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Luzern

2,7 Tonnen Wels gefangen: Die Zahl der Riesenfische im Sempachersee steigt rasant

Einst illegal ausgesetzt, fühlt sich der Wels im Sempachersee immer wohler. Es werden deutlich mehr dieser Fische gefangen. Dabei spielt nicht nur der Klimawandel eine Rolle, sondern auch die Pandemie.
Liebt das Wasser warm und höchstens langsam fliessend: der Wels. (Imago )
Mit viel Glück konnte sich dieser Wels aus dem Rechen bei der Mühle in Sursee befreien.  (Leser: Xaver Husmann)

Alexander von Däniken

Alexander von Däniken

Alexander von Däniken

Er ist der grösste reine Süsswasserfisch Europas und breitet sich im Sempachersee immer stärker aus. Dass er dort einmal illegal ausgesetzt worden ist, das scheint dem Wels egal zu sein. Wie viele Exemplare, die bis zu 70 Kilo auf die Waage bringen können, zwischen Sempach und Sursee durchs Wasser gleiten, ist nicht bekannt. Doch die Fangstatistik spricht eine deutliche Sprache: Zogen Hobby- und Berufsfischer 2013 noch 101 Kilogramm Wels an Land, waren es letztes Jahr bereits über 2,7 Tonnen (siehe Grafik).

Es fällt auf, dass der Wels auch in anderen Gewässern der Schweiz auf dem Vormarsch ist. Im Hallwilersee, für den der Kanton Aargau zuständig ist, sind zwischen 2009 und 2018 durchschnittlich 38 Welse pro Jahr gefangen worden. 2019 waren es 69, wie der aktuellsten Aargauer Fischfangstatistik zu entnehmen ist. Und im Kanton Zürich wurden letztes Jahr 623 Welse aus den Gewässern gezogen; 2008 waren es noch 86, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich berichtete. Laut Lukas Bammatter, Fischereiadjunkt des Kantons Zürich, profitieren die Welse von der Klimaerwärmung, weil sie wärmere und stehende oder langsam fliessende Gewässer bevorzugen.

Wegen Corona mehr Patente verkauft

Peter Ulmann, Abteilungsleiter Natur, Jagd und Fischerei beim Kanton Luzern, hat zumindest für das vergangene Jahr noch eine andere Erklärung. «Während die Fänge in den Netzen der Berufsfischerei heute stabil sind, waren die Fänge der Angelfischerei 2020 sehr hoch und stark gestiegen. Dies ist aber eindeutig als indirekte Folge der Coronasituation zu beurteilen. Es wurden 2020 viel mehr Fischereipatente verkauft, die Anglerinnen und Angler verbrachten wegen des Lockdowns und wegen Ausland-Reisebeschränkungen viel mehr Zeit am und auf dem Wasser.»

Wie stark sich Corona tatsächlich auf die Fänge durch Angler ausgewirkt hat, werde sich erst nach der Pandemie zeigen. Ob der Wels eine Bedrohung für den restlichen Fischbestand im Sempachersee darstellt und was die Invasion für die Biodiversität bedeutet, beantwortet Ulmann mit Verweis auf einen noch hängigen Vorstoss nicht. CVP-Kantonsrat Urs Marti aus Zell hat diese und ähnliche Fragen im Mai gestellt; die Beantwortung durch den Regierungsrat steht noch aus.

Beim Fischerverein Sempachersee beobachtet man die steigende Welspopulation mit gemischten Gefühlen. «Er war und ist eine gebietsfremde Art», sagt Präsident Peter Schürmann, um dann anzufügen: «Wegfischen lässt sich der Wels nicht mehr.» Zu zahlreich komme der Fisch mittlerweile im See vor – und zu aufwendig sei es, ein Exemplar zu fangen. Das beginne schon mit der aufwendigen Ausrüstung – ein zwei Meter langer Fisch lässt sich nicht mit einer normalen Rute und regulärer Angelschnur rausziehen. «Dazu ist wohl kein anderer Süsswasserfisch in unseren Breitengraden mit so vielen Sensoren ausgestattet. Und er ist dämmerungs- und nachtaktiv.»

Diskretes und definitives Fangen

Es brauche also Ausrüstung und Übung, um einen Wels zu fischen, sagt Schürmann, der selbst regelmässig auf Welsfang geht. Genauso wichtig ist ihm Diskretion. Im Ausland posieren immer mehr Fischer mit ihren gefangenen Welsen. Oft werde der Wels dabei nachts gefangen, dann bis am Morgen zugewartet, um das Bild zu schiessen und das Tier nach ein paar Stunden wieder freizulassen. «Catch and Release» heisst die Methode des Fangens und Freilassens. Schürmann stellt klar:

«Sie ist in der Schweiz grundsätzlich, mit wenigen Ausnahmen, verboten. Speziell bei Fischarten, die im Gewässer nicht heimisch sind, in dem sie gefangen wurden.»

Wenn, dann muss also auch ein im Sempachersee gefangener Wels nach dem Fang getötet werden und darf nicht in den See zurück. «Wir halten unsere Vereinsmitglieder an, kein grosses Aufheben um einen gefangenen Wels zu machen.» Ansonsten ziehe das Fischtouristen an, die den See und die Tiere möglicherweise zu wenig respektieren würden.

Aktuell darf maximal eine Stunde nach Sonnenuntergang und eine Stunde vor Sonnenaufgang gefischt werden. Peter Schürmann wünscht sich eine praktikablere Lösung. Denn die Sonne geht nicht immer zur gleichen Zeit auf und unter, was dem einen oder anderen Welsfischer schon eine Busse eingebracht habe. «Eine Uhrzeit wie zum Beispiel 2 Uhr nachts wäre gut», sagt der Vereinspräsident.

Wie der Regierungsrat dazu steht, wird er in seiner Antwort auf die Anfrage von Urs Marti noch darlegen. Der Wels hat nicht nur ein grosses Maul, sondern auch einen breiten Speiseplan. Auch die Nahrung des Hechts ist darunter. Ob deswegen die Hechtpopulation leidet, kann laut Schürmann noch nicht definitiv gesagt werden. Das gelte auch für den Klimawandel, der die Welspopulation begünstigen soll. Es kann aber durchaus sein. «Der Wels liebt warmes Wasser, dort kann er sich auch vermehren. Offensichtlich gefällt es ihm im Sempachersee gut.»

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