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Obwalden

Als Lungern ein nobler Kurort war

«Kurhaus & Park-Hotel – einer der schönsten Luftkurorte der Zentralschweiz von ärztlichen Autoritäten empfohlen», verkündet ein Prospekt um 1900. Heute wachsen dort 30 Wohnungen aus dem Boden.
Das Titelbild des wohl ersten Prospektes vom «Kurhaus & Park Hotel Lungern». (Bild: Romano Cuonz (Lungern, 4. August 2018))

Romano Cuonz

Wenn man im Internet «Haus St. Josef» eingibt, scheinen am Bildschirm auf dem Buchungsportal «Hotel Suisse – Führer und Reservierung» schönste Bilder auf. Dazu der Text: «Mit Panoramablick über dem Lungerersee begrüsst Sie inmitten einer weitläufigen Wiese das Ferien- und Bildungshaus St. Josef neben dem Bahnhof Lungern.» Wer in der Gegend fremd ist und sich auf den Computer verlässt, wird vor Ort sein blaues Wunder erleben. Das traditionsreiche Haus (früher hiess es Kurhaus & Park-Hotel Lungern) ist 2017 samt dem angebauten Kirchlein abgerissen worden. Wo es einst war, befindet sich zurzeit eine Baustelle, auf der vier Wohnhäuser mit 29 Wohnungen entstehen.

Was bleibt, sind die Erinnerungen

Die Lungererin Emma Gasser hat im Nachlass ihrer Grossmutter Johanna Gasser-von Ah den wohl ersten Hotelprospekt des einstigen Luxus-Hotels gefunden. «Hätte ich mitreden können, wäre ich sicher für eine Renovation des Hauses eingetreten», sagt Emma Gasser. Und wie sie nun im alten Prospekt (aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg) blättert, das eine oder andere liest, kommen die Erinnerungen: Ihre Mutter Johanna sei hier als junge Frau Dienstmädchen gewesen. Noch als Hundertjährige habe sie vom Kur- und späteren Haus St. Josef immer nur Gutes erzählt. Dort habe sie dann auch den damaligen Lungerer Dorfpolizisten, ihren späteren Mann, kennen gelernt! «Während eines guten Jahrhunderts gehörten Hotel und Park zu unserem Dorf wie die Kirche», sagt Emma Gasser. Und sie findet: «Eigentlich sollte man doch auch den Jungen noch erzählen, wie nobel dieses Haus zu seinen besten Zeiten gewesen ist, und wie es seine zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland verwöhnt hat.»

Vollständig staubfreie Höhenluft

Auf dem Titelblatt des damaligen Prospekts ist das schlossähnliche Gebäude zu sehen. Als «Proprietär» wird Joseph Imfeld aufgeführt. Der Mann, der von 1869 bis 1924 lebte, hat das Kurhaus 1896 erbaut. Dazu amtierte er als Gemeindepräsident und als Regierungsrat. Was er und seine Nachfahren in Lungern «Im Ersten Haus am Platze», wie er betonte, mit 140 Betten und modernstem Komfort anboten, fand weit über die Grenzen hinaus Beachtung. Unter Bildern, die den prächtigen Park – einmal mit Tennisplatz und einmal mit Lindenallee und Ruhebänkchen – zeigen, steht: «Vollständig staubfreie, belebende und stärkende Höhenluft nahe Tannenwaldungen.» Auch ein «Arzt am Platze» wird garantiert.

Für die Herren gibt es natürlich einen Rauchsalon. Für ihre Gemahlinnen und Kinder aber steht eigens ein Damensaal und – man höre und staune – ein separates Kinderzimmer zur Verfügung. Ja, sogar einen modernen Lift mit allen Sicherheitsvorkehren gibt es! Auch für mannigfaltige Betätigungen ist gesorgt: Mit Spaziergängen, Spazierfahrten und geführten Bergtouren: auf «Giswilerstöcke» und «Rotspitz!» Nicht fehlen dürfen Billard, Tennis, Croquet, Kegelbahn, eine Dunkelkammer für Fotografen und der Lesesaal samt Bibliothek. Zweimal wöchentlich spielt gar ein Kurorchester auf!

Reine Alpenmilch und Pilsner Bier

Was in der Zeit zwischen den Weltkriegen noch nicht selbstverständlich ist: Es gibt «elektrische Beleuchtung und Heizung in allen Räumen und Bade-Einrichtungen auf allen Etagen nach neustem System».

Versprochen werden auch schattige Spazierwege, Exkursionen ins Berner Oberland und an den Vierwaldstättersee. Dazu «Schwimm-, Ruder-, Angelsport und eine Seebadanstalt, zu der man auf Wunsch «im Wagen geführt wird» und deren mittlere Temperatur man mit «16 Grad Réaumur» beziffert. «Die hauptsächlichste Sorge des Besitzers ist auf eine sehr gute Verpflegung gerichtet», verspricht der Prospekt. Tadellose Qualität, vorzügliche Zubereitung, reiche Abwechslung und dazu genügend Fülle garantiert! Fast schon witzig, dass neben ausgezeichnetem Quellwasser, reiner Alpenmilch, frischen Gemüsen und Kompotten auch Schweizer-, Münchner- und Pilsner Bier angeboten wird.

Mit besonderem Stolz aber zitiert Joseph Imfeld aus den Reiseerinnerungen, die Heinrich Hansjakob 1905 in seinem berühmten Büchlein «Alpenrosen» zu Lungern notiert hatte: «In Wahrheit, so sagte ich mir, das ist das schönste Tal, das du bisher in der Schweiz gesehen hast!»

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