Tobias Arnold, Politologe
Ich schaue sie eigentlich nicht so oft. Aber in der jetzigen Zeit, in der das «Zuhausebleiben» propagiert wird, kommt es schon ab und zu vor, dass am Freitagabend die Arena über meinen Fernsehbildschirm flimmert. Und was musste ich zuletzt mit ansehen? Debatten, die geprägt waren von Gehässigkeit, wie ich das gefühlt noch nie erlebt habe. Wo ist unsere so viel gelobte Konkordanz hin, welche den breiten Einbezug möglichst aller politischer Kräfte vorsieht und stets das Finden eines Konsenses zum Ziel hat?
Im Moment scheinen wir eher dem britischen Politsystem Konkurrenz zu machen, dessen Parlament immer wieder Aufsehen darüber erregt, wie sich deren Mitglieder einander fast schon anschreien und der «Parliament speaker» verzweifelt nach «order» ruft. Mag sein, dass ein Teil von mir ruft: Yes, endlich läuft was! Die Parteien geben sich auf den Deckel! Das ist doch genau das Machtspiel, das die Politik ausmacht und das dich so stark daran fasziniert.
Dann meldet sich aber der andere Teil in mir. Jener Teil, der mich daran erinnert, dass ich Bürger dieses Landes bin und ein Interesse daran habe, dass die Schweiz möglichst gut durch diese Krise findet; unter Abwägung all der Interessen, von gesundheitlichen bis wirtschaftlichen. Dieser Teil in mir schaut in die Fernsehröhre und ist gerade etwas ernüchtert: Wo sind wir nach einem Jahr Pandemie angelangt? Covidiot, Impfskeptiker, Öffnungsturbo oder Lockdown-Fetischist. Die Schlagworte zeigen die aktuelle Tendenz, Leute in Lager einzuteilen und zu brandmarken. Sehen wir im Zuge der aktuellen Krise ein neues Zeitalter auf uns zukommen, in welchem Politikerinnen und Politiker auf Angriffsmodus schalten und seriöse Konsensfindung zur Ausnahme wird?
Eine kleine Anekdote aus der besagten Arena stimmt mich doch noch optimistisch: Alain Berset und Ueli Maurer sollen kürzlich nach einem langen Arbeitstag im Parlament ein Bier miteinander getrunken haben.
Wollen wir uns nicht dieses Bild vorstellen und uns zum Vorbild nehmen? Da stossen in Krisenzeiten zwei Magistraten, die das politische Heu definitiv nicht auf der gleichen Bühne haben, miteinander an. Ist es nicht das, was unser System letztlich ausmacht? Man mag von den Bundesratsentscheiden halten, was man mag. Aber in einer Sache möchte ich eine Lanze brechen für ihn: In Zeiten, in denen gewisse Exponenten von angeblich diktatorischen Verhältnissen sprechen, stehen die sieben zusammen, wie ich das noch selten erlebt habe. Das ist das, was wir jetzt brauchen und das ist das, was mir Hoffnung macht, dass wir nicht den Briten Konkurrenz machen, sondern durch unser Festhalten am bewährten Konkordanzsystem diese Krise bestmöglich meistern.