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Tour de France

Viele Fragezeichen vor der "Corona-Tour"

Bei der 107. Austragung der Tour de France sieht sich das britische Team um Vorjahressieger Egan Bernal herausgefordert von Jumbo-Visma und deren Leader Primoz Roglic und Tom Dumoulin.
War im vergangenen Jahr der jüngste Sieger der Tour de France seit 1909: der Kolumbianer Egan Bernal
Bild: KEYSTONE/EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Wer die wegen der Coronavirus-Pandemie um zwei Monate verschobene Frankreich-Rundfahrt gewinnen will, muss schon auf den ersten paar 100 der fast 3500 zu absolvierenden Kilometern sehr gut in Form sein. Die 1. Etappe am Samstag ist zwar noch auf die Sprinter zugeschnitten und endet auf der Promenade des Anglais in Nizza. Doch schon am Folgetag sind im gebirgigen Hinterland der Côte d'Azur zwei lange Pässe der 1. Kategorie zu befahren. Und bereits in der 4. Etappe steht in Orcières-Merlette die erste von vier Bergankünften an. Auch der weitere Verlauf der Tour, die am 20. September in Paris endet, ist ganz auf die Kletterer ausgerichtet. Ein Einzelzeitfahren steht erst am vorletzten Tag auf dem Programm. Dabei steigen die letzten 6 der 36 km stark an, Ziel ist die Vogesen-Anhöhe La Planche des Belles Filles.

Ein Parcours also, mit welchem neben dem französischen Hoffnungsträger Thibaut Pinot insbesondere auch die Topfavoriten Egan Bernal und Primoz Roglic sehr gut leben können. Der Kolumbianer war im vergangenen Sommer bei seinem Triumph erst 22,5 Jahre alt - jünger war seit 1909 kein Tour-de-France-Sieger. Bernal ist heuer bei Ineos, das ursprünglich auf eine Dreierspitze zählen wollte, unbestrittener Leader. Die ehemaligen britischen Sieger Chris Froome (2013, 2015 bis 2017) und Geraint Thomas (2018) stehen nach sehr durchzogenen Leistungen in den Vorbereitungsrennen nicht im Aufgebot.

Roglic: "Ich bin bereit"

Mit der niederländischen Equipe von Jumbo-Visma ist Ineos mittlerweile ein wohl ebenbürtiger Konkurrent erwachsen. Der aufgrund des Verletzungspechs des Vorjahres-Dritten Steven Kruijswijk jedoch auch nicht wie erhofft mit drei Leadern antreten kann. Um die zwei verbliebenen - Primoz Roglic und Tom Dumoulin - gibt es zudem Fragezeichen. Der Slowene Roglic hinterliess seit dem World-Tour-Wiederbeginn am 1. August von allen Fahrern zunächst den stärksten Eindruck. Doch vor knapp zwei Wochen kam der 30-Jährige in der vorletzten Etappe des Critérium du Dauphiné zu Fall und musste das Rennen aufgeben. Danach war von Hüftproblemen zu vernehmen. Doch am Donnerstagvormittag meldete Roglic aus Nizza: "Die gute Nachricht ist: 'Ich bin hier und bereit.'"

Sein Teamkollege Dumoulin, Tour-Zweiter 2018 und Giro-Sieger 2017, visiert ebenfalls den Gesamtsieg an. Obwohl er aus den letzten 14 Monaten nur acht Renntage in den Beinen hat. Zunächst galt es für den 29-jährigen Niederländer langwierige Schmerzen im linken Knie zu kurieren, danach ging wegen Corona nichts mehr auf der World Tour. "Ich bin zufrieden, wie es mir in der Tour de l'Ain (11. Platz) und dem Dauphiné (7.) lief. Während diesen Rennen hat sich meine Form verbessert und fand ich auch den Rhythmus."

Eine Reise ins Ungewisse

Die 107. Frankreich-Rundfahrt wird zu einer Tour ins Ungewisse. Wie der vierfache Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin mit Bezug auf die steigenden Infektionszahlen in Frankreich im dpa-Interview sagte, "schwebt das wie ein Damoklesschwert über uns. Jeder Tag kann der letzte sein." Teile Südfrankreichs wie auch die Hauptstadt Paris werden von mehreren europäischen Staaten als Corona-Risikogebiet eingestuft. Dennoch plant der Tour-Organisator ASO mit einer limitierten Anzahl an Zuschauern, die am Strassenrand und bei den Zielankünften stehen dürfen.

"Eine Tour hinter verschlossenen Türen macht keinen Sinn", sagt der Tour-Direktor Christian Prudhomme. Damit die für den Radsport so wichtige Frankreich-Rundfahrt überhaupt stattfinden kann, nehmen die 22 Teams ein striktes Massnahmekonzept auf sich. Die jeweils acht Fahrer mit ihrer Entourage, was 25 bis 30 Personen ergibt, müssen sich möglichst von äusseren Einflüssen abschotten, ausser im Rennen konsequent Schutzmasken tragen und in einer eigenen Blase leben. (sda)

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