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Luzern

8. Adventsfenster: Mit «Grossvater» den Willisauer Kirchturm empor

In unserem achten Adventsfenster zeigen wir die Kirchturmführung auf dem Willisauer Christkindlimärt. Dabei hatte unsere Autorin mit ihrer Höhenangst zu kämpfen.
Nichts für schwache Nerven: Der Ausblick vom Kirchturm. (Philipp Schmidli, Willisau
7. Dezember 2019)

Chiara Zgraggen

«Ihr seid vier Personen. Das ist eine überschaubare Gruppe», begrüsst uns ein älterer Herr, nennen wir ihn Franz, an der Kirchturmführung neben dem Willisauer Christkindlimärt. Dieses Wochenende bietet sich die Möglichkeit, den Kirchturm kostenlos zu besichtigen. Jener Turm, welcher seit 800 Jahren das Stadtbild Willisaus ziert und auf einer Plattform in
35 Metern Höhe jedem mit Höhenangst die Beine schlottern lässt. Doch dazu später mehr.

Drei ältere Damen stossen im Kircheninneren zu unserer Gruppe. Franz überzeugt sie mit den Worten: «Kei Angst, mier machet Verschnuufpause». Franz ist zwar über 70, doch sein Geist und Wissen sind frisch. Genauso wie seine Art, wie er die Architektur und Geschichte der Pfarrkirche St. Peter und Paul beschreibt.

Mit Ausnahme von Franz' Stimme herrscht Stille in der Kirche. Nur hie und da dringen Alphorntöne ins Innere. Franz informiert uns, dass die Willisauer Kirche abgesehen von der Luzerner Hofkirche auf luzernischem Gebiet die grösste sei. Seine Stimme und die Art zu erzählen wirken vertrauensvoll und gutmütig, schon fast grossväterlich. Und genauso wie ein Familienoberhaupt weiss auch er auf jede Frage eine Antwort.

Stufe um Stufe in die Kälte

Nachdem wir erfahren haben, dass die Orgel 3500 Pfeifen umfasst (Franz kommentiert dies mit: «Wenn die Pfeifen Männer wären wäre es ein Regiment aus Pfeifen.»), werden wir durch eine Tür seitlich der Orgel über eine schmale Holztreppe geleitet. Die Temperaturen sinken, der Geruch ändert vom typischen Geruch einer Kirche in jenen, der einem in einer Schreinerei entgegenschlägt. Durch die Ritzen zieht ein kalter Luftzug und Franz erklärt anhand eines Schemas den Aufbau der Kirche.

Weiter geht es durch den estrich-artigen Raum zum Anfang einer noch steileren Treppe. «Achtung, Kopf nicht anschlagen», warnt Franz. Nun erfahren wir, dass nicht alle Einwohner mit dem Neubau der Kirche vor 200 Jahren einverstanden gewesen seien. Die Leute hätten sich davor gefürchtet, dass die neuen Elemente dem Verputz schaden könnten. Doch der Architekt Adolf Gaudy entwickelte die Konstruktion mit Inspiration aus Paris, genauer vom Eiffelturm, sodass noch heute kaum Schäden entstanden sind.

Überwinden der Höhenangst lohnt sich

«Jetzt nur nicht stolpern», denke ich mir, als Franz mit uns jene Holztreppe emporsteigt, die mir als Höhenangst-Geplagte am meisten an die Nieren geht. Doch die Überwindung lohnt sich. Oben angekommen, steht eine gläserne Box, welche an eine Seilbahngondel erinnert. Im Innern befindet sich das Herzstück: das Uhrwerk. Mithilfe einer Funkuhr, die die Zeit aus Frankfurt empfängt, gibt sie den Glocken das Signal zum Schlag.

Dann folgt meine grösste Überwindung: Der Schritt nach draussen. Auf die Plattform in 35 Metern Höhe. Zugegeben, der Ausblick vermag imposant sein. Die Menschen an den Weihnachtsmarktständen wirken klein wie Brotkrumen auf einem Teller. Dennoch schlottern meine Knie, was durch den Wind noch verschlimmert wird. So erschrecke ich auch fürchterlich, als die Glocken einen kurzen Schlag abgeben.

So bin ich froh, aber auch ein wenig traurig, als Franz uns wieder ins Innere bittet. Erst jetzt beim raschen Abstieg durch eine modernere Treppe hin zur Türe neben dem Altar wird mir klar, wie viele Stufen wir vor gut einer Stunde erklommen haben. Mit einem herzlichen «ä schöni Adväntsziit no» entlässt uns Franz aus der Führung durch das Herzstück der Willisauer Kirche.

Der Christkindlimärt Willisau findet noch bis zum Sonntag, 8. Dezember statt. Kirchturm-Führungen sind zwischen 12 Uhr und 18 Uhr jeweils zur vollen Stunde möglich. Mehr Informationen finden Sie unter www.xn--christkindlimrt-willisau-2bc.ch.

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