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Ski alpin

Weltcup-Final, Super-G Frauen, Zusatz

Mikaela Shiffrin ist zurück auf dem Weltcup-Thron. Die vierte grosse Kristallkugel entschädigt auch für das olympische Desaster.

Sie war im Wortsinn am Boden. Das Bild, das sie bei den Olympischen Spielen nach dem Ausscheiden im Slalom, nur zwei Tage nach dem Scheitern im Riesenslalom, zeigte, hatte Symptomatisches. Mikaela Shiffrin verstand die Welt nicht mehr - eine Welt, die so gar nicht mehr ihre war in jenen Tagen bei den Spielen in Peking, bei denen ziemlich alles schief gelaufen war, was schief laufen konnte.

Ausgerechnet unter den fünf Ringen passte gar nichts zusammen, beim Saison-Höhepunkt, für den sich die Amerikanerin immens hohe Ziele gesetzt hatte. Ausgerechnet bei den in ihrer Heimat meistbeachteten internationalen Wettkämpfen schlitterte sie von einer Enttäuschung zur anderen.

Null Medaillen! Noch schlimmer als die verheerende Bilanz war, dass Mikaela Shiffrin keine Gründe für ihren sportlichen Absturz nennen konnte. Sie war ratlos. "Ich weiss nicht, woran es gelegen hat. Ich weiss nicht, was ich ändern oder aus der Situation lernen soll." Sie brachte den Druck ins Spiel, die eigenen Erwartungen. "Vielleicht lag der Fokus zu sehr auf den Medaillen."

Fragen und Antworten

Mikaela Shiffrin reiste mit vielen offenen Fragen aus China ab. Doch scheinbar fand sie auch Antworten - oder zumindest einen Ansatz, das Unverständliche zu verstehen. Sie wollte nicht länger hadern, sie war bestrebt, die schlimmen Momente hinter sich zu lassen, nach vorne zu schauen. "Ich habe in meiner Karriere schon sehr viel gewonnen, und ich werde wieder gewinnen."

Trotzdem blieb vor der Rückkehr in den Weltcup-Alltag Unsicherheit. Vermag Mikaela Shiffrin das in China Erlebte innert nützlicher Zeit zu verarbeiten? Kann sie sich befreien von den Gedanken an den absoluten Tiefpunkt als Skirennfahrerin? Und, das vor allem, ist sie unter den gegebenen Umständen bereit für das Duell mit Petra Vlhova um den Sieg im Gesamtweltcup? Kann sie als mental angeschlagene Athletin gegen eine Konkurrentin bestehen, die sich nach ihrem Olympiasieg im Slalom im emotionalen Hoch befand?

Ja, Mikaela Shiffrin war bereit. Zweifel an ihrer Psyche wischte sie bei erster Gelegenheit weg. Die Abfahrt und den Super-G in Crans-Montana hatte sie zwar ausgelassen, doch in Lenzerheide war sie wieder jene Fahrerin, die sie während Jahren war, die selbst schwierigste Aufgaben mit scheinbarer Leichtigkeit zu lösen vermochte. Zweite war sie im Bündnerland im Super-G geworden.

Wichtiger als die 80 Punkte, mit denen sie aus einem Gleichstand mit Petra Vlhova einen Vorsprung von 67 Punkten machte, war ihr selbstredend die Bestätigung, dass sie den Tritt wieder gefunden hatte, dass die schlimmen Erlebnisse in Fernost keine tiefen Spuren in ihrem Seelenleben hinterlassen hatten.

Freuen und sinnieren

Die Basis war gelegt, um nach den gewaltigen Turbulenzen auf und abseits der Piste doch noch als Gewinnerin dazustehen. Als Siegerin der Abfahrt und Zweite im Super-G vollendete sie beim Finale in Courchevel das Werk, für das sie am Sonntag zum vierten Mal mit der grossen Kristallkugel ausgezeichnet wird, zum ersten Mal seit dem Unfalltod ihres Vaters Jeff vor gut zwei Jahren, der ihr Leben auf den Kopf und sogar ihr Tun als Spitzensportlerin in Frage gestellt hatte.

Die Erinnerung an ihren "Dad" kamen selbstredend auch im Moment ihres jüngsten Triumphs wieder hoch. "Es gab in dieser Saison viele grossartige Momente, aber auch solche, in denen ich so weit unten war wie noch nie in meiner Karriere - nicht nur als Skirennfahrerin, sondern auch als Mensch."

Die Augenblicke des Sinnierens mussten trotz aller Freude und Erleichterung über das versöhnliche Saisonende sein. Sie gehören zur neuen Welt der Mikaela Shiffrin. Zu einer Welt, die sie nunmehr wieder besser versteht. (sda)

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