Es sind hässliche Szenen, die sich am Vorabend des Conference-League-Matchs Anderlecht gegen YB vom 25. August im Zentrum Brüssels abspielen: Wie aus dem Nichts taucht eine Horde schwarz gekleideter und teils vermummter Hooligans des RSC Anderlechts auf und greift die Fans der Berner Young Boys an, die gerade auf der Terrasse der Brasserie Falstaff etwas essen. Die YB-Fans flüchten nach drinnen. Aus beiden Richtungen fliegen Stühle und Tische durch die Fensterscheiben. Mobiliar geht zu Bruch. Faustschläge und Fusstritte werden ausgetauscht. Unbeteiligte Gäste flüchten in Panik. Das Personal versteckt sich.
Fünf bis zehn Minuten dauert der Spuck. Zurück bleibt ein Bild der Verwüstung. Und ein aufgelöster Wirt: «Warum um alles in der Welt haben sie sich gerade mein Café ausgesucht?», fragt sich Emilio Shoaib. Sein Sohn Dennis ergänzt: «Der Schaden dürfte nach ersten Schätzungen in die hunderttausende Euro gehen. Es ist eine Katastrophe».
Café-Besitzer klagt: «Ich stehe vor einem Haufen Probleme»
Denn man muss wissen: Das Falstaff ist nicht irgendeine Beiz, sondern eines der ältesten und bekanntesten Jugendstil-Cafés in der belgischen Hauptstadt. 1903 eröffnet steht es seit über 20 Jahren auf der Liste der denkmalgeschützten historischen Bauten. Die ikonischen Buntglasfenster sind 120 Jahre alt und können nicht mehr reproduziert werden. Die nun mehr zersplitterten Art-Deco Elemente der Fassade sind Einzelstücke und auch die kaputten Tische und Stühle im Innenraum gehören zur Original-Einrichtung. Sogar der Parkettboden, der ebenfalls Schaden genommen hat, ist denkmalgeschützt.
Wie es jetzt weitergehen wird, weiss Café-Betreiber Emilio Shoaib noch nicht: «Ich stehe vor einem grossen Haufen Probleme». Die Behörden führen eine Untersuchung und die Versicherungsleute klären ab, was unter die Deckung fällt. Aber auch wenn Shoaib nur Mieter und nicht Eigentümer des Gebäude ist: Klar ist schon jetzt, dass er auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben wird. Dazukommen Geschäftseinbussen, da das Café von aussen aussieht, als wäre es eine Baustelle und das auch noch während Monaten so bleiben wird. Dass die Anderlecht-Fans unterdessen eine Sammelaktion gestartet und über 7000 Euro für das Falstaff zusammengekratzt haben, ist nur ein schwacher Trost. Ob Shoaib das Geld annehmen wird, ist aus versicherungstechnischen Gründen ohnehin noch unklar. Sohn Dennis verweist auf die Anwälte, die sich der Sache angenommen haben.
Von den YB-Fans hat das Falstaff allerdings noch gar nichts gehört. Auch wenn die Aggression nicht von ihnen ausging, so sehen die Shoaibs die Berner ebenfalls in der Verantwortung. Dies, auch weil sie wissen, dass das Ganze mit dem Angriff von YB-Fans auf die Gäste aus Anderlecht am Vortag des Hinspiels in Bern durchaus eine Vorgeschichte hat. Was sie nun von den Schweizern erwarten würden? Die YB-Fans könnten ja einen Vertreter nach Brüssel schicken, der sich mit ihnen in Verbindung setze. «Eine persönliche Entschuldigung wäre wenigstens ein Anfang», sagt Dennis Shoaib.