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Luzern

21-Millionen-Projekt am Brienzer Rothorn: So wollen die Bergbahnen Sörenberg die neue Pendelbahn stemmen

Die Bergbahnen Sörenberg haben beim Bundesamt für Verkehr die Baueingabe für die neue Seilbahn aufs Brienzer Rothorn eingereicht. Kaum steht die Finanzierung für das 21-Millionen-Projekt, denken die Bergbahnen bereits an weitere Investitionen.
Wird bald ersetzt: Die alte rot-weisse Pendelbahn von Sörenberg auf das Brienzer Rothorn. (Bild: PD/Bruno Röösli)
Verwaltungsratspräsident Theo Schnider. (Bild: PD)
Urs Wagenseil, Tourismusexperte an der Hochschule Luzern (Bild: PD)

Roseline Troxler

Roseline Troxler

Roseline Troxler

Die Tage der rot-weissen Pendelbahn, welche jährlich rund 60'000 Ausflügler, Wanderer und Skifahrer aufs Brienzer Rothorn bringt, sind gezählt. Nächstes Jahr läuft die ordentliche Konzession der Bahn auf den 2350 Meter hohen Berg aus. Sie kann aber unter Auflagen bis 2023 weiterbetrieben werden. Seit Jahren planen die Bergbahnen Sörenberg die neue Erschliessung auf den höchsten Luzerner Gipfel. Ein erstes Projekt für gut 40 Millionen Franken wurde Mitte 2018 verworfen. Als Grund wurde die fehlende Tragbarkeit und die zu starke Ausrichtung auf die Wintersaison genannt. Nun laufen die Arbeiten für die abgespeckte Variante «Rothorn Retrofit» auf Hochtouren. Dabei soll die alte Pendelbahn durch eine neue, ähnlich grosse Bahn ersetzt werden. Ziel ist es, möglichst viel Substanz der alten Bahn wie die Tal- und Bergstation sowie Teile der Stützfundamente zu erhalten.

Der Meilenstein

Nun haben die Bergbahnen Sörenberg eine wichtige Etappe geschafft. Verwaltungsratspräsident Theo Schnider sagt auf Anfrage: «Wir haben diese Woche beim Bundesamt für Verkehr die Baueingabe für das Projekt eingereicht.» Vorgespräche hätten schon in den letzten Wochen stattgefunden, so Schnider:

«Wir gehen davon aus, dass der Bewilligungsprozess rund neun Monate dauert.»

Während dieser Zeit werde bei den Bergbahnen an den Details gefeilt. «Der Zeitplan ist sehr sportlich», räumt Schnider ein. «Im Dezember 2022 soll die neue Bahn in Betrieb genommen werden.» Die Baueingabe betrifft nicht nur die neue Pendelbahn, sondern auch die Sanierung der Tal- und Bergstation und einen Umbau des Gipfelrestaurants.

Die neue Pendelbahn

Die neuen Kabinen sind wie bisher für 80 Personen ausgelegt. Der Auftrag für den Bau der neuen Bahn wurde der Firma Garaventa AG aus Arth-Goldau erteilt. «Als nächstes bestimmen wir nun die genaue Ausführung respektive die Möblierung der Bahn und das Design», so Schnider. Die Bahn werde «wesentlich moderner» daherkommen, sagt er:

«Auch die Anforderungen an die Sicherheit sind deutlich höher als noch vor 50 Jahren.»

Andreas Bonifazi, Mediensprecher der Garaventa AG, bezeichnet das Projekt als spannend: «Wir freuen uns sehr über den Zuschlag. Die Schweiz ist unser Heimmarkt und darum sehr wichtig.» Bestehende Substanz weiterzuverwenden, erachtet er beim vorliegenden Projekt als «durchaus sinnvoll».

Die Finanzierung des Projekts

Die Gesamtkosten liegen laut Theo Schnider bei 21 Millionen Franken. Rund 13 Millionen Franken würden alleine die Bahntechnik, die Stützen und deren Fundamente kosten. Betreffend Finanzierung erklärt der Verwaltungsratspräsident: «Wir beabsichtigen, die Gesamtfinanzierung durch Eigenmittel, durch ein NRP-Darlehen des Kantons, derzeit in Prüfung, durch Bankdarlehen und mit einem Leasing durch eine Bank sicherzustellen.» Das «Bahnleasing» sei ein interessantes Finanzierungsmodell und liege im Trend, erklärt Schnider.

Tilman Holke ist Projektleiter bei der kantonalen Dienststelle Raum und Wirtschaft. Er bestätigt, dass die Bergbahnen Sörenberg AG ein Gesuch für ein Darlehen der Neuen Regionalpolitik (NRP) in der Höhe von 2,9 Millionen Franken gestellt hat, welches sich beim Kanton in Prüfung befinde. «Das Investitionsprojekt Rothorn Retrofit sieht eine Modernisierung der bestehenden Anlagen vor, legt einen stärkeren Fokus auf den Sommertourismus und soll damit die Grundlagen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Positionierung von Sörenberg als Ganzjahresdestination schaffen», sagt Tilman Holke und führt aus:

«Der Kanton Luzern begrüsst die Neuausrichtung der Bergbahnen Sörenberg AG, welche eine Chance für die gesamte Unesco Biosphäre Entlebuch ist.»

Die Bauarbeiten

Läuft alles nach Plan, sollen die Vorarbeiten im kommenden Jahr beginnen. «Trotz erster Arbeiten soll die Bahn 2021 noch laufen», betont Schnider. Die eigentlichen Bauarbeiten sollen im April 2022 starten. «Die neue Pendelbahn aufs Brienzer Rothorn wird im Sommerhalbjahr 2022 montiert, das heisst, wir können dann keine Gäste befördern», sagt Schnider. «Natürlich soll während dieser Zeit möglichst viel durch die Rossweid kompensiert werden», sagt der Verwaltungsratspräsident.

Auf die 1465 Meter über Meer gelegene Rossweid führt eine 6er-Gondelbahn. Vor kurzem wurde die Erweiterung des grossen Moorrundwegs auf der Rossweid bewilligt. Die Bauarbeiten für den neuen Erlebnisweg, der sich vor allem an Familien und Schulen und Vereine richtet, soll bis zur Sommersaison 2021 abgeschlossen sein.

Die Inszenierung des Berges

Die Bergbahnen Sörenberg wollen nicht nur eine neue Pendelbahn aufs Brienzer Rothorn realisieren. Ziel ist es zudem, «den Berg stärker als Gesamterlebnis zu inszenieren». Das Motto für die Erlebnisinzenierung sehen die Bergbahnen in der «Unesco Biosphäre zum Anfassen».

Ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen im Zusammenhang mit der Biosphäre sollen von der Talstation bis auf dem Gipfel präsent sein. Dabei verweist Schnider auf einen Shop, Ausstellungsmodule, Erlebnisstationen bis hin zum kulinarischen Angebot mit regionalen Produkten. «Das Brienzer Rothorn ist der Gipfel der Unesco Biosphäre Entlebuch, wo der Blick sich weitet, der Geist sich öffnet, die Gedanken fliegen und der Horizont sich vergrössert», sagt Theo Schnider.

Die Sicht der Naturverbände

Gegen das ursprüngliche Projekt der Bergbahnen Sörenberg liefen Umwelt- und Naturschutzverbände Sturm und forderten diverse Anpassungen. Marc Germann, Geschäftsführer des WWF Unterwalden, sagt zum redimensionierten Projekt: «Uns wurde dieses im Vorfeld vorgestellt. Wir müssen nun prüfen, ob sich die Baueingabe mit der uns kommunizierten Variante deckt.» Nach Analyse der Baueingabe werde man das weitere Vorgehen prüfen. Germann sagt aber: «Das neue Projekt klingt für uns im Vergleich zum ursprünglichen viel vernünftiger und besser.»

Die Einschätzung von Experten

Urs Wagenseil, Tourismusexperte an der Hochschule Luzern, findet es beim Projekt schade, «dass die Bergbahnen Sörenberg zurückbuchstabieren und die erste Variante fallen lassen mussten». Gerade auch, weil die zunächst geplante 8er-Gondel-Bahn mehr Komfort geboten hätten. Dennoch sagt er: «Besser redimensionieren und realisieren als Investitionen nicht tätigen.» Ziel sei schliesslich ein finanzierbares und tragfähiges Projekt, bei welchem alle Interessengruppen mitziehen würden. Und eines, das sich an den heutigen Gästebedürfnissen orientiert. Der Tourismusexperte begrüsst die Inszenierung des Rothorns:

«Früher waren schon Gondelbahnen und Fahrten ein Erlebnis, heute sind sie vielmehr ein Transfer. Daher müssen der Gipfel und das Bergerlebnis generell attraktiver werden.»

Die Restaurantsanierung sei bestimmt willkommen, reiche isoliert aber nicht, um sich zu differenzieren, so Urs Wagenseil weiter. Dass die Bergbahnen die Unesco Biosphäre zum Erlebnis-Thema machen, «ist eine glaubwürdige Idee, die bestens in diese bodenständige und homogene Region passt». Dabei sollte laut Wagenseil auf eine möglichst interaktive Umsetzung geachtet werden; klassische Themenwege mit Informationstafeln wären zu wenig.

Wichtig ist für den Tourismusexperten allerdings, dass die Bergbahnen über Nachhaltigkeit nicht bloss orientieren, sondern auch das Unternehmen selbst glaubwürdig und nachhaltig wirtschaftet und sich so zertifiziert. «Bergbahnen sind bezüglich der ökologischen Aspekte grundsätzlich im Fokus von Kritikern. Wenn die Biosphären-Themen nun explizit präsentiert werden, exponiert sich die Bahn entsprechend mehr.»

Zur Finanzierung sagt Philipp Lütolf, Finanzexperte an der Hochschule Luzern: «Das Bahnleasing ist eine relativ verbreitete Finanzierungsart.» Das bestätigt auch eine Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ). Sie bezieht sich auf das Jahr 2016, wo 51 Prozent der untersuchten Bergbahnen Leasing als Finanzierungsalternative angaben. Geleast werden vor allem Pistenfahrzeuge. Ein Fünftel gab ausserdem an, auch Gondel- oder Standseilbahnen zu leasen. Die Zahl der Bahnen, die auf Leasing setzen sowie das Volumen des Leasing nahmen in den letzten Jahren zu.

Der Ausblick auf weitere Projekte

Für Theo Schnider ist klar: Nach dem Projekt Rothorn Retrofit stehen bereits neue Investitionen an. «In den nächsten zehn Jahren sollen weitere gut zehn Millionen Franken investiert werden.» Bedarf gebe es vor allem bei der Gastronomie auf der Rossweid und bei der bestehenden Infrastruktur, die man auf die Kundenbedürfnisse anpassen müsse. «Um über genügend Liquidität zu verfügen, den Handlungsspielraum und die Flexibilität zu vergrössern, planen wir eine Aktienkapitalerhöhung im Umfang von drei bis vier Millionen Franken.» Dieser wichtige Schritt soll laut Schnider an einer ausserordentlichen Generalversammlung im Frühling 2021 beschlossen werden.

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