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Ski alpin

Weltcup-Final, Interview Urs Lehmann

Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über Saison-Highlights, Wermutstropfen, aussergewöhnliche Fähigkeiten und wo im Verband intensive Gespräche anstehen.

Urs Lehmann, wie lautet Ihre Saisonbilanz?

"Es war eine hervorragende, ja gar eine sensationell starke Saison."

Warum gleich sensationell?

"Ich messe es einerseits an Olympia. Da mussten unsere Athletinnen und Athleten punktgenau bereit sein - und sie haben mit neun Medaillen brilliert. Wir waren da mit Abstand vorne. Aber andrerseits werte ich auch den Weltcup. Da sind wir breiter aufgestellt als zuvor, es gibt mehr, die aufs Podest fahren. Das ist cool, denn vor der Saison dachte ich, dass bei den Frauen vieles von den Top vier (Lara Gut-Behrami, Michelle Gisin, Wendy Holdener und Corinne Suter - Red.) abhängt. Doch dann gewinnt plötzlich auch Priska Nufer in Crans-Montana, oder fahren Jasmine Flury und Joana Hählen unter die ersten drei. Bei den Männern ist es ähnlich, und bei ihnen gibt es natürlich noch das absolute Highlight."

Welches?

"Wenn ein Schweizer den Gesamtweltcup gewinnen kann, dann ist das absolut grossartig. Marco Odermatt veredelt eine eh schon tolle Saison mit der grossen Kristallkugel zusätzlich."

Aber der Status als Skination Nummer 1 geht nach zwei Saisons höchst wahrscheinlich wieder verloren. Wie enttäuscht sind Sie?

"Es ist natürlich ein Wermutstropfen, dass wir nach zwei Siegen im Nationencup heuer wohl nur Zweiter werden. Ich habe mich dann gefragt, ob wir schwächer geworden sind? Und ich glaube eben das gerade nicht."

Doch, wenn man den Durchschnitt der gewonnenen Punkte pro Weltcup-Rennen nimmt.

"Ich möchte es jedoch positiv formulieren. Wir haben uns vielleicht um einen Schritt gesteigert, die Österreicher aber um deren zwei. Damit haben sie es geschafft, uns wieder zu überholen. Unser Niveau, ich sage es nochmals, ist als Team unverändert hoch. Zugleich haben wir diesen hohen Punktestand erreicht, ohne dass wir das Glück überstrapaziert haben. In der einen oder anderen Disziplin wäre durchaus mehr möglich gewesen."

An welche denken Sie?

"Vor allem an den Männer-Slalom. Da waren unsere Fahrer in diesem Winter nicht auf dem erhofften, konstant hohen Niveau. Da wurde das Potenzial nicht ausgeschöpft. Ich bin überzeugt, dass unsere Slalom-Spezialisten schon im nächsten Winter wieder viel stärker sein und viel mehr Punkte sammeln werden."

Bei den Frauen...

"...gilt es natürlich zu erwähnen, dass wir sehr glücklich sind, dass die vier Leistungsträgerinnen in dieser Saison so abliefern konnten. Das war aufgrund von Verletzungen und Krankheiten zu Beginn des Winters nicht selbstverständlich. Und wenn man sieht, dass Lara gleich zehn Rennen verpasst hat, dann sieht man, dass bei uns für nächste Saison noch Luft nach oben ist, und zwar mit den gleichen Athletinnen. Trotzdem befinden wir uns jetzt sehr eng auf den Fersen der Österreicher. Das macht mich stolz auf unser Team und gibt uns allen Zuversicht für den nächsten Winter. Umso mehr wir im Europacup die stärkste Nation waren und die zweite Garde näher an die Spitze gerückt ist.

Sie haben zuvor die Olympischen Spiele erwähnt. Neun Medaillen, fünf davon in Gold - das haben Sie sich wohl nur im Traum so vorgestellt im Vorfeld von Peking?

"Nein, nicht einmal das. Die Alpinen waren, zumindest nach Anzahl Goldmedaillen, so gut wie nie zuvor an Olympia. So war das nicht zu erwarten. Aber viele unserer Athleten konnten am Tag X ihre Bestform ausspielen. Diese aussergewöhnliche Fähigkeit, auf den Punkt bereit zu sein, schrieb man früher vor allem den Amerikanern zu. Doch bei uns ist sie nicht nur in Peking, sondern auch schon an den Grossanlässen zuvor, ebenfalls vorhanden gewesen. Immer wieder eine Schippe zulegen zu können, das gibt mir auch Zuversicht für die WM im nächsten Jahr."

Dann ist der Alpin-Bereich im Moment also genau so aufgestellt, wie Sie es sich erhoffen?

"Im Erfolg darf man einen Moment innehalten, diesen feiern und dann auch noch in die Ferien gehen. Aber danach geht es darum zu schauen, damit man sich entwickeln kann. Wenn du an der Spitze bleiben willst, dann darfst du nicht nachlassen. Wer aufhört, besser zu werden, der hat aufgehört, gut zu sein. Es geht bei uns jetzt eher um den Feinschliff, denn grundsätzlich ist der eingeschlagene Weg der richtige. Die Schlüsselstellen vom Alpin-Direktor zu den Chef- und weiteren Trainern sind genau richtig besetzt. Ich würde schon fast von einer Traum-Konstellation sprechen."

Warm anziehen müssen sich bei Swiss-Ski wohl eher Verantwortliche von anderen Disziplinen wie Langlauf, Skispringen und Biathlon. Sie gaben in Interviews nach Ende der Winterspiele klar den Tarif durch.

"Bei so vielen Disziplinen in einem Verband kann es nicht immer in allen gleich gut gehen. Aber klar, wir wollen überall zur Weltspitze gehören. Da gibt es allerdings zurzeit doch einige Disziplinen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Bei der einen oder anderen sind wir sogar etwas vom Weg abgekommen. Deshalb sind da aktuell auch intensive Gespräche am Laufen, als Beispiel kann ich Biathlon nennen. Da sind wir gerade auch im Hinblick auf die Heim-WM in drei Jahren gefordert. Das Team muss wieder an den Punkt zurückgeführt werden, an welchem wir richtig Freude haben können." (sda)

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