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Analyse zum Zustand der Schweizer Nationalmannschaft

Schade für die Schweiz, beginnt die WM nicht schon morgen

Spätestens mit den jüngsten Siegen gegen Spanien und Tschechien hinterlässt die Schweizer Nationalmannschaft einen guten Eindruck. Für sie und ihren Trainer Murat Yakin könnte die WM jetzt schon beginnen. Denn niemand weiss, was in knapp 50 Tagen sein wird.

Die Schweizer Mannschaft scheint jetzt bereit.
Bild: Bild: Gian Ehrenzeller/AP

Spät wurde es am Dienstagabend für die Schweizer, ehe alles gesagt war. Die Gespräche drehten sich um Zuversicht, Selbstvertrauen, die Form. Um Spielglück, «dreckige» Siege, die kommenden Wochen. Dann verabschiedeten sich die Nationalspieler in alle Himmelsrichtungen, es störte sie nicht, dass sie mit den Liftanlagen im St.Galler Kybunpark in etwa die gleich grossen Probleme hatten wie davor mit den Tschechen. Weil sie mit positiven Gefühlen ihrer Wege gingen, und im Wissen: Wir sehen uns bald für die WM wieder.

Leider erst dann.

«Reif und konzentriert» verlief dieser Zusammenzug, sagt Murat Yakin. Unter ihm als Nationaltrainer war es wohl der beste. So braucht es wenig Fantasie, um festzustellen: Es stimmt derzeit vieles. Nicht nur wegen der zuletzt drei Siege in Serie in der Nations League – notabene gegen Widersacher unterschiedlichen Kalibers, mit der Schweiz wahlweise in einer Aussenseiter- oder Favoritenrolle. Sie bewies in einer schwierigen Gruppe trotz teilweisen Nachlässigkeiten abermals ihre Widerstandsfähigkeit, das lässt für die WM hoffen; dort ist der Parcours mit Serbien, Brasilien und Kamerun nicht leichter.

Dass sich die Schweizer gerade in einem prächtigen Modus befinden, hierfür sprechen weitere Komponenten. Yakin und sein Captain Granit Xhaka haben sich nach den Anlaufschwierigkeiten in den ersten Monaten des Jahres gefunden, ihr gemeinsames Bild wird stimmiger. Manche Akteure sind nach den Sommerferien bereits in Form. Zumal jene nun erstmals beim Brötchengeber «erarbeitet» werden muss und nicht, wie üblicherweise vor einem EM- oder WM-Turnier, mit dem Nationalteam in einem längeren Trainingslager.

So viel Spielpraxis wie möglich

«Das Beste ist, wenn jeder von uns so viele Spiele wie möglich macht», sagt Manuel Akanji. Für die Form, zu der auch die Matchhärte zählt, ist letztlich jeder Akteur selbst verantwortlich. Natürlich hofft Yakin, dass seine Spieler gesund bleiben. Und nicht zuletzt wurde einmal mehr offenbar, dass die Schweiz als Einheit daherkommt, der Teamgedanke über allem steht – in Frankreich wird das anders gehandhabt. So sagt auch Xhaka:

«Wir kämpfen füreinander, noch viel mehr als zuvor. Wir haben keine Ronaldos und Messis in der Mannschaft, wir funktionieren nur, wenn wir miteinander arbeiten.»

Überdies steht die Formation in dem von Yakin bevorzugten 4-3-3, wahlweise mit einem oder zwei Achtern, grossmehrheitlich. Das Gerüst bildet Yann Sommer im Tor, der im Schnitt jeden vierten Penalty pariert. Akanji im Abwehrzentrum ist Weltklasse und macht Mitspieler besser. Xhaka ist der Leader, Xherdan Shaqiri mit seinen 56 Skorerpunkten unabkömmlich und Breel Embolo gesetzt als Stossstürmer; er kann den Ball auch vertikal behaupten.

Natürlich ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Drei Beispiele: Denis Zakaria muss bei Chelsea zulegen, sonst droht im Nationalteam den Westschweizern eine Wüste. Ebenso Haris Seferovic bei Galatasaray, der «verletzlich» wirkt. Auch Nico Elvedi kannte schon bessere Tage, wenigstens hat er im Klub Rhythmus. Yakin wünscht sich vor allem «eine WM ohne Nebenschauplätze», wie er das jüngst formulierte. Die Grundlage dafür ist geschaffen. Aber nicht mehr, weil niemand weiss, in welchem Zustand die Spieler zurückkehren in 46 Tagen. Wie ergeht es Embolo in Monaco, Xhaka mit Arsenal, oder Remo Freuler bei Nottingham?

All diese schönen Dinge auf der einen, und diese Ungewissheiten wie Unwägbarkeiten auf der anderen Seite lassen einen feststellen: Schade, beginnt die WM nicht schon morgen.

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