Stephan Santschi
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Die Vorfreude der Golfgemeinschaft auf die Wiedereröffnung der Plätze war gross. Bereits um 5.30 Uhr begaben sich am Montagmorgen die ersten Spieler auf das Areal des Golfclubs Sempach. «Die Leute haben es wirklich vermisst, sie möchten wieder zu uns kommen», stellt CEO Daniel Weber erfreut fest. Auf seinem Handy zeigt er schmunzelnd Fotos von Menschen mit Stirn- und Taschenlampen, die sich in aller Herrgottsfrühe mit Trolley, Schläger und Bällen auf den Weg gemacht haben.
Die beiden 18-Loch-Plätze auf dem idyllischen und grössten Golfareal der Schweiz waren am Montag ursprünglich mit 540 Besuchern ausgebucht gewesen. Wegen des mässigen Wetters kam es kurzfristig zu Stornierungen, mit rund 400 Golfern war die Auslastung für einen Montag aber immer noch ausserordentlich gut. «Nach einem sonnigen Wochenende wie dem letzten kommen bei diesen Bedingungen gewöhnlich nicht mehr als 40 Leute – also nur etwa zehn Prozent von dem, was wir heute haben», erklärt Weber. Auch Martin Fink und Fredy Lustenberger zog es nach Hildisrieden:
«Quatsch, die Golfplätze so lange zu schliessen»
Dass der eine oder andere nach der zweimonatigen Zwangspause etwas aus der Übung gekommen ist, bleibt nicht verborgen. Max Pfister, der ehemalige Luzerner Regierungsrat aus Nebikon, sieht den Ball nach seinen ersten beiden Versuchen im hohen Gras landen. «Wir waren im Oktober letztmals golfen», erklärt seine Frau Heidi und lacht. Kurz darauf ist Urs Schenker aus Geuensee an der Reihe. Er hat seine Golfferien auf Gran Canaria wegen des Coronavirus im März vorzeitig abbrechen müssen. «Es war Quatsch, die Golfplätze so lange zu schliessen. Wir spielen ja nicht Fussball oder Handball. Wir sind 250 bis 300 Meter von der nächsten Gruppe entfernt», sagt Schenker, der dreimal wöchentlich Golf spielt. Neben ihm steht Golfpartner Andrew Moore und betont:
«Golf ist ein idealer Sport für Social Distancing.»
Bereits zum Clubhaus zurückgekehrt, ist zu diesem Zeitpunkt das Ehepaar Herzog aus Steinhausen. Wie war’s? «Super», antwortet Urs Herzog. «Der Zustand des Platzes ist so gut wie selten.» Die golffreie Zeit habe ihnen aber nichts ausgemacht. «Dann macht man eben etwas anderes», sagt Anita Herzog.
Wie stark sich die Golfer nach ihrem Hobby sehnten, hat Geschäftsführer Daniel Weber in den letzten acht Wochen auch auf weniger schöne Art und Weise erfahren müssen. «Die Zeit war intensiv. Wir haben täglich viele Telefonanrufe beantwortet, in denen wir für praktisch alles verantwortlich gemacht wurden», erzählt er. Mit einer Wortwahl, die zuweilen unter die Gürtellinie ging, meinten viele, dass er sich beim Bundesrat zu wenig stark für eine frühere Wiedereröffnung gemacht habe.
Wie ein mehrstündiger Spaziergang
Tatsächlich waren die Golfplätze in Ländern wie Deutschland und Österreich früher wieder zugänglich, in Skandinavien waren sie gar nicht geschlossen. Hätten die Golfplätze auch in der Schweiz eher in die Lockerungsmassnahmen mit einbezogen werden sollen? «Lamentieren bringt nichts, wir fügen uns diesem sozialen Imperativ», sagt Weber, hält aber auch fest: «Technisch wäre es sicher möglich gewesen. Es ist spürbar, dass unsere Bundespräsidentin und unser Gesundheitsminister Sozialdemokraten sind.» Eine Golfrunde in Sempach sei vergleichbar mit einem drei- bis fünfstündigen Spaziergang über 12 Kilometer. «Im Gegensatz zu den USA, wo die Golfer die Strecke abfahren, geht man bei uns zu Fuss», erklärt Weber. «Die Leute starten alle zehn Minuten und maximal in Vierergruppen. Wenn die eine Gruppe beginnt, ist die vorherige schon mehrere hundert Meter weit entfernt. Golf ist ein virenfreier Sport.» Vergleichsweise klein sei deshalb auch der Aufwand zur Umsetzung der hygienischen Schutzmassnahmen im Spielbetrieb: So dürfen beispielsweise die Fahnenstangen bei den Löchern nicht berührt werden. Oder es gibt keine Rechen in den Bunkern, um die Sandunterlage zu präparieren. Die Golfer werden zudem gebeten, ihr Equipment persönlich zu säubern.
Und so empfindet Daniel Weber trotz der Betriebsaufnahme nicht nur Genugtuung. Zu einschneidend sind die Konsequenzen der Coronakrise für seine Branche. Weber sagt:
«Wir werden an den drei Standorten in Sempach, Kyburg und St.Apollinaire insgesamt Millionen von Franken verlieren.»
Zurückzuführen sei dies nicht auf stornierte Mitgliedergebühren oder den ausbleibenden Tagestourismus. «Was uns vor allem wehtut, sind die Events. Pro Jahr haben wir mehrere hundert Anlässe wie Hochzeiten, Geburtstage oder Firmenveranstaltungen. Sie wurden praktisch alle gestrichen.» Von wesentlicher Bedeutung sei darum, was der Bundesrat am 27. Mai beschliesse. Ob er dann Veranstaltungen für 100 oder 500 Menschen wieder zulasse oder nicht.
Mit viel Ungewissheit in die Zukunft
Wie stark die Gastronomie betroffen sei, weiss Weber derweil noch nicht. «Kommen die Leute nach einer Golfrunde auf ein Bier oder einen Kaffee in unser Restaurant? Oder gehen sie nach Hause?» Generell sagt er, dass für sie der «Kampf erst jetzt beginnt. Wir bewegen uns beim Einsatz des Personals auf einem schmalen Grat. Voraussichtlich werden wir für rund die Hälfte unserer 50 Angestellten in Sempach bis Ende Jahr Kurzarbeit anmelden müssen.»
Für den Rest der Saison gehe es nun darum, den Gästen ein möglichst schönes Golferlebnis zu bieten. «Finanziell sind wir solide aufgestellt, wir haben keine Liquiditätsengpässe», versichert Weber. «Das rabenschwarze Szenario tritt aber dann ein, wenn unsere Mitglieder nächstes Jahr nicht mehr kommen, weil sie in dieser Saison nichts vom Golfen gehabt haben.»