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Luzern

10 Prozent mehr Fälle auf der stationären Psychiatrie: «Weltweit haben Depressionen und Angsterkrankungen um 25 Prozent zugenommen»

Die Pandemie hat zu einer Zunahme von psychischen Erkrankungen geführt. Das ist aber nicht der einzige Grund für die höhere Anzahl Fälle.

Die Luzerner Psychiatrie verzeichnet eine Zunahme von stationären Fällen.
Bild: Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 22. April 2021)

Mehr psychische Probleme bei Jugendlichen. Überlastung der Psychiatrie. Lange Wartezeiten für Behandlungen. Kliniken wegen Personalmangel am Limit.

Diese Sätze waren in den vergangenen Jahren in diversen Medien zu lesen. Oft werden die Corona-Pandemie und die Massnahmen zur Bekämpfung des Virus als Gründe genannt. Der Leiter der Luzerner Kinder- und Jugendpsychiatrie erklärte im Februar etwa, dass diese den Jugendlichen die Möglichkeit nähmen, etwas an ihrer Situation zu ändern .

Das Luzerner Statistikamt (Lustat) hat kürzlich die Zahlen für das Jahr 2021 veröffentlicht. Im Vergleich zu 2019 nahmen die stationären Aufenthalte in der Psychiatrie um 10 Prozent zu. Auch die Hospitalisierungen von Luzerner Patienten und Patientinnen in ausserkantonalen psychiatrischen Kliniken haben in den vergangenen Jahren laufend zugenommen.

Starke Zunahme von Depressionen und Angsterkrankungen

Auf Anfrage bestätigt die Luzerner Psychiatrie (Lups), dass es zu einer generellen Zunahme von psychische Erkrankungen gekommen ist. Als Gründe nennt der Kommunikationsleiter, Daniel Müller, das Bevölkerungswachstum und die Pandemie. Diese Entwicklung sei weltweit zu beobachten: «Gemäss einer aktuellen epidemiologischen Studie steigen die Prävalenzzahlen für Angsterkrankungen und Depressionen weltweit um zirka 25 Prozent an – unter anderem wegen der Pandemie.»

Obwohl die Pandemie die Zunahme an psychischen Erkrankungen und stationären Aufenthalte in der Psychiatrie beschleunigt hat, greift die Erklärung der zusätzlichen Fälle allein mit Pandemie und Bevölkerungswachstum zu kurz. Das wird offensichtlich, wenn man etwas weiter zurückschaut. Gemäss Lustat nimmt die Anzahl stationärer Aufenthalte in Luzerner Psychiatrien bereits seit 2009 laufend zu:

Auch wenn das Bevölkerungswachstum miteingerechnet wird, ist bereits zwischen 2009 und 2017 eine Zunahme zu verzeichnen. Während im Jahr 2009 noch knapp sechs stationäre Psychiatrieaufenthalte pro 1000 Luzerner und Luzernerinnen gezählt wurden, waren es im Jahr 2015 sieben und 2021 bereits über acht Fälle. Und dies trotz der allgemeinen Strategie, Patienten und Patientinnen zunehmend ambulant statt stationär zu behandeln.

Obwohl diese Strategie sinnvoll sei, «gilt es auch bei den stationären Angeboten der Nachfrage, entsprechende Kapazitäten auf einem zeitgerechten, modernen Standard zur Verfügung zu stellen», betont Müller. Die Luzerner Psychiatrie habe in den vergangenen Jahren deshalb rund 80 Millionen Franken in die Sanierung und Modernisierung der Infrastrukturen investiert.

Blick in die Zukunft bereitet Sorgen

Müller erklärt, dass die Krankheitshäufigkeit von psychiatrischen Erkrankungen vor Corona nicht zugenommen habe. «Neben den bereits genannten Gründen spielt aber sicher eine grosse Rolle, dass sich durch die Entstigmatisierung psychiatrischer Erkrankungen mehr Menschen sich in Behandlung begeben und es dadurch zu einer grösseren Nachfrage kommt.»

Mit der Zunahme der Fälle in der Psychiatrie steigt auch der Druck auf Ärzte und Pflege. «Alle unsere Fachpersonen aus den verschiedenen Disziplinen sind hoch belastet», so Müller. Bisher könne die Lups die zusätzliche Nachfrage jedoch stemmen.

In naher Zukunft ist keine Entlastung zu erwarten. Müller erwartet eine weitere Entstigmatisierung psychiatrischer Erkrankungen, sodass die Schwelle sinkt, um sich fachliche Hilfe zu holen. Weiter sind die Konsequenzen einer gesetzlichen Änderung schwierig abzuschätzen: Ab Januar bezahlen die meisten Krankenkassen die Therapie bei Psychologen und Psychologinnen in Weiterbildung nicht mehr, wie der Tages Anzeiger berichtet . Damit werden 10'000 Patientinnen und Patienten ohne Therapieplatz dastehen, wie die Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen schätzt.

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