Er fährt in diesem Jahr allen davon. Dass Max Verstappen den zweiten WM-Titel seiner Karriere gewinnen wird, ist nur noch eine Frage der Zeit. Nach fünf Rennsiegen in Folge könnte der holländische Ausnahmekönner am Sonntag mit einem Sieg in Singapur (14 Uhr, SRF 2) bereits sechs Rennen vor Schluss zum Weltmeister werden. Allerdings noch nicht aus eigener Kraft: Gewinnt Verstappen, darf Ferrari-Pilot Charles Leclerc maximal neunter werden (achter, sollte sich der Holländer auch den Extrapunkt für die schnellste Rennrunde holen). Zudem darf Teamkollege Sergio Perez nicht aufs Podest fahren.
Rechnerisch wäre theoretisch noch alles möglich, vor einer ernsthaften Gefahr im Kampf um den Titel muss man sich bei Red Bull aber nicht mehr fürchten. Und das obwohl es vor Beginn der Saison hiess, die Veränderungen an den Autos würden für mehr Spannung und eine «Revolution» in der Formel 1 sorgen. Die ersten Tests und Rennen der Saison zeigten schnell; Mercedes der Dominator und Serien-Gewinner der letzten Jahre schaffte es mit den neuen Regeln nicht, ein genug konstantes Auto zu konzipieren, das um den Weltmeister-Titel mitfahren kann.
Ferraris verheissungsvoller Start
Ganz anders sah es beim italienischen Traditionsrennstall Ferrari aus. Nach einem verheissungsvollen Start in die Saison mit einem Doppelsieg in Bahrain und weiteren Podiumsplätzen in den nächsten Rennen, stiegen bei so manch einem Tifoso der Scuderia die Hoffnungen. Es schien, als könnte man nach langer Zeit – der letzte Triumph liegt 15 Jahre zurück –wieder vom Titel träumen. Allzu lange hielt diese Hoffnung jedoch nicht an, die roten Boliden und deren Strategen stellten sich im Laufe der Saison als zu unzuverlässig heraus. Zu oft nutzte man die guten Resultate aus den Qualifyings tags darauf in den Rennen nicht. Nachdem am Grossen Preis von Aserbaidschan beide Ferraris in aussichtsreicher Position das Rennen mit Motorproblemen aufgeben mussten und Max Verstappen so das Rennen ungefährdet gewann, wurde der Punkteabstand des Titelverteidigers Verstappen auf Ferraris Hoffnungsträger Charles Leclerc erstmals erheblich. Ferraris Titelträume verschwanden in den darauffolgenden Rennen so schnell wie sie aufkamen.
Nicht nur der Motor seines Ferrari F1-75 liess Leclerc im Kampf um den Titel hängen. Immer wieder heckten die Strategen um Ferrari Team-Chef Mattia Binotto absurde Strategien aus und wirkten in der Kommunikation mit den eigenen Fahrern überfordert. Aber auch Charles Leclerc trägt eine Mitschuld am Scheitern der Scuderia. Zu oft vergab er mit Fahrfehlern selbst wichtige Punkte, während der gleichaltrige Verstappen in seinem RB18 abgebrühter agierte.
Verstappen selbst glaubt nicht, dass er sich bereits in Singapur den Titel sichert: «Ich brauche eine Menge Glück, damit es hier passiert, also rechne ich nicht wirklich damit,» sagt er. Zu gut sind die Ferraris dieses Jahr auf engen Stadtkursen mit vielen Kurven. Aber wenn uns diese Saison eines gelehrt hat; auf Ferrari ist kein Verlass. Beachtet man die Unzuverlässigkeit Ferraris und die spektakuläre Streckenführung in Singapur, welche schon für etliche chaotische Rennen gesorgt hat, scheint eine vorzeitige Entscheidung zugunsten Verstappens gar nicht mehr so unwahrscheinlich.
Das härteste Rennen des Formel 1-Kalenders
Singapur gilt unter den Fahrern als eines der anspruchsvollsten Rennen auf dem Formel 1-Kalender. Die Fahrer werden hier physisch und mental an ihre Grenzen getrieben. Auf einer der kurvenreichsten Strecken ist stets höchste Konzentration gefordert. Die kurzen Geraden, auf denen Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h erreicht werden, lassen kaum Zeit zum Verschnaufen. Hinzu kommt das tropische Klima, welches auch abends für Temperaturen um die 30 Grad Celsius sorgt. Die Hitze in Kombination mit der hohen Luftfeuchtigkeit bringt die Fahrer gehörig ins Schwitzen. Siebenfacher Weltmeister und Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton verglich die Temperaturen einst so:
«Stellen sie sich vor, wie es wäre, mit einem feuerfesten Anzug und einem Helm in einer Sauna zu sitzen und dann noch ein paar Liegestütze zu machen.»
Die Sauna ist tatsächlich ein essenzieller Bestandteil in der Vorbereitung der Fahrer im Hinblick auf den Grossen Preis von Singapur. Ein von Carlos Sainz auf Instagram veröffentlichtes Video zeigt den Spanier wie er seinen Körper in einer Sauna auf einem Spinning Bike an die heissen Temperaturen gewöhnt.
Für eine Abkühlung der Fahrer und Spannung bei den Zuschauern könnten die für Sonntag vorhergesehenen Gewitter sorgen. Ob mit oder ohne Gewitter, Spektakel ist in Singapur garantiert.