Es dürfte der Albtraum für jeden Anwalt sein. In seiner Funktion als Notar beglaubigt er Dokumente, welche an einem erheblichen Mangel leiden. Dieser Fehler ist einem aufgrund seines Alters als erfahren zu bezeichnenden Zuger Anwalt (58) in der ersten Hälfte des Jahres 2020 an drei Terminen unterlaufen. Bei Firmengründungen setzte er als Urkundsperson jeweils seine Unterschrift und seinen Stempel auf Dokumente, obwohl eine Partei ihre Signatur noch gar nicht platziert hatte.
Wer dem Rechtsvertreter auf die Spur gekommen ist, darüber schweigt sich der Strafbefehl aus. Hat der Anwalt die Unterlagen ohne Nachprüfung im Handelsregisteramt eingereicht? Gab es einen Denunzianten? Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Hingegen ist im Papier zu lesen, wie es zu diesem Durcheinander gekommen ist. Die Personen, deren Unterschriften der Rechtsanwalt notariell beglaubigte, waren effektiv im Raum anwesend. Es waren auch alle notwendigen Unterlagen vorhanden, welche es für die Meldungen ans Handelsregister brauchte. Wie aus dem Strafbefehl zu schliessen ist, unterschrieben die Parteien im Akkord. Dabei dürfte es auf dem Tisch zu einem Papiersalat gekommen sein. Im Strafbefehl ist die Fehlleistung so beschrieben: «Da stets mehrere Dutzend Seiten auf dem Tisch lagen, kam es in den erwähnten Fällen zu Fehlern, beziehungsweise gingen die Unterschriften der Anmelder vergessen.»
Geschädigtes Rechtsgut
Im Schweizerischen Strafgesetzbuch befasst sich Artikel 317 mit der Urkundenfälschung durch Personen öffentlichen Glaubens. Als solche gelten unter anderem auch Rechtsanwälte. Die Urkundenfälschung kann vorsätzlich, also willentlich, oder aber fahrlässig vorliegen. Wie das Bundesgericht (1C_219/2016) feststellte, ist bei solchen Handlungen nicht eine Person, sondern ein Rechtsgut in der Form der beglaubigten Urkunde geschädigt. Es stehe, so die Lausanner Richter, das «besondere Vertrauen, das im Rechtsverkehr einer Urkunde als Beweismittel entgegengebracht» werde, stets im Mittelpunkt. Deshalb leiste der Notar und Rechtsanwalt seine Unterschrift immer als Letzter und versehe letztlich das Schriftstück noch mit seinem Stempel.
Im Strafbefehl heisst es hierzu: «Eine gültige Unterschriftsbeglaubigung setzt voraus, dass überhaupt eine zu beglaubigende Unterschrift vorliegt.» Diese Pflichtvergessenheit, die fahrlässige Begehung der Urkundenfälschung, taxiert der Gesetzgeber als Übertretung, welche mit einer Busse zu ahnden ist. In unserem Fall betrug die Busse 1500 Franken.
Die Busse schmerzt, aber etwas anderes fällt noch viel schwerer ins Gewicht
Für den Rechtsanwalt eher ins Gewicht fällt die Meldung der Verurteilung an die kantonale Aufsichtskommission der Rechtsanwälte. Dieses Fünfer-Gremium entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Die rechtliche Grundlage für ihr Tun fusst im «Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte». Der Kanton Zug hat auf dessen Basis ein Einführungsgesetz erarbeitet und 2002 in Kraft gesetzt. 2016 wurde dieses einer Teilrevision unterzogen. Das Gesetzeswerk regelt unter anderem das Prozedere der Anwaltsprüfung. Darin finden sich aber auch Passagen, die regeln, welche Sanktionen gegen einen Anwalt möglich sind, wenn eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt.
Eine Massnahme ist der befristete oder unbefristete Entzug des Anwaltspatents, wenn Verurteilungen vorliegen, «welche die Vertrauenswürdigkeit als Rechtsanwalt beeinträchtigen». Der verurteilte Rechtsanwalt ist noch im kantonalen Register aufgeführt. Im Strafbefehl steht, dass die Aufsichtskommission der Rechtsanwälte zu orientieren ist. Ob diese schon aktiv ist, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.