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Para-Sport, Paralympics, China

Die Chinesen räumen bei den Winter-Paralympics im eigenen Land ab. Dank dem Heimvorteil. Auch dank Doping und Schummeleien? Der Erfolg ist vielschichtig. Und er hat vor allem viel mit finanziellen Möglichkeiten, Professionalisierung und Leidenschaft zu tun.

Es ist schön, wenn man den Heimvorteil hat, man muss ihn aber auch nutzen. 31 Medaillen hat das chinesische Team an den Paralympics im eigenen Land bisher gewonnen, davon 10 Mal Gold. Zum Vergleich: Vor vier Jahren in Pyeongchang war es einmal Gold für das Curlingteam. Und das war die erste Medaille, die China bei Winter-Paralympics überhaupt geholt hat.

"Der wichtigste Grund für das gute Abschneiden sind die kontinuierlichen Bemühungen von Sportlern mit Behinderungen und ihr starker Wunsch, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen", sagte Yang Shu’an, Vizepräsident des OK "Beijing 2022" (BOCOG), gegenüber der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua.

Hört man sich bei Athletinnen und Athleten sowie Betreuern der anderen teilnehmenden Nationen um, steckt auch noch anderes hinter dem überragenden Abschneiden der chinesischen Delegation. "Die chinesische Regierung will den Wintersport ins Land bringen", sagt Roger Getzmann, der Schweizer Chef de Mission. "Dazu gehören sportliche Erfolge, und das eben auch bei den Paralympics."

Tatsächlich wurden in China seit der Vergabe der olympischen und paralympischen Spiele die Aktivitäten im Wintersport massiv ausgebaut, unterstützt von Geldern vom Staat. BOCOG-Sprecher Zhao Weidong sagt: "Seit 2016 haben wir die Zahl der Wettkämpfe im Para-Sport im Winter kontinuierlich stark ausgebaut, die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stieg in dieser Zeit von 10'000 auf mehr als 300'000."

Welches Potenzial da schlummert, lässt sich erahnen, wenn man weiss, wie viele Menschen mit Behinderung in China leben. Craig Spence, Sprecher des Internationalen Paralympischen Komitees, schätzt die Zahl auf 83 bis 85 Millionen. "Es war allen klar, dass China versuchen wird, bei diesen Paralympics so erfolgreich wie möglich zu sein", sagt Getzmann. "Dass sie es tatsächlich in diesem Ausmass sind, das ist schon erstaunlich."

Getzmann weiss natürlich auch um die Mutmassungen, die in der Szene aktuell zu hören sind. Da geht es um angeblich fragwürdige Klassifizierungen von einzelnen Athletinnen und Athleten. Etwa bei Super-G-Sieger Liang Jingyi, der mehrfach neu klassifiziert wurde. Der Zweitplatzierte, der Österreicher Markus Salcher, sagte gegenüber der Zeitung "Standard", dass dies ärgerlich sei, "aber er ist am Start und ein verdienter Sieger".

Doping? Gerüchte, aber keine Beweise

Und es geht, natürlich, um das Thema Doping. "Es gibt viele Gerüchte", sagt Getzmann zu den Diskussionen um Klassifizierungen und verbotene Substanzen. Aber: "Solange es dafür keine Beweise gibt, sind es nicht mehr als Gerüchte."

Was zum grossen Erfolg sicherlich beigetragen hat, ist die Pandemie. Einerseits konnten sich die Chinesen so im internationalen Zirkus rar machen und mussten sich dafür gar nicht gross erklären. Um dann plötzlich da zu sein, ohne dass die Konkurrenz genau wusste, wo die Chinesen leistungsmässig stehen.

Was aber fast noch wichtiger sein dürfte: "Praktisch alle Testevents auf den paralympischen Anlagen mussten in den vergangenen zwei Jahren wegen Covid abgesagt werden", so Getzmann. Das ist nun tatsächlich ein Heimvorteil. Die Rennstrecken, Loipen und Icerinks gehörten den Chinesen quasi alleine, alle anderen mussten sich daran erst gewöhnen.

50 Tage Höhentraining

Im Langlauf kamen am Mittwoch im Sprint die Medaillen Nummer 28 bis 31 dazu. Für den Schweizer Luca Tavasci, der die Halbfinals verpasste, ist das keine Überraschung: "Sie arbeiten derart professionell, das ist eine ganz andere Ebene als wir sie in der Schweiz haben." Seine Trainerin Sandra Gredig findet es sogar sehr interessant, was hier in China gerade passiert. "Nur ein Beispiel: Die Langläufer waren einmal 50 Tage auf 2000 Metern und haben hart trainiert", sagt sie.

Wer das übersteht, ist top in Form, wer nicht, muss halt gehen. Zudem wurden sehr viele gute und erfahrene russische und belarussische Trainer engagiert. Auch der Schweizer Kaspar Wirz habe nach Pyeongchang 2018 und bis zur Pandemie wertvolle Aufbauarbeit geleistet. Insgesamt findet es Gredig sehr spannend, zu sehen, was möglich ist, wenn tatsächlich Geld, Zeit und Leidenschaft investiert wird. So ist es eben doch mehr als bloss der Heimvorteil - oder Doping und Schummeleien. (sda)

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