit, den Vorsorgeauftrag abzulehnen. Zudem weist die sie darauf hin, dass es unter Umständen sinnvoller ist, einen Angehörigen als privaten Beistand einzusetzen. Dieser profitiert von einem Kurs der Fachstelle für Private Mandatsträger, der ihm fachliches Wissen – etwa im Umgang mit Vermögen und rechtlichen Angelegenheiten – vermittelt. «Wer einen Vorsorgeauftrag hat, der von unserer Behörde validiert wurde, ist nachher selber verantwortlich», hält sie fest und fügt an:
«Nach der Überprüfung und entsprechender Verfügung nimmt die vorsorgebeauftragte Person ihre Arbeit auf und untersteht dabei keiner behördlichen Kontrolle.»
Im Gegensatz zu einem privaten Beistand: «Dort schauen wir, dass alles ordentlich läuft und unterstützen diese Personen, wenn sie Hilfe benötigen.»
Nicht nur bei der Patientenstelle ist der Vorsorgeauftrag ein wichtiges Thema, sondern auch bei Pro Senectute, der Beratungsstelle fürs Alter. Léa Thüring, Leiterin Soziale Arbeit Pro Senectute Kanton Luzern, sagt: «Die Nachfrage punkto Versorgungsauftrag ist seit Beginn weg gross, hat aber in den letzten Jahren zugenommen.» Pro Senectute veranstaltet im Kanton Luzern pro Jahr zwischen 12 und 16 Infoabende dazu. «Diese sind in der Regel sehr gut besucht», sagt sie. Ein grosses Thema ist dabei die Kesb. «Die Leute haben Angst, dass sich diese Behörde zu fest einmischt, darum wollen sie unbedingt einen Vorsorgeauftrag.» Man versuche dann, den Leuten die Unsicherheiten zu nehmen. Sie sagt:
«Es handelt sich bei der Kesb um eine Schutzbehörde, die sich für hilfsbedürftige Menschen einsetzen und sie unterstützen will.»
Für Bedenken sorge auch der Auftrag an und für sich. Wann soll ich diesen machen und wie muss ich den aufsetzen? Pro Senectute ist für die meisten älteren Personen erste Anlaufstelle bei solchen Fragen. Sie bietet zu diesem Thema auch Halbtageskurse und Infoveranstaltungen an.
Vorsorgeauftrag schliesst eine Lücke
Wer jetzt denkt, ein Vorsorgeauftrag sei nur was für ältere Menschen, der irrt. Barbara Callisaya sagt:
«Ich wurde in den vergangenen Jahren viel konfrontiert mit tragischen Ereignissen von jungen Menschen, bei denen ein Vorsorgeauftrag wichtig gewesen wäre.»
Ein Beispiel: Eine junge Frau hat einen Autounfall und erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma. Sie liegt im Koma und kann nicht mehr selber entscheiden. Der medizinische Wille sei womöglich in der Patientenverfügung festgehalten. Diese Verfügung kommt dann zum Zug, wenn eine Person nicht mehr urteilsfähig ist. Sie hält fest, welche medizinischen Massnahmen getroffen werden sollen.
«Aber es geht ja um weit mehr als nur medizinische Massnahmen. Wer kann zum Beispiel die Eigentumswohnung verkaufen, wenn die Patientin nach dem Unfall in einer betreuten Wohngruppe wohnen muss? Oder wer kann über einen grösseren Betrag verfügen, um etwa einen Elektrorollstuhl zu kaufen?» In einem Vorsorgeauftrag wird genau das geregelt. Dieser schliesst sozusagen die Lücke zwischen der Patientenverfügung und dem Testament, welches erst nach dem Tod zum Tragen kommt.
Hinweis: Der Infoanlass findet am Freitag, 12. April 2019, in den Räumen der Patientenstelle am St. Karliquai 12 statt und beginnt um 19 Uhr. Die Teilnahme kostet für Nichtmitglieder 10 Franken.