notifications
Obwalden

Amerikaner im Flüeli: «Wir haben plötzlich hier eine Familie»

Den Besuch in Flüeli-Ranft werden die Amerikaner Nik, John und Cätthi wohl nie vergessen. Von hier aus wanderte ihr Vater 1930 aus.
Amerikanischer Besuch der Nachfahren eines Flüelers im Leh, der Heimat des Vaters in Flüeli-Ranft. Hinten von links: Franz, Alfred, Theo (Obwalden) sowie Nik Rohrer aus Kalifornien. (Bilder: Marion Wannemacher, Flüeli-Ranft, 13. August 2019)
Besucher und Einheimische vor dem dem neugebauten Haus im Leh, von links: Fabienne Vogler, die drei amerikanischen Geschwister (John, Cätthi, Nik), die Obwaldner Cousins (Franz, Theo, Alfred Rohrer), Bärti und Stefanie Rohrer. 

Marion Wannemacher

Marion Wannemacher

Die spannendsten Geschichten schreibt das Leben. Die der Rohrer-Geschwister Nik, John und Cätthi aus Kalifornien und Hawaii ist so eine. 1930 wanderte ihr Vater Kaspar Rohrer vom Leh im Flüeli mit Bruder Edi aus. Er verkaufte für die Überfahrt zwei Rinder. Eines der 13 Geschwister war ihnen zehn Jahre vorher vorausgegangen. Für Edi währte der Aufenthalt im fernen Land aber nur kurz.

Sein Bruder Michael stürzte am 1. August 1932 auf dem Stuckli-Kreuz ab. Fünf Jahre später verunfallte Bruder Walter am Tag der standesamtlichen Trauung mit dem Velo tödlich. Er geriet auf dem Weg zum Coiffeur unter einen Lastwagen. Für den Nachmittag war die kirchliche Trauung geplant. Der Vater rief Edi aus Kalifornien zurück, um den Hof Leh zu bewirtschaften. Bruder Kaspar blieb dort, bekam 14 Kinder und kehrte nie zurück.

«Die kühnsten Erwartungen übertroffen»

Als die Geschwister Andrea Rohrer und Petra Vogler mit Familien zum «Yodeling Festival» im Sommer 2017 nach Kalifornien eingeladen waren, lernten sie Nachkommen der Familie Rohrer kennen. Zwei Jahre später meldeten sich Nik (74), John (70) und Schwester Cätthi (66) bei ihnen, Cousins/Cousine von Andrea Rohrers Schwiegermutter. Sie würden so gern die unbekannte Heimat ihres Vaters sehen, die sie nur aus Erzählungen kannten, schrieben sie. Spontan und hilfsbereit boten Andrea Rohrer und Petra Vogler an, die Reise zu organisieren.

«Was wir hier erleben, hat unsere kühnsten Erwartungen übertroffen», sagt Nik Rohrer-Baumann auf Englisch und wischt sich Tränen der Rührung ab. Offen und herzlich seien sie mit ihren Ehepartnern empfangen wurden. Beeindruckt habe sie das Familientreffen vergangenen Sonntag in einem Heimet im Bricheried unterhalb vom Leh bei schönem Wetter mit Jodel, Ländlermusik und Grillieren. «Wir dachten, dass vielleicht ein paar kommen würden, aber dass es gleich 60 Personen wären, hat uns sehr berührt. Es ist so aufregend, wir haben hier plötzlich eine Familie», sagt Cätthi, ebenfalls mit Tränen in den Augen.

Auch wenn sie nicht Mundart sprechen, die Kommunikation sei einfach, betont Nik. Ihnen zur Seite zum Übersetzen stehen Fabienne Vogler und Stefanie Rohrer, die Töchter von Andrea Rohrer und Petra Vogler. Die drei Geschwister sitzen an einem Tisch im Leh-Garten und blicken über den Sarnersee. Den Hof ihrer Grosseltern gibt es nicht mehr, dafür aber ein neues Haus, in dem Cousin Alfred Rohrer wohnt. «Wir hatten ein Bild vom Stall und eins von einer Bank unterm Baum», erzählt Cätthi. Und wenn auch vielleicht nicht original aus den Dreissigern: Bank, Baum und Stall gibt es und findet sofort bei den Geschwistern und ihren Ehepartnern Beachtung.

Bei ihnen sitzt Cousin Theo Rohrer, den Cätthi mit Augenzwinkern «my darling» nennt. Sie streicht ihm über die Hand. «Das sind die Hände meines Vaters», sagt sie. Ergriffen habe sie, als sie kurz vorher beim Besichtigen der Sachsler Pfarrkirche erfuhr, dass dort am 14. Februar 1987 ein Gedächtnis zum Tod des Vaters im fernen Amerika gehalten wurde, berichtet Andrea Rohrer. Theo Rohrer war fünf, als der Onkel aus Amerika zurückkehrte. Er habe einen grossen Hut getragen. «Eindruck machte mir, dass er über Paris gefahren war und den Eiffelturm gesehen hatte», erinnert sich Rohrer noch heute.

Das Programm für die Gäste lässt keine Wünsche offen. «Wir waren mit ihnen auf dem Brienzer Rothorn, auf dem Hasliberg, von Alpnach Stad nach Luzern, auf dem Titlis», erzählt Andrea Rohrer. Es folgten das Zubereiten von Älplermagronen in einer Hütte auf dem Älggi und der Besuch der Rigi. Es sei hier alles so «real, fresh and pure», so «ursprünglich, frisch und rein», lobt Cätthi. Am meisten begeisterten sie die «Cow bells» (Kuhglocken). Und John fügt hinzu: «Es ist ein unglaubliches Land, alles so lieblich. Die Leute hier haben eine Offenheit, die ich noch nie erlebt habe.»

Gestern ging es für die sechs wieder Richtung Heimat – und zwar mit Umsteigen über Lausanne nach Paris – wie einst Vater Kaspar. Für John, Nik und Cätth steht fest: «Wir werden mit unseren Enkelkindern wieder kommen.»

Kommentare (0)