Roman Hodel
70 Jahre Chatzemusig Lozärn
Ertönt an der Luzerner Fasnacht in den Gassen der Altstadt die Melodie von «Hau i de Chatz de Schwanz ab», dann kann nur eine im Anmarsch sein - die Chatzemusig. So klingt es:
Ihr so genanntes «1», die Nummer Eins, ist nicht nur das erste Stück, das die vor 70 Jahren gegründete und damit zweitälteste Guuggenmusig der Stadt überhaupt eingeübt und gespielt hat. Es entwickelte sich auch zu einer eigentlichen Fasnachtshymne und bedeutet bis heute so etwas wie die DNA der Chatzemusig. Böse Zungen behaupten, etwas anderes als das «Eis» hätten sie gar nicht drauf.
Dass dem nicht so ist, beweist ein Besuch an einem Montagabend im Schulhaus Utenberg. Im Singsaal läuft die wöchentliche Probe.
Gleich vier neue Stücke üben die Chätzeler – so nennen sich die Mitglieder der Chatzemusig – für die kommende Fasnacht ein. Zum Beispiel «Monday Morning» von Melanie Fiona aus dem Jahr 2009. Ein Song, der bei vielen Guuggenmusigen beliebt ist. «Wir sind musikalisch moderner und anspruchsvoller unterwegs als früher», so Chatzemajor Richi Walker (55), seit 1995 dabei – mit «Unterbruch», wie er sagt. «Monday Morning» jedenfalls fordert die Mitglieder. Noch harmonieren Bläser und Schlag nicht optimal. Aber es bleibt ja noch etwas Zeit bis zur Fasnacht.
Zum Glück. Denn auch bezüglich Sujet gibt es noch viel zu tun. Das zeigt ein Blick ins Vereinslokal. Es befindet sich im Untergrund des Schulhauses Utenberg. Die Chätzeler sind in einer weit verzweigten Zivilschutzanlage daheim. In einem der Räume fertigen die Mitglieder ihre Grende für die kommende Fasnacht. «Selber», betont Walker, «wir geben nichts auswärts.» Das Aussehen der Grende ist natürlich geheim. Nur soviel: Das Jubiläumssujet lautet «Königinnen der Katzen». Klar, der Name verpflichtet. Wobei: Die Chätzeler interpretieren die Katze immer wieder neu. Im vergangenen Jahr etwa als Pink Panther. Ab und an darf es auch etwas Verwandtes sein: Eine Maus zum Beispiel.
Am Anfang der Chatzemusig 1949 standen jedoch der von Kunstmaler Walter Kalt geschaffene Chatzechopf – und ein Zürcher Puppenspieler. Der vor acht Jahren verstorbene Peter W. Loosli lebte zu jener Zeit in Luzern. Ihm schwebte eine Guuggenmusig nach «Luzerner Art» vor. Zwei Jahre zuvor war die erste Luzerner Guuggenmusig ins Leben gerufen worden – von Sepp Ebinger; auch er kein Hiesiger, sondern ein Basler. Beim Treffen mit Fasnächtlern und Musikanten präsentierte Loosli also den Chatzechopf. Dieser sollte die Luzerner als Chatzestrecker glossieren. Alsbald stand auch der Name der Musig fest.
Offiziell gegründet wurde die Chatzemusig dann erst 1951. Loosli war da schon nicht mehr dabei – er war nach Zürich zurückgezogen. Seinen Posten des Chatzemajors übernahm Max Baumann. Der 1999 verstorbene Künstler prägte die Chatzemusig in den folgenden Jahrzehnten mit seinen unverkennbaren Grende. Zu jener Zeit war die Chatzemusig eine Macht. «Ich weiss noch, als ich ein kleiner Bub war – wenn die Chatzen aufkreuzten, machten alle Platz», erinnert sich der heutige Chatzemeister Pascal Kreienbühl (49), seit 1992 dabei.
Dazu passt: Wer Mitglied werden wollte, benötigte einen Götti, musste sich schriftlich bewerben und natürlich vorspielen. «Wobei das musikalische Können sekundär war, viel wichtiger war ein guter Job», weiss Chronist Bärti Stauffer (75), seit 1985 dabei. Damals waren die meisten Mitglieder, übrigens gemäss Statuten bis heute ausnahmslos Männer, als Unternehmer oder in leitender Position tätig. «Die Chatzemusig galt schon als etwas elitär», sagt Stauffer und fügt an:
«Als Neumitglied hattest du die ersten zwei Jahre sowieso nichts zu melden – das, und vieles mehr ist mittlerweile ganz anders.»
So anders, dass die Chatzemusig 2011 sogar um ihre Zukunft bangte. Ihr drohten die Mitglieder auszugehen. Im Krienser Bellpark hatte man symbolisch bereits ein Grab geschaufelt. Nur: Eine Katze hat mehrere Leben. Und so bescherte die Aktion dem Verein elf neue Chätzeler. Aktuell zählt die Chatzemusig zwar wieder 31 Mitglieder im Alter von 18 bis 74 Jahren. «Doch es bleibt ein Kampf, zumal uns vor allem die 30- bis 40-Jährigen fehlen – Leute, die Verantwortung übernehmen», sagt Chatzemeister Kreienbühl. Nachwuchsprobleme, von denen auch andere Guuggenmusigen und überhaupt Vereine ein Lied singen können.
Dem Schrumpfungsprozess bei den Musigen – es gibt immer weniger davon – kann Chatzemajor Walker jedoch auch Positives abgewinnen: «Die Fasnacht ist mit ihren vielen Kleinformationen und Theatergruppen heute vielfältiger als vor 20, 30 Jahren, als man praktisch nur noch Guuggenmusigen antraf.» Dennoch sind sie essenziell für die Luzerner Fasnacht – und hört man dem Trio zu, gibt es auch heute noch gute Gründe, ein Chätzeler zu sein. «Der Zusammenhalt ist super und das Basteln der Grende jedes Jahr ein Highlight», sagen sie.
Vor allem aber kann sie als einzige Guuggenmusig eine Hymne ihr Eigen nennen. Auch wenn die Melodie von «Hau i de Chatz de Schwanz ab» ebenso wenig aus Luzern kommt wie der Initiant der Chatzemusig. Ihren Ursprung hat die Kreuzpolka in Berlin. Chatzemusig-Gründungsmitglied Kari Albisser hörte die Melodie von seiner Mutter. Sie hatte diese oft während der Hausarbeit gesungen. Albisser arrangierte das Stück und brachte es am ersten SchmuDo der Chätzeler 1949 zur Uraufführung. Bis zu 50 Mal spielen sie es während einer Fasnacht. Verleidet einem das nicht? «Im Gegenteil - das ‹Eis› erfüllt uns mit Stolz», sagt Chatzemajor Walker. Nur an einer Fasnacht habe man es wirklich zu oft gespielt. «Da waren wir allerdings auch zu wenig Leute und hatten kaum Lieder.»
Hinweis: Unser Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.