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Ski alpin

"Wir haben im Moment das stärkste Team"

Die Schweizer Alpinen sind im Weltcup-Winter 2019/20 mit elf Siegen, 36 weiteren Podestplätzen, insgesamt 129 Top-10-Klassierungen und total 8732 Punkten die unangefochtene Skination Nummer 1.
Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann gratuliert in Wengen dem Zürcher Fahrer Niels Hintermann
Bild: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Noch Mitte Februar 2019 musste Urs Lehmann ernüchtert konstatieren, dass sich in der Nationenwertung der Abstand zu Österreich deutlich vergrössert hat. Ende Saison sahen sich die Schweizer Alpinen vom zum 30. Mal in Folge triumphierenden ÖSV-Team um fast 3500 Weltcup-Punkte distanziert. Dass die Österreicher, angeführt von mittlerweile zurückgetretenen Überflieger Marcel Hirscher, so deutlich wegziehen konnten, "muss uns zu denken geben", so der Swiss-Ski-Präsident damals.

Lehmann sprach ein weiteres Mal davon, dass man beim Verband die Strukturen "flexibler, breiter und offener" gestalten müsse. Ihm ging es darum, dass Swiss-Ski künftig weniger Talente und auch weniger während einer gewissen Zeit nicht erfolgreiche Fahrer, die aber offensichtlich nach wie vor über Potenzial verfügen, wegen verlorenem Kader-Status oder aus anderen Gründen verloren gehen. Gut ein Jahr später ist sich der ehemalige Abfahrts-Weltmeister bewusst, dass in diesem Bereich immer noch Optimierung möglich ist. Es haben nicht viel mehr Schweizer Fahrer im Weltcup gepunktet als im Durchschnitt der Saisons zuvor. "Doch wir sind an der Spitze viel breiter geworden." Lehmanns Gefühlslage ist deshalb nach dem ersten Triumph in der Nationenwertung seit 1989 signifikant besser. Er bezeichnet diesen als "grossartigen, ja vielleicht sogar den grössten und schönsten Moment in meiner Karriere als Funktionär".

"Das Resultat gibt uns recht"

Diese begann 2006 mit der Wahl ins Swiss-Ski-Präsidium, seit zwölf Jahren präsidiert er das Gremium nun. "Wir konnten unsere Vision von der Nummer 1 umsetzen, deshalb ist das natürlich ein Riesen-Moment." Für diese auch öffentlich erwähnte Vision ist Lehmann in der Vergangenheit teilweise belächelt worden. Trotzdem verspüre er nun im Moment des Triumphs keine Genugtuung. Es gebe von seiner Seite keinerlei Ressentiments, sagt Lehmann. "Wenn du aus dem Sport kommst, dann lernst du von Grund auf, dass deine Vision eigentlich das Unmögliche sein muss." Und genau im Sport sehe man immer wieder, wie jemand eben dieses Unmögliche realisiere. Der langjährige Swiss-Ski-Boss, dem auch grosse Ambitionen aufs FIS-Präsidium nachgesagt werden, fühlt sich in seiner Denkweise und insbesondere auch in seiner Haltung bestätigt: "Wir haben immer klar nach vorne und lösungsorientiert gearbeitet. Wir mussten konsequente und manchmal auch unpopuläre Entscheide treffen, was uns nicht nur einfach fiel. Aber am Schluss gibt das Resultat uns recht."

Das nun so abrupt erfolgte Saisonende findet Lehmann zwar "höchst bedauerlich. Aber wir haben nun offiziell eine Pandemie, und die Gesundheit steht über allen anderen Aktivitäten." Aufmerksam gemacht auf die diversen Statistiken, die alle die Schweiz vorne sehen, betont er, "dass wir den Sieg nicht gestohlen haben. Das Team konnte auch Ausfälle wie diejenigen von Marco Odermatt und Loïc Meillard auffangen. Da hätten noch zehn oder zwanzig Rennen mehr sein können. Das Resultat wäre gleich geblieben. Wir haben im Moment das stärkste Team - Punkt!" An diesem Fakt gebe es nichts zu rütteln.

Hoher, aber kein Millionen-Bonus

Swiss-Ski hat mit den Sponsoren leistungsbezogene Verträge abgeschlossen. Dank dem Triumph in der Nationenwertung gibt es zwar keinen Millionen-Bonus, "aber doch einen schönen sechsstelligen Franken-Betrag", wie Lehmann sagt. Dieses Geld - auszugehen ist von einem Betrag von rund 300'000 Franken - wird nicht einfach irgendwo im Verband versickern, "sondern es hilft dabei, unsere Strukturen noch stärker zu machen, mit dem Ziel, noch kompetitiver zu werden".

Dass die Schweizer Alpinen nun vom Jäger zum Gejagten werden könnten und im kommenden Winter eine Bestätigung abliefern müssten, so sieht es Lehmann keinesfalls: "Wir müssen gar nichts bestätigen. Solche Forderungen kommen von extern." Nun sei vielmehr kurz die Zeit, um "Freude zu haben und irgendwann noch ein Riesen-Fest mit allen Beteiligten zu feiern". An den kommenden Winter und mindestens bis 2024 zu denken, das habe man in den vergangenen Monaten bereits getan. "Wir müssen noch kompetitiver werden. Nach mir ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Das haben nun alle begriffen. Jetzt wollen wir erst recht noch mehr." (sda)

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