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Luzern

Stadt Luzern: 40 Millionen Franken für hindernisfreien ÖV

Der Luzerner Stadtrat will in den nächsten Jahren 73 Buskanten hindernisfrei gestalten. Dass das nicht so einfach ist, zeigte eine Demonstration.
Das Einsteigen mit Rollstuhl oder Kinderwagen ist bei heutigen Bushaltestellen oft erschwert. (Bild: Nadia Schärli (Luzern, 8. Januar 2019)

Simon Mathis

Der Busfahrer hält an, verlässt seinen Sitz, klappt eine Rampe aus und hilft einer Rollstuhlfahrerin beim Einsteigen. Dieses Szene lässt sich in Luzern häufig beobachten. Der Stadtrat will, dass solcherlei künftig seltener vorkommt. «Behinderte sollen die Dienstleistungen des öffentlichen Verkehrs autonom nutzen können», sagte Verkehrsdirektor Adrian Borgula (Grüne) an der heutigen Pressekonferenz. Dabei zitierte er das nationale Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG), das 2004 in Kraft trat.

«Aber der öffentliche Verkehr ist noch nicht so weit, Rollstuhlfahrer sind zurzeit noch benachteiligt», fügte Borgula an. Deshalb sollen 73 Buskanten in der Stadt auf 22 Zentimeter erhöht werden, um Rollstuhlfahrer ein eigenständiges Einsteigen zu ermöglichen. Dafür beantragt der Stadtrat beim Parlament einen Kredit von 39,69 Millionen Franken. Teile dieser Summe fliessen in weitere Anpassungen der Haltestellen, etwa in zusätzliche Personenunterstände oder kleine Grünflächen.

Fachstreit verzögerte Umsetzung

«Es ist ein hoher Betrag für ein grosses Projekt», sagte Borgula. «Aber wir sind sicher, das Projekt ist es wert.» Die erhöhten Kanten kämen vor allem Behinderten zugute, sagte Borgula. «Aber auch Personen mit Kinderwagen oder Menschen mit schwerem Gepäck werden sie das Reisen angenehmer machen.»

Bis 2024 sollten die Massnahmen an den Bushaltestellen umgesetzt sein, fordert das BehiG. «Das schaffen wir nicht», sagte Borgula heute. Aber damit sei Luzern nicht die einzige Stadt in der Schweiz. Grund für die Verzögerung sei die lange Diskussion über die fachliche Frage, welche Kantenhöhe tatsächlich Hindernisfreiheit garantiere. Im Verlaufe des letzten Jahres schliesslich habe man die Höhenvorgabe von 22 Zentimeter konkretisieren können. Die letzte der gut 70 Kanten soll 2029 hindernisfrei sein.

Was es heisst, im Rollstuhl in einen Bus zu gelangen oder den Bus wieder zu verlassen, zeigt Brigitte Schaub für Tele 1.

Panne bei der Demonstration

Dass es nicht reicht, nur die Buskante zu erhöhen, zeigte die heutige Demonstration vor den Medien. Die Haltestelle Steghof in der Nähe des Neubads wurde bereits hindernisfrei gestaltet. Dort hielt ein Bus der VBL. Eine Rollstuhlfahrerin stand bereit, um ebenerdig einzusteigen. Nur: Es klappte nicht. Die vertikale Lücke zwischen Kante und Bus-Einstieg war zu gross. Trotz redlichen Bemühungen und zwei Versuchen schaffte es die Rollstuhlfahrerin nicht, in den Bus zu rollen.

Kein schöner Anblick, aber auch kein Grund zur Panik. «Der Bus war nicht richtig eingestellt», erklärte Borgula. «Er lehnte sich zu wenig stark zur Seite.» Die Stadt werde das Problem umgehend abklären und beseitigen.

Das Demo-Gefährt fuhr weiter, und die Rollstuhlfahrerin versuchte den Einstieg bei einem regulären Bus – wiederum erfolglos. Der zuständige Fahrer eilte sofort herbei, um die Rampe auszuklappen. Ein vorbildliches Verhalten, aber nicht Sinn der Übung. Denn wir erinnern uns: Theoretisch sollte die höhere Kante die Klappe erübrigen. In diesem Fall missglückte der Einstieg, weil der horizontale Abstand zwischen Kante und Bus zu weit war. Der Busfahrer spurte offenbar zu zögerlich ein, zwischen Bordstein und Rädern war der Abstand zu gross.

Kontaktfahren will geübt sein

Erst die so genannte «Kontaktfahrt» lässt das System fruchten; dabei fährt der Busfahrer so nahe an den Randstein, dass sich Reifen und Stein berühren. Denn um das hindernisfreie Einsteigen zu ermöglichen, darf der Abstand zwischen Kante und Busboden ein gewisses Mass nicht überschreiten. In der Höhe sind das 5 Zentimeter, in der Breite sind es 7,5 Zentimeter. «Es handelt sich um europäische Richtwerte, die vielfach erprobt sind», erläutert Adrian Borgula.

Auch die Fachstelle Hindernisfrei Bauen Luzern sieht das Projekt auf gutem Wege. Sie «anerkennt die Anstrengungen der Stadt Luzern zur längst fälligen Umsetzung des autonom benutzbaren öffentlichen Verkehrs für Menschen mit Behinderung», sagt Bauberater Beat Husmann auf Anfrage unserer Zeitung. Laut Husmann ist unter anderem die Schulung des Fahrpersonals entscheidend:

«Die Kontaktfahrt bedingt vom Fahrpersonal anfänglich etwas Mut und Erfahrung.»

In der Stadt gibt es 290 Buskanten. 115 von ihnen gehört dem Kanton, die restlichen 175 der Stadt. 73 von diesen sollen bis 2029 hindernisfrei gemacht werden. Acht von ihnen sind bereits autonom nutzbar, 51 sollen im Rahmen von anderen Umbauten hindernisfrei werden. Schliesslich gibt es auch Kanten, bei denen das Vorhaben nicht realisierbar ist – 43 an der Zahl. Dabei handelt es sich etwa um Kanten, die auf schrägem Terrain liegen, das für Rollstuhlfahrer gar nicht befahrbar ist.

Der Antrag gelangt am 31. Januar in den Grossen Stadtrat. Das Stimmvolk wird am 19. Mai über das Projekt abstimmen.

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