Simon Mathis
Simon Mathis
Im Sommer 2020 kam es im idyllischen Dreilindenpark zu einem wehmütigen Abschied: Die Studentinnen und Studenten der Musikhochschule Luzern spielten zum letzten Mal in der Villa Vicovaro, wo die Hochschule fast 70 Jahre lang ihren Hauptsitz hatte. Mittlerweile ist die Hochschule in den Neubau neben dem Südpol gezogen. Seitdem ist es still geworden um das ehemalige «Konsi». Zurzeit wird das Gebäude durch die städtische Musikschule genutzt.
Die Stadt Luzern ist Eigentümerin des Parks und des Gebäudeensembles mit Villa, Ökonomiegebäude und Pförtnerhaus. Zurzeit handelt sie mit dem kanadischen Kunstsammler Robert Landau einen Mietvertrag aus. Landau, der in Meggen wohnt, will aus dem Konservatorium eine «Kunstvilla» machen, von der auch die Öffentlichkeit profitieren soll.
Landau gehört zu den reichsten in der Schweiz wohnhaften Personen. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schätzt sein Vermögen auf 700 bis 800 Millionen Franken. Die Gebäude im Dreilindenpark sollen mit Gemälden aus seiner bedeutenden und umfangreichen Sammlung bestückt werden. Noch im November rechnete Landau damit, dass seine Vision bis 2022 umgesetzt werden kann – dies berichtete «Bilanz». Daraus wird nun aber wohl nichts. Zwei Einsprachen verzögern die Pläne des Kunstsammlers.
Letzte Instanz wäre das Bundesgericht
Dazu muss man wissen: Laut Stadtrat erfordert die Umnutzung der Villa eine Umzonung. Das Gebäude liegt nämlich zurzeit in der Grünzone, was laut Exekutive nicht zonenkonform ist. «Das ist ein planerischer Fehler aus vergangenen Zeiten, der behoben werden muss», erläutert Baudirektorin Manuela Jost (GLP). Deshalb soll die Grünzone zu einer Sonderzone werden; der Stadtrat nennt sie «Dreilindenparkzone».
Diese Änderung segnete die Stadtluzerner Stimmbevölkerung Ende 2020 im Rahmen der BZO-Revision ab. Drei Einsprachen gegen die Umzonung konnte der Stadtrat gütlich lösen, zwei weitere aber sind noch hängig. Sowohl Stadtrat als auch Parlament haben die Einsprachen abgewiesen; sie seien «unbegründet». Dagegen haben die Einsprecher Beschwerde beim Luzerner Regierungsrat eingereicht. Der Ball liegt nun also bei der Kantonsregierung. Deren Entscheid könnte später zum Kantons- und Bundesgericht weitergezogen werden.
Kunstsammler Landau ist verärgert und enttäuscht
Bei Robert Landau sorgt die Verzögerung auf unbestimmte Zeit für Ärger. Er kritisiert die Einsprecher scharf:
«Ich bin enttäuscht darüber, dass einzelne Personen so egoistisch sein können. Es gibt keine vernünftige Erklärung für ihr Vorgehen.»
Landau ist der Meinung, dass sich die Einsprachen nicht gegen ihn oder seine Firma Finartis Kunsthandels AG richteten, sondern «direkt gegen die Stadt Luzern». Die Verzögerung bringe «viele Verlierer» hervor, führt er weiter aus. Die Stadt Luzern verliere eine erhebliche jährliche Miete, die durch seine Firma Finartis bezahlt würde. Geplant sei auch, dass seine Galerie ihren Hauptsitz von Meggen nach Luzern verlegt.
Weiter hält Landau fest, dass der Luzerner Tourismus stark von einer Ausstellung hochkarätiger Kunstwerke profitieren würde. In Landaus Sammlung finden sich Werke namhafter Meister aus dem 20. Jahrhundert wie Le Corbusier, Picasso, Matisse und Kandinsky. Schliesslich ortet Landau noch eine dritte Verliererin: die Stadtluzerner Bevölkerung. Denn er sei bereit, in die Villa, die Nebengebäude und den Dreilindenpark zu investieren – dazu gehöre auch ein Kinderspielplatz.
Darüber hinaus betont Robert Landau, dass sich die Volumen der Gebäude nicht ändern. Der Park soll die gleichen Öffnungszeiten wie bisher beibehalten. Deshalb sehe er nicht ein, was das Problem sein soll. Die ganze Situation sei «bedauerlich».
Einsprecher fürchtet «Halbprivatisierung»
Auf Anfrage erläutert Felix Sulzberger, einer der Einsprecher, seine Sicht der Dinge. Der ehemalige CEO von Calida betont, seine Einsprache nicht nur als Anrainer, sondern auch als Einwohner der Stadt eingereicht zu haben. Für ihn ist der Stein des Anstosses die Aufhebung der Grünzone: «Es geht mir nicht um Robert Landaus Projekt, sondern um die unnötige Umzonung der heute gültigen Grünzone in eine ungenügend definierte Sonderbauzone.» Zudem sehe die geplante Vereinbarung angeblich eine Mietdauer von 40 Jahren vor. Sulzberger führt aus:
«Angesichts der Länge des geplanten Mietvertrages und der Tatsache, dass die Zonenordnung den Zweck der Zone nicht genau definiert, läuft dies faktisch auf eine Halbprivatisierung des Parkes hinaus.»
Allerdings: Gebäude und Park bleiben im Besitz der Stadt, Finartis mietet nur die Gebäude – und kann den Dreilindenpark für Projekte nutzen. «Das ist zwar so», räumt Sulzberger ein. Das Arrangement biete jedoch keinerlei Gewähr, dass der gesamte Dreilindenpark der Bevölkerung weiterhin unbeschränkt zugänglich bleibe und keine Bauten entstehen.
«Man stelle sich vor, London würde einem reichen Privaten den Hyde Park zur teilweisen exklusiven Nutzung überlassen – undenkbar!»
Verwirrung um Skulpturen im Dreilindenpark
Der Fall liege völlig anders als etwa bei Angela Rosengart, die der Stadt ihre Kunstsammlung geschenkt hat, so Sulzberger. Im vorliegenden Fall blieben die ausgestellten Kunstwerke im Besitz Landaus.
Sorgen bereitet Sulzberger vor allem die Zukunft des Dreilindenparkes.
«Die Rede ist von einem Skulpturenpark, aber hier bleiben viele Fragen unbeantwortet.»
So sei nicht klar, um welche und wie viele Skulpturen es sich handle und ob dadurch der freie Zugang der Bevölkerung behindert oder beschränkt werde. So sollen die Kunstwerke ein Betonfundament brauchen und gesichert werden.
«Es geht mir vor allem darum, dass er der Bevölkerung weiterhin unverändert und ohne neue Beschränkungen frei zugänglich bleibt», hält Felix Sulzberger fest. Er ist der Meinung, dass sich das Projekt auch ohne Umzonung umsetzen lasse; der Stadtrat jedoch hält fest, dass dies nicht möglich sei.
Ronald Joho-Schumacher ist Vertreter der zweiten Einsprecherin, der Transterra Immobilien AG. Diese gehört dem Unternehmer Bruno Amberg, der neben dem Dreilindenpark einen Wohnsitz hat. Joho sieht ebenfalls Probleme mit einer Umwandlung in eine Sonderbauzone. «Diese ist – wie es aussieht – ungenügend definiert.» Das Resultat könnte schlimmstenfalls eine Zugangsbeschränkung für die Öffentlichkeit sein.
Darf man künftig im Park noch Fussball spielen?
Die beiden Einsprecher sind mit ihrer Kritik nicht allein. Auch der Quartierverein Wesemlin-Dreilinden hegt Bedenken, was den Skulpturenpark betrifft. «Dass Robert Landau die Gebäude nutzt, begrüssen wir», sagt Präsident Peter Frei. «Uns wäre es aber lieber, wenn der Konsipark so bliebe, wie er jetzt ist.» Es gebe im Quartier Befürchtungen, dass die Sicherheitsvorkehrungen für die Skulpturen die Atmosphäre des Parkes beeinträchtigen könnten.
Als Beispiel nennt er Frisbee- oder Fussballspieler, die sich direkt neben wertvollen Skulpturen aufhalten. «Uns ist unklar, ob das so noch möglich sein wird», sagt Frei. Das sei vor allem der bisher vagen Kommunikation geschuldet: Man wisse schlicht nicht, wie der Skulpturenpark schliesslich aussehen soll. Das sorge unter den Anwohnern für Verunsicherung. Gurli Korner-Suter vom Quartierverein ergänzt:
«Wir wollen nicht, dass ein Parkbereich eingezäunt und überwacht wird. Dass das nicht geschehen wird, haben uns bisher weder Robert Landau noch die Stadt versichert.»
Landau will Träume wahr machen
Stadträtin Manuela Jost betont, dass der Park weiterhin durch die Stadtgärtnerei bewirtschaftet werde und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehe. «Das Konzept für den Skulpturenpark wird erst noch ausgearbeitet und die Anliegen der Quartierbevölkerung werden in einem partizipativen Prozess abgeholt», sagt sie. Und betont:
«Der Stadtrat ist von der Idee des gesamten Konzepts weiterhin überzeugt und schätzt das hohe persönliche Engagement von Herrn Landau sehr.»
Robert Landau schreibt, die Stadt könne jederzeit über die Installation oder Position allfälliger Skulpturen entscheiden. Er weist darauf hin, dass sowohl Stadt als auch Quartierverein in der künftigen Dreilinden-Stiftung vertreten sein werden. Er verweist abschliessend auf die Geschichte des Gebäudes: Vor über 75 Jahren habe die Familie Hablitzel die Villa der Stadt geschenkt. Ihr Ziel sei es gewesen, Musiker und Bildende Künstler zu fördern. Landau betont:
«Die Familie Landau ist bestrebt, genau diese Wünsche und Träume zu verwirklichen – ‹with good heart and good intentions›. Nicht mehr und nicht weniger.»