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Nidwalden

Als Gefangene in Nidwalden Hotelgäste ersetzten

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs brach der Tourismus schlagartig ein. Kriegsgefangene füllten die leeren Hotelbetten, und retteten damit auch manches Nidwaldner Hotel vor dem Konkurs.
Deutsche Internierte in der orthopädischen Werkstätte in Stansstad. (Bilder: PD/Staatsarchiv Nidwalden)
Ankunft deutscher Internierter in Beckenried.

Franziska Herger

Franziska Herger

Am Morgen des 1. August 1914 beschloss der Bundesrat die Kriegsmobilmachung. In Nidwalden verteilten Meldeläufer die Neuigkeit in alle Gemeinden. Gleichzeitig leerten sich die Hotels: Hals über Kopf reisten Deutsche, Franzosen, Russen und Engländer ab.

Die Belle Epoque, goldene Zeit der Grand Hotels wie etwa auf dem Bürgenstock, war auf einen Schlag zu Ende. «Das stürzte die Hotellerie in eine tiefe Krise», sagt Karin Schleifer, Vizepräsidentin des Historischen Vereins Nidwalden (HVN). «So verzeichnete etwa das Hotel Honegg 1914 rund 1900 Übernachtungen, 1916 nur noch 400.»

Fünf Franken pro Tag für Kost und Logis

Schleifer hat die Hotellerie-Krise als Teil des Buchs «Nidwalden im Ersten Weltkrieg» des HVN, das im November erscheint, aufgearbeitet. Der Historiker Andreas Waser steuerte das Kapitel «Internierte Kriegsgefangene in Nidwalden» bei – ein logisches Gegenstück, denn die Hoteliers wussten sich zu helfen. Gefangene statt Touristen, hiess die Devise. Nach Lobbyarbeit des Schweizer Hoteliervereins schloss der Bundesrat Verträge mit den Kriegsnationen, die einen Teil ihrer Gefangenen, die «Internierten», ab 1916 zur Genesung und Erholung in die neutrale Schweiz schickten. Damit lagerten sie nicht nur deren Unterhalt aus, sondern lösten auch das Problem der leerstehenden Hotels.

Auch das Hotel Honegg nahm Gefangene auf, wie Karin Schleifer und Andreas Waser vor kurzem ebendort an einem Gesprächsnachmittag erzählten. «Für Kost und Logis eines Soldaten erhielt ein Hotel fünf Franken pro Tag, für einen Offizier sieben», so Schleifer. «Die Einnahmen waren zwar kleiner als vor dem Krieg, die Hotelbewohner dafür weniger anspruchsvoll.»

So seien einige Betriebe vor dem Konkurs gerettet worden, sagt Schleifer. Die Schweiz nahm bis Kriegsende über 67000 Internierte auf, in Nidwalden waren zu Spitzenzeiten bis zu 1100 deutsche und österreich-ungarische Gefangene interniert.

Einheimische Begeisterung nahm ab

Die Heimatländer der Gefangenen bezahlten und sorgten für Beschäftigung. «Das Deutsche Reich richtete in Stansstad eine orthopädische Werkstatt zur Produktion von Prothesen und Stiefeln ein, die bis zu 60 Internierte beschäftigte», erzählt Andreas Waser. Andere arbeiteten auf dem Feld oder im Spital, konnten aber auch die Schule besuchen oder gar eine Lehre oder ein Studium beginnen. «Viele machten auch Ausflüge, etwa aufs Stanserhorn», ergänzt Schleifer. «Davon profitierten die Bergbahnen.»

Die Nidwaldner nahmen die Gäste gerne auf. «1916 strömte das Volk an die Bahnhöfe, um die Soldaten zu begrüssen», erzählt Waser. Diese revanchierten sich mit Unterhaltungsabenden und Wohltätigkeitsanlässen. Einige warfen ein Auge auf einheimische Fräulein. «Zwei Serviertöchter aus Wolfenschiessen heirateten Internierte und zogen nach Deutschland», weiss Waser.

Doch mit der Versorgungskrise ab 1917 wurden Lebensmittel immer knapper – «und die Begeisterung für die Internierten immer kleiner», so Waser. Als wegen Brennstoffrationierung der Gefangenentransport teurer wurde, löste man die abgelegenen Standorte Bürgenstock und Honegg Anfang 1918 auf. Aus anderen Nidwaldner Standorten zogen die letzten Internierten 1919 aus. Was blieb, war ihre Dankbarkeit, sagt Waser. «So fand man etwa im Nachlass des Stanser Gemeindepräsidenten Franz Kaiser viele Dankesbriefe aus Deutschland.»

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