Hugo Bischof
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Äusserlich ist es leicht verwittert, innen aber perfekt im Schuss: Das 1569 erbaute alte Zeughaus der Stadt Luzern ausgangs Pfistergasse beim Südportal der Spreuerbrücke. Seit 1986 befindet sich im dreistückigen Gebäude das Historische Museum des Kantons Luzern. Panzerhemden, Schwerter, alte Helme sind hier ausgestellt. Aber auch allerhand Alltagsgegenstände, etwa alte Telefone und ein Zahnarztstuhl. Als grusliger Höhepunkt steht im Treppenhaus– gut gesichert mit einem Eisengitter – die originale Guillotine inklusive Fallbeil, mit der in Sarnen letztmals 1940 ein Mensch geköpft wurde.
Und jetzt steht das Gebäude selber im Fokus. Museumsdirektor Christoph Lichtin und die Kuratorin Sibylle Gerber haben zum 450-jährigen Bestehen des alten Zeughauses eine sehenswerte Ausstellung realisiert, die hinter die Fassaden blicken lässt.
Das alte Zeughaus und seine Umgebung haben eine spannende Vorgeschichte. Schon im 13. Jahrhundert gab es vom Mühlenplatz her eine Brücke über die Reuss. Sie führte zuerst nur bis zur Flussmitte, zu den dortigen Mühlen. Die Fortsetzung der Brücke zum linken Reussufer wurde erst 1408 fertiggestellt. Spreuerbrücke hiess sie, weil im Mittelalter nur von dieser untersten Brücke der Stadt Spreu und Laub in die Reuss geschüttet werden durften.
Pfistergasse war einst das Bäckerviertel
Wenn wir schon bei Namen sind: Die Pfistergasse heisst so, weil hier im Mittelalter das Bäckerviertel der Stadt war. Der Name Pfister (Bäcker, von lateinisch pistor) hat sich flussaufwärts auf der rechten Reussseite im Restaurant Pfistern erhalten. An der Pfistergasse gibt es heute nur noch eine einzige Bäckerei.
Anstelle des Gebäudes, in dem sich heute das Historische Museum befindet, stand schon im Mittelalter ein aus Holz erbautes Zeughaus. Erkennbar ist es auf einem Bild der 1511 bis 1513 erschienenen Luzerner Diebold-Schilling-Chronik, das den Brand der Gasse 1462 zeigt.
An seiner Stelle bauten italienische Steinmetze zwischen 1546 und 1549 ein repräsentatives Steingebäude (nachzulesen in: Adolf Reinle «Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Band III, Stadt Luzern: II. Teil», 1954) . Im Erdgeschoss wurden Waffen gelagert; das Obergeschoss diente als Kornspeicher. Der Begriff Zeughaus (Zeug = Geräte) tauchte in der frühen Neuzeit als Bezeichnung für den neuen Gebäudetypus des Waffenspeichers auf. Es gab damals in und ausserhalb der Stadt mehrere militärische Vorrats- und Lagerhäuser. Ein Beispiel ist das 1686 auf der rechten Reussseite an der Museggstrasse 37 gebaute kantonale Zeughaus, das heute einen Teil der Pädagogischen Hochschule beherbergt. «Das waren Zeiten, in denen das Militär weite Teile des Stadtbilds beherrschten», sagt Christoph Lichtin: «Heute unvorstellbar.»
Überschwemmungen, Pest, Seuchen
Im Frühsommer 1566 kam es in Luzern nach einem sehr harten Winter zu grossen Überschwemmungen, Pest, Seuchen, Ernteausfällen. Im Juni standen beträchtliche Teile der Luzerner Kleinstadt unter Wasser. Am 16. Juli 1566 brachte die reissende Reuss das erst 17 Jahre zuvor errichtete Zeughaus zum Einsturz. Auch die Spreuerbrücke wurde stark beschädigt. Das Zeughaus wurde nach der Katastrophe in knapp drei Jahren neu gebaut (Bauherr Rochus Helmlin) und 1569 in Betrieb genommen. Da das Gewicht des Korns für den Einsturz mitverantwortlich gemacht wurde, trennte man beim Neubau das Zeughaus und die Kornkammer. Letztere, der sogenannte «Herrenkeller», wurde als Brückenkopf der damals ebenfalls renovierten Spreuerbrücke konstruiert.
Eine noch grössere Naturkatastrophe ereignete sich in der Nacht auf den 18. September 1601. Ein Erdbeben erschütterte die Zentralschweiz – mit einer Stärke von 6,2 auf der Richterskala, wie Experten später errechneten. Es löste im Vierwaldstättersee eine gewaltige Flutwelle aus, die auch Teile Luzerns überflutete. Der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat (1545-1614) erlebte den Tsunami persönlich und beschrieb das «wild gethümmel und wäsen mitt rumplen und boldern» in einem ausführlichen Bericht. Die Reuss floss beim Zeughaus plötzlich flussaufwärts und wogte danach acht Tage lang hin und her, so dass man zeitweise trockenen Fusses ans andere Ufer gelangte. Anders als bei der Überschwemmung 45 Jahre zuvor, blieb das Zeughaus diesmal stehen.
1695 wurde es saniert, 1824 aussen renoviert und frisch bemalt.
Noch heute an der Nordfassade prominent sichtbar ist das hochrechteckige Gemälde mit dem von zwei Wildmännern gehaltenen Luzerner Standeswappen. Es ist 1568 datiert und wurde ab 1695 mehrmals renoviert. Die von Eduard Renggli 1927 gemalten Krieger und Wappen an der Ost- und Südseite wurden inzwischen jedoch übermalt.
Der Zeughausbrunnen auf dem kleinen südlichen Vorhof wurde gemäss Renward Cysat 1547 gebaut. Laut Adolf Reinle wurde er 1839 entfernt und durch den heutigen Brunnen ersetzt. Der Brunnenturm war ursprünglich mit einem Luzerner Bannerträger gekrönt. Dieser wurde später durch den wilden Mann mit Baumstamm ersetzt, der noch heute den Brunnen krönt. Die alte Brunnenfigur steht heute im Historischen Museum.
Infanteriekaserne für mehr als tausend Soldaten
Der Kasernenplatz hiess früher Kurzweilplatz – bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden hier der Schweinemarkt, der Jahrmarkt sowie Zirkusveranstaltungen statt. Dass er umbenannt wurde, hat ebenfalls seinen Grund. Die nach dem Einsturz des Zeughauses errichtete Kornkammer diente nach einigen Umbauten ab 1814 nämlich als Militärkaserne. 1861–1863 wurde sie zu einer dreiflügeligen Infanteriekaserne erweitert. Johann Kaspar Wolff entwarf die Pläne; Gustav Mossdorf leitete die Bauarbeiten. Die Infanteriekaserne bot für mehr als tausend Soldaten Platz. Sie blieb bis 1935 in Betrieb.«Zeughaus und Kaserne bildeten zusammen eine militärische Zone», sagt Christoph Lichtin.
In den 1960er-Jahren diente die Kaserne als Mittelschulprovisorium. 1971 wurde sie abgebrochen. An ihrer Stelle wurde das ehemalige Waisenhaus, das dem Autobahnbau weichen musste, im klassizistischen Stil des ursprünglichen Gebäudes von Josef Singer wieder aufgebaut. Es beherbergt heute das Naturmuseum.
Noch ein Nachtrag zum Zeughaus: Die Beutestücke aus diversen Schlachten, die sich ab 1569 dort angesammelt hatten, wurden 1878 ins Luzerner Rathaus verlegt. Dort befand sich damals ein «Kunst und Historisches Museum»; der Name ist auf zeitgenössischen Fotos sichtbar. Im Rathaus blieben die Waffen und Rüstungen bis 1986, also bis zur Rückkehr in das alte Zeughaus, wo sie heute zu besichtigen sind.