Robert Knobel
Ihr persönlicher Erfolg kontrastiert mit den Problemen ihrer Partei: 2015 wurde Andrea Gmür als «Neue» überraschend deutlich in den Nationalrat gewählt und ist seither in der Bundespolitik sehr präsent. Im Herbst will sie zudem Ständerätin werden. Doch als Präsidentin der CVP Stadt Luzern musste Andrea Gmür vor allem Niederlagen einstecken: 2016 schrumpfte die CVP-Vertretung im Stadtparlament von 9 auf 7 Sitze, CVP-Stadtpräsident Stefan Roth wurde abgewählt. Auch bei den jüngsten Kantonsratswahlen büsste die städtische CVP einen von vier Sitzen ein. Nach der Niederlage von 2016 lehnte Gmür einen Rücktritt als Präsidentin ab, weil sie ihre Partei erst wieder auf Vordermann bringen müsse. Jetzt legt die 54-Jährige ihr Amt aber definitiv nieder. Am Dienstag soll ihre designierte Nachfolgerin Karin Stadelmann gewählt werden (wir berichteten).
In Ihren fünf Jahren als Präsidentin der CVP Stadt Luzern hat die Partei nur verloren: 2016 bei den städtischen Wahlen, und nun auch bei den Kantonsratswahlen. Haben Sie sich deswegen entschlossen, zurückzutreten?Andrea Gmür: Nein, das war nicht der Grund. Ich plante am Anfang ohnehin, nur zwei Jahre zu bleiben. Nun sind es fünf geworden. In dieser Zeit konnte ich die Partei wieder auf eine solide Basis bringen – sowohl personell als auch finanziell. Bei meinem Amtsantritt waren die Finanzen nicht im Lot, und wir hatten grösste Mühe, die Leitungsfunktionen zu besetzen. Beide Probleme sind heute gelöst. Wir haben viele motivierte junge Leute, auf die wir zählen können. Das gute Abschneiden, vor allem auch der Jungen CVP, war denn auch das Highlight des vergangenen Wahlsonntags.Dennoch musste die städtische CVP erneut Sitzverluste hinnehmen: Was hat die Partei falsch gemacht?Für mich waren die Wahlen vom 31. März insgesamt eine totale Ernüchterung. Wir haben noch nie so viel gemacht wie für diese Kantonsratswahlen. Eine volle Liste mit zahlreichen Kandidatinnen und Kandidaten und vielen Aktionen. Es reichte nicht. Künftig wollen und müssen wir noch gezielter arbeiten mit Mund-zu-Mund-Propaganda, Stand- und Flyeraktionen, Social Media.Vielleicht hat sich die CVP einfach noch nicht daran gewöhnt, dass sich Wahlerfolge nicht mehr automatisch einstellen?Ja, solch intensive Wahlkämpfe waren für die CVP lange gar nicht nötig. Doch die jüngsten Wahlresultate sind für uns erst recht Ansporn, für die nationalen Wahlen im Herbst und die Gemeindewahlen 2020 doppelten und dreifachen Einsatz zu leisten.Erschwerend kommt hinzu, dass die CVP ein ländliches Image hat. Wie kann die Partei in einer Stadt punkten?Wir müssen klar städtische Themen besetzen. So ist die Verkehrsproblematik in der Stadt eine ganz andere als auf dem Land. So lehnen wir beispielsweise die Spange Nord in der jetzigen Form ab. Ihre Nachfolgerin als Parteipräsidentin, Karin Stadelmann, positioniert sich insgesamt klar linker als Sie. Ist das in der Stadt ein Vorteil?Es geht nicht einfach um links oder rechts. Die Kunst bei unserer Volkspartei besteht darin, einen gemeinsamen Nenner zu finden; zum Beispiel für eine soziale Marktwirtschaft.Ihre Person kennt man vor allem im nationalen Kontext. Als Präsidentin der Stadtpartei blieben Sie eher im Hintergrund. Werden Sie nun gar nicht mehr bei der Stadtpolitik in Erscheinung treten?Die Stadtpartei werde ich weiterhin unterstützen. Ich möchte mich aber noch stärker auf die nationale Politik konzentrieren. Dort werden viele Weichen gestellt, die nachher wieder die lokale Politik beeinflussen.Ihre Nachfolgerin ist mit 33 Jahren noch relativ jung. Welche Tipps geben Sie Karin Stadelmann mit auf den Weg?Wichtig ist, innerhalb der Partei integrierend zu wirken. Zudem können wir noch proaktiver Themen setzen. Generell benötigt man in der Politik ein dickes Fell, einen langen Atem und eine hohe Frustrationstoleranz. Karin Stadelmann bringt diese Qualitäten mit. Das ist ganz zentral, denn wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen. Schlussendlich braucht es vor allem aber Freude an diesem Amt und eine Leidenschaft für Politik.