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Luzern

Als die Krienser für ihr «Schlössli» in Luzern einmarschierten

Vor 56 Jahren protestierten 2000 Krienser mit dem «Marsch nach Luzern» für den Erhalt des Schlosses Schauensee. Alexander Wili kämpfte damals an vorderster Front mit.
(Bild: Fotograf unbekannt* / Archiv Jürg Studer)
(Bild: Pius Amrein, Kriens, 20. Mai 2016)
Kinder beim Marsch nach Luzern. (Bild: Fotograf unbekannt* / Archiv Jürg Studer)
(Bild: Ernst Scagnet/LZ)
(Bild: Fotograf unbekannt* / Archiv Jürg Studer)
(Bild: Ernst Scagnet/LZ)
(Bild: Fotograf unbekannt* / Archiv Jürg Studer)
(Bild: Hans Schläpfer/LZ, 1957)
(Bild: Jürg Studer, Kriens)

Larissa Haas

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Larissa Haas

Es ist Samstag, der 9. März 1963, kurz nach zwei Uhr, ein Frühlingsnachmittag. Alexander Wili sitzt nach einem intensiven Morgen vor seinem Zmittag, da klingelt sein Telefon. Dran ist Leo Balmer-Ott, Vertreter der St. Galler Immobiliengesellschaft Belsa AG: «Wir wollen verhandeln!», sagt er. Ein Satz, und Wili weiss: «Wir haben den Kampf gewonnen!» Gemeint ist der Kampf um das Schloss Schauensee, im Volksmund «Schlössli» genannt, das sich auf einer vom Pilatus abfallenden Felsnase so majestätisch über Kriens erhebt:

Wie es soweit kam? Alexander Wili, Mitgründer und damaliger Präsident des Aktionskomitees Pro Schauensee, beantwortet diese Frage so: «Der Gemeinderat hat damals einen riesigen Fehler gemacht.»

Der heute 88-Jährige sitzt in seinem Arbeitszimmer im fünften Stockwerk eines Mehrfamilienhauses, Blick auf die Schlossliegenschaft, ein Glas Epesses vor sich und Salzgebäck. «Es hätte auch alles in die Hose gehen können», sagt er, trinkt einen Schluck Wein und beginnt zu erzählen:

«Alles begann an einem Tag im Januar 1963», so Wili. In Kriens machte die Nachricht die Runde, dass das «Schlössli» mitsamt «Schlosshoger» verkauft worden sei. Käuferin: die Belsa AG. Verkäufer: der in Philadelphia wohnhafte Max Meyer von der altehrwürdigen Besitzerfamilie. Wili, damals Parteipräsident der Liberalen, war überzeugt, das Schloss sei «hinter dem Rücken des Gemeinderats und der Planungskommission» verkauft worden. Die Gemeindebehörde plädierte schliesslich auch für eine öffentliche Protestveranstaltung. Wili sagte der Firma den Kampf an:

«Die Belsa hätte die gesamte Liegenschaft mit
Einfamilienhäusern zugedeckt!»

Noch viel schlimmer seien aber die Verkaufskonditionen gewesen. Wili erklärt, dass die Firma für die 240'000 Quadratmeter grosse Schlossliegenschaft 1,5 Millionen Franken bezahlt hätte. Zwar damals viel Geld, aber im Verhältnis zum materiellen und symbolischen Wert des Kaufobjekts lächerlich. Dann rechnet Wili vor: «Die St. Galler hätten etwas mehr als einen Fünfliber pro Quadratmeter Schlossliegenschaft bezahlt – und das Schloss? Das hätte es noch gratis obendrauf gegeben!»

Deswegen liess er sich dazu «überreden», ein Aktionskomitee aus Vertretern der Zivilbevölkerung, Wirtschaft und Politik zu präsidieren und den höchst umstrittenen Kaufvertrag zu verhindern. «Alle sagten, ich solle das machen, da habe ich es halt gemacht», sagt Wili heute, doch damals hatte er noch nicht geahnt, dass er diese Entscheidung bereits am nächsten Tag, dem 23. Februar, wieder bereuen würde.

In der Presse wurde nämlich vermeldet, dass der Gemeinderat gelogen habe: Ihm sei bereits zwei Jahre zuvor ein Kaufangebot bekannt gewesen, habe dieses aber ignoriert, weil er von der Unverkäuflichkeit der Liegenschaft überzeugt war. Tatsächlich war diese Tatsachen unter Juristen umstritten, da das Schloss sich rechtlich im Eigentum eines Familienfideikommiss befand. Für das Aktionskomitee hatte die Vorgeschichte des Gemeinderats dennoch eine denkbar schlechte Ausgangslage zur Folge. Wili entschied sich deshalb für einen «Mehrfrontenkrieg»: Gegen den Gemeinderat, gegen die Verkaufspartner Meyer und Belsa und gegen seine politischen Rivalen, die an ihrer alteingesessenen Meinung festhielten.

Eine «irrsinnig pressante» Grossaktion

Die Idee für den «Marsch nach Luzern» entstand am Sonntag vor der Demonstration. Das Aktionskomitee sass nach der Sonntagsmesse zusammen und wusste: «So wie wir jetzt verhandeln, kommen wir nicht weiter.» Die beiden Vertragspartner hielten an ihrer Vision einer Grossüberbauung fest. Das Komitee sah nur noch einen Ausweg: «Eine Grossaktion!» – ein Marsch nach Luzern zum Regierungsgebäude. Das Ziel: Die Mitglieder des Grossen Rats (heute Kantonsrat) davon überzeugen, den Vertrag nicht zu genehmigen – die Zustimmung des Parlaments war aufgrund der speziellen rechtlichen Ausgangslage nötig.

«Uns hat es irrsinnig pressiert weil wir wussten, dass uns nicht mehr viel Zeit blieb», erinnert sich Wili und erzählt, wie er als damaliger Schulpflegepräsident ein gewaltiges Ass im Ärmel hatte. Per Expressbrief habe er die Lehrer dazu aufgefordert, mit ihren Schülern am Marsch teilzunehmen. «Nur die Erstklässler blieben von mir verschont.» Auf die Frage, ob dieser Schnellschuss heute noch machbar wäre, winkt Wili ab:

«Die ganze Schule für einen Protest aufbieten? Lehrer und Schüler zu zwingen, mit mir nach Luzern zu marschieren? Um Himmels Willen, nein. Ein Missbrauch der Schule! Undenkbar. Absolut undenkbar!»

Einer, der am 9. März, dem Tag des Marsches, gern dabei gewesen wäre, ist der Historiker Jürg Studer aus Kriens. Der damalige Kantischüler musste an diesem Samstag aber zur Schule. Dennoch kann er sich erinnern, wie sich morgens um halb Zehn etwa 2000 Menschen für ihren «Bittgang» in die Stadt versammelt haben. Es sei «wahnsinnig» was an diesem Tag passierte, als die Feldmusik, Lehrer und Schüler, Trachtenmädchen, die Harmoniemusik, Behördenmitglieder, die Gallizunft, der Fahnenwald, das Aktionskomitee und schliesslich die breite Bevölkerung nach Luzern zog.

Man spielte, sang und hielf Transparente in die Luft: «Wir wollen das Krienser Schlössli erhalten», «Skifahrer und Wanderer rettet den Schlosshügel», «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes».

Vor dem Regierungsgebäude wurden Reden gehalten und eine Bittschrift deponiert. Die Forderungen: Nichtgenehmigung des Kaufvertrags zwischen den beiden Vertragspartnern und Kauf des Schlosses durch die Gemeinde Kriens.

Deutliches «Ja» zum «Schlössli»

Die Behauptung, der Marsch hätte «nationales Aufsehen» erregt, halten vielleicht einige für übertrieben – ist aber nicht all zu weit hergeholt: Das Schweizer Fernsehen sowie etliche Radiostationen wussten immerhin über den Bittgang von Kriens nach Luzern zu berichten. Einer, der just zu dieser Zeit die Nachrichten hörte, war Leo Balmer-Ott, der Vertreter der Käuferfirma Belsa. Er erfuhr von den Menschen vor dem Regierungsgebäude, den Referaten, der aufgebrachten Bevölkerung. Beeindruckt von diesem Engagement, griff er zum Telefon und es kam zum eingangs erwähnten Verhandlungsangebot.

Am gleichen Tag lag der neue Vertrag auf dem Tisch, und keine zwei Monate später stimmte das Krienser Stimmvolk über den Schlosskauf für 1,5 Millionen Franken ab. Die Entscheidung fiel mit 1885 Ja- zu 550 Nein-Stimmen deutlich aus. Mit «illegaler und legaler Kraft», wie Jürg Studer Wilis Initiative lachend beschreibt, hat es die Bevölkerung von Kriens geschafft, eine Schlittel- und Skipiste, ein Naherholungsgebiet, ein Kulturgut und Wahrzeichen der Gemeinde zu bewahren. «Heute würde ich dafür verhaftet», davon ist Wili überzeugt, um dann aber mit aufgehobenem Finger zu betonen, dass er es soweit gebracht habe, dass sich «sogar» der Gemeinderat entschuldigen musste.

Das Schloss Schauensee im Jahr 1957:

Und heute:

Doch es gibt noch weitere schöne Schlösser im Kanton Luzern. Eine Auswahl historischer Bilder finden Sie hier:

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