Sven Aregger
Hans-Peter Strebel, Sie sind seit Jahrzehnten ein leidenschaftlicher Eishockeyfan. Wie verbringt man eigentlich den Sommer ohne seinen Lieblingssport?Ich befasse mich auch in der spielfreien Zeit andauernd mit Hockey. Im EVZ gibt es immer wieder Organisatorisches zu klären. Und natürlich hält mich das OYM, das Kompetenzzentrum für Spitzenathletik und Forschung, auf Trab. Für Zug war der Sommer besonders lang, weil die Saison schon im Playoff-Viertelfinal endete. Was muss besser werden?Im Sport ist die Planbarkeit schwierig, man darf nicht vergessen, dass in den Playoffs jeder jeden schlagen kann. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Unsere Vision ist, möglichst viele Eigengewächse im National-League-Team zu integrieren. Das ist nicht von heute auf morgen realisierbar, das braucht Zeit. Einerseits haben wir 2014 die Academy lanciert, in der junge Spieler neben der Eishockey-Ausbildung eine KV-Lehre absolvieren. Anderseits haben wir 2016 das Farmteam in der Swiss League ins Leben gerufen, damit für die Talente der Sprung in die National League weniger gross ist. Hinzu kommt das OYM, das wir Anfang 2020 eröffnen. Es wird uns einen Schub geben. Das OYM dient dem Spitzensport. Welchen Nutzen sehen Sie konkret darin?Die Infrastruktur und die Inhalte werden europaweit einmalig sein. Wir erstellen eine ganzjährig betriebene Eishalle, die ausschliesslich vom EV Zug genutzt wird. Ich habe darüber mit Captain Raphael Diaz gesprochen. Er betonte, wie wichtig ein Eistraining auch in der Off-Season ist – für das Puck-Handling, für die ganze Feinmotorik. Die beiden Teams der National League und der Swiss League, die Elite-Junioren und die Novizen werden im OYM auf allen Ebenen betreut. Ihnen stehen unter anderem mehrere Schussanlagen zur Verfügung. Speziell ist auch ein Laufband, das mit Schlittschuhen und Puck benutzt werden kann. So lässt sich nicht nur die Skating-Technik optimieren, auch Schusstrainings bei einem Tempo bis zu 30 km/h sind möglich. Das OYM beschränkt sich aber nicht auf hockeyspezifische Einrichtungen.Richtig, wir erstellen einen 3000 m2 grossen Athletikbereich mit modernsten Geräten, ein Restaurant, das auf die Ernährung für Spitzensportler spezialisiert ist, und 25 Doppelzimmer für auswärtige Sportler, die ein paar Tage bei uns trainieren wollen. Weiter gibt es eine Dreifachturnhalle – die einzige in der Schweiz, die über einen Glasboden verfügt. Die Linien werden mit LED-Lampen beleuchtet – je nachdem, welche Sportart gerade trainiert wird. Auch Physiotherapeuten werden vor Ort sein. Wie gross ist die Nachfrage?Sehr gross, wir führen derzeit Gespräche mit vielen Sportverbänden. Am Anfang wurde das OYM als Fitnesscenter wahrgenommen, aber das trifft überhaupt nicht zu. Hier ist ein Training auf wissenschaftlicher Basis möglich, dass den individuellen Bedürfnissen der Sportler gerecht wird. Es dient ausschliesslich Spitzenathleten und jungen Leuten auf dem Weg zur Profikarriere. Wir sind überzeugt, dass wir die Sportler im Athletikbereich auf ein absolutes Spitzenniveau heranführen können. Ob sie das Talent haben, sich in ihrer jeweiligen Sportart zu etablieren, ist aber eine andere Frage. Sie realisieren das OYM als Privatperson. Stimmt es, dass sich die ursprünglich budgetierten Kosten von 50 Millionen Franken verdoppelt haben?Wir haben anfänglich nur von den 50 Millionen für den Bau gesprochen. Hinzu kamen der Landkauf und die Einrichtung. Jetzt stehen wir bei rund 100 Millionen Franken. Das OYM muss für Sie eine Herzensangelegenheit sein. Wenn es das nicht wäre, könnte man ein solches Projekt vergessen. Man muss mit Feuer, mit Begeisterung dabei sein. Ich habe zwei Söhne, die ebenfalls sehr sportaffin sind. Wenn ich eines Tages nicht mehr lebe, werden sie das OYM in meinem Sinn weiterführen. Das ist eine gute Ausgangslage. OYM, Hockey Academy, Farmteam: Zug scheint für die Zukunft bestens gerüstet zu sein. Davon bin ich überzeugt. Der EV Zug wird im Eishockey eine Macht sein. Es sollen nicht nur die ZSC Lions, Bern oder Lugano das Sagen haben. Je mehr Teams auf Augenhöhe agieren, desto spannender wird die Meisterschaft. Das ist positiv für das Schweizer Hockey.Wo sehen Sie den EV Zug in zehn Jahren?Er wird wahrscheinlich die meisten jungen Spieler auf den Schweizer Markt bringen. Es gibt ja Klubs, die lieber mehr Ausländer beschäftigen würden. Diesen Ansatz finde ich falsch, vier Ausländer pro Team genügen. Eine Ausweitung auf sechs oder noch mehr Ausländer würde praktisch den Todesstoss für unsere Nationalmannschaft bedeuten. Woher nehmen wir dann die Spieler fürs Nationalteam? Und in welchen Klubs sollen junge Schweizer noch einen Platz finden? Der Schaden, der entstehen könnte, wäre nicht leicht rückgängig zu machen. Das Problem ist, dass Schweizer Spieler immer teurer werden, weil die Nachfrage grösser ist als das Angebot. Genau deshalb brauchen wir Top-Infrastrukturen und gut geschultes Personal für die Ausbildung von klubeigenen Spielern. Wir müssen unsere eigenen Talente fördern – und davon gibt es bestimmt genug. Ihr Anliegen ist Nachhaltigkeit. Wurde letzte Saison beim EVZ der angestrebte Einbau von jungen Spielern in der National League vernachlässigt?Trainer Harold Kreis, von dem wir uns im Frühling getrennt haben, ist ein sehr überlegter und angenehmer Mensch, ich habe mit ihm viele gute Gespräche geführt. Aber er hat unsere Nachwuchsstrategie nicht mit Herzblut vertreten. Er sagte zwar, dass er Junge einbinden wolle, aber als es darauf ankam, hatte er Angst davor. Ich kann das verstehen, er kommt aus einer Generation, die darauf nie grossen Wert legte. Der neue Headcoach Dan Tangnes denkt ganz anders, er hat die Nachwuchsphilosophie bei seinen Engagements in Schweden voll mitgetragen. Welchen Eindruck haben Sie von Tangnes?Der Eindruck ist hervorragend. Er steht ganz hinter unserer Vision, bringt neue Ideen ein und ist auch Feuer und Flamme für das OYM. Die Ansprüche sind hoch, Tangnes soll den Nachwuchs fördern und mit seinem Team gleichzeitig um den Meistertitel spielen. Kann dieser Plan funktionieren?Sehr wichtig ist, dass wir einen Goalie der Extraklasse haben. Glücklicherweise fanden wir mit Leonardo Genoni einen Torhüter, der uns Ruhe ermöglicht auf dieser Position. Wir brauchen Topspieler mit Vorbildfunktion, an deren Seite sich die Jungen weiterentwickeln können. So kann ein schlagkräftiges Team entstehen. Mit der Verpflichtung von Genoni ab 2019 hat der EVZ seine Ambitionen klargestellt. Genoni ist der beste Schweizer Goalie und hat dementsprechend seinen Preis. Sind für Sie Investitionen in den Spitzensport nach wie vor kein Thema?Nein, ich beteilige mich nicht beim Einkauf von Spielern, ich investiere nur in die Nachwuchsförderung und in die Entwicklung. Wenn wir mit unserer Strategie erfolgreich sind, wovon ich fest ausgehe, ist die Zukunft des EV Zug gesichert.Dieser Artikel erscheint am Mittwoch, 19. September, in unserem Magazin «Bully» zum Saisonstart des EV Zug. Das Magazin liegt der «Zuger Zeitung» bei und kann zudem am LZ Corner an der Maihofstrasse 76 in Luzern sowie bei unseren Redaktionen in Zug, Stans, Sarnen und Altdorf gratis bezogen werden. Abonnenten können das «Bully» per E-Mail bestellen: redaktion@luzernerzeitung.ch. Das Magazin wird auf unserer Website auch als PDF-Datei abrufbar sein.