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Reichmuths Drama und drei Neukranzer

Die Innerschweizer stellen am Eidgenössischen sieben Kranzschwinger. Drei junge Schwinger dürfen sich jetzt Böse nennen.

René Meier, Claudio Zanini

Die erste Hälfte des Eidgenössischen Schwingfests in Pratteln prägte Pirmin Reichmuth: Fünf Siege reihte der 26-jährige Zuger aneinander. Dabei revanchierte er sich auch bei Christian Stucki. Der Berner zeigte dem Zuger in der heimischen Arena vor drei Jahren den Meister und nahm ihm im ersten Gang das Selbstvertrauen.

In Pratteln 2022 war zu Beginn alles anders, alles besser aus Reichmuths Sicht. «Es klingt blöd, aber ich habe gewusst, dass ich Stucki nehme», sagte er. Mit «nehmen» meinte er besiegen. Er «nahm» ihn eindrücklich. Mit einem kräftigen Kurz hob der 1,98 Meter grosse Innerschweizer den ebenso gross gewachsenen, aber noch etwas schwereren Berner aus den Angeln.

Schwingexperte: «Für mich ein klarer Fehlentscheid»

Es hatte eine gewisse Ironie, dass neben Christian Stucki ausgerechnet Pirmin Reichmuth den ersten Tag so wesentlich prägte. Reichmuth kam wieder einmal aus einer gravierenden Verletzung Anfang Juli, gab ein starkes Comeback – und fiel dann doch wieder aus. Die Wende brachte der sechste Gang und die Niederlage gegen Fabian Staudenmann. Und dann kam dieser siebte Gang. Ein siebter Gang, der zu reden gab und gibt. Der Innerschweizer bodigte Bernhard Kämpf bereits nach drei Sekunden, doch Kämpf wehrte sich.

Die Entscheidung des Kampfrichters: Kämpfs Schultern waren nicht gleichzeitig auf dem Boden. Die TV-Bilder zeigten aber, dass Kämpf wohl mit beiden Schultern im Sägemehl war. Für SRF-Experte und Schwingerkönig Jörg Abderhalden war die Sache klar: «Für mich ist das ein Fehlentscheid. Wenn er über beide Schultern abrollt, ist das ein Resultat.» Hätte Reichmuth gewonnen, wäre er mit grösster Wahrscheinlichkeit im Schlussgang gestanden. Doch er wurde von Bernhard Kämpf bezwungen.

Ganz anders war die Gemütslage bei Sven Schurten­berger, der seinen dritten eid­genössischen Kranz holte. «Ich bin froh, einen Kranz gewonnen zu haben», sagte der 30-Jährige aus Buttisholz. Er habe das Fest «in seiner ganzen Dimension geniessen können». Und weiter: «Wir sind uns in der Innerschweiz schon gewohnt, vor vielen Zuschauerinnen und Zuschauern zu schwingen. Aber das hier sprengt alles.» In Sörenberg musste er das Bergschwinget wegen Bauchschmerzen und Atemnot aufgeben, auch am Wochenende lief Schurtenberger das eine oder andere Mal am Limit: «Ich hatte immer wieder extrem Mühe zu atmen.» Er sei deswegen in Behandlung, er probiere alles aus, auch Yoga.

Zu einer eigentlichen Wachablösung kommt es in Obwalden und Uri: Jonas Burch (aus Stalden) und Matthias Herger (Altdorf) holen zum ersten Mal einen Kranz, während die Eidgenossen Benji von Ah (35) und Andi Imhof (37) leer ausgehen. Burch konnte sich bei seinem letzten Kampf gegen den Eidgenossen Florian Gnägi eine glatte 10 schreiben lassen. «Ich habe immer daran geglaubt», bilanzierte Burch hinterher. Ist Burch nun der neue, starke Schwinger aus Obwalden? «Es sieht ganz danach aus», sagte der 22-jährige Forstwart mit einem Schmunzeln. Er freue sich, «eine Lücke schliessen zu können». Er werde nun mit seinen Teamkollegen noch etwas feiern. Wie lange, wisse er noch nicht, er habe aber zwei Tage freigenommen.

Zu feiern hatte auch Matthias Herger: «Es fühlt sich absolut schön an. Ich hatte schon im Kopf, einen Kranz zu gewinnen. Dass es nun geklappt hat, ist genial.» Erst im Mai hatte sich der 22-Jährige das Kreuzband gerissen. Normalerweise dauert es sechs bis acht Monate, bis man wieder ins Sägemehl steigen könne. «Ich bin erstaunt, dass das Knie so gut gehalten hat», sagte Herger. Drei Niederlagen und fünf Siege stehen zu Buche. «Intensiv, streng und schön war’s», sagt der Neukranzer und zog von dannen.

Auch Joel Ambühl (Hergiswil bei Willisau) gehört zu den Neukranzern. Der 24-Jährige siegte viermal, stellte gegen die Eidgenossen Kilian Wenger, Roger Rychen und verlor nur gegen Philipp Roth. Auch Mike Müllestein durfte sich einen weiteren eidgenössischen Kranz aufsetzen lassen. Der 33-Jährige aus Steinerberg demonstrierte in Pratteln einmal mehr seine Klasse, blieb er doch ungeschlagen.

Insgesamt fällt die Innerschweizer Bilanz eher mager aus. So verpassten etwa die Eidgenossen Erich Fankhauser und Christian Schuler einen Kranz.Nach 14 Kränzen 2016 in Estavayer und 13 Kränzen 2019 in Zug müssen sich die Innerschweizer mit sieben Kränzen begnügen. Ein Trost bleibt: Joel Wickis Titel überstrahlt alles, selbst die Kranzbilanz.

Rang 4c

 

Rang 8a

 

 

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