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Sport

Marco Odermatt und Niels Hintermann sorgen in Bormio für einen Erfolg mit absolutem Seltenheitswert

Zwei Schweizer Abfahrer auf einem Weltcuppodest und keiner von ihnen heisst Beat Feuz – das gab es zum letzten Mal vor genau zehn Jahren.
Einst Schulkollegen im Gymnasium, jetzt erstmals gemeinsam auf dem Weltcuppodest: Marco Odermatt (li.) herzt Nils Hintermann. (Andrea Solero/EPA)

Rainer Sommerhalder, Bormio

Ist es nur eine Momentaufnahme? Oder das Zeichen einer anstehenden Wachablösung? Mit Marco Odermatt auf Platz 2 und Niels Hintermann auf Platz 3 feiern in Bormio zwei junge Schweizer Abfahrer ihre bislang grössten Erfolge in der Königsdisziplin des alpinen Skisports. Teamleader Beat Feuz hingegen kommt zum ersten Mal seit seinem spektakulären Sturz in Kitzbühel vor 59 Monaten (Januar 2017) in einer Abfahrt nicht bis ins Ziel.

Es ist so oder so ein historisches Resultat für Swiss Ski. Nur sechsmal standen in den vergangenen zehn Jahren zwei Schweizer Abfahrer gemeinsam auf dem Weltcuppodest. Das letzte Mal, dass Beat Feuz bei einem solchen Kunststück nicht Hauptdarsteller war, geschah am 29. Dezember 2011 ebenfalls in Bormio. Damals gewann Didier Defago die schwierigste Abfahrt des Winters vor Teamkollege Patrick Küng. Seither positionierte sich der Emmentaler Feuz als sicherer Wert und oft auch als Schweizer Alleinunterhalter auf den Abfahrtspisten dieser Welt. Schier unglaubliche 38 Podestplätze sammelte der 34-Jährige in zehn Jahren.

Odermatt widerlegt fast die eigene Prognose

Vor dem Rennen in Bormio sagt Marco Odermatt im Doppelinterview mit dem zehn Jahre älteren Feuz gegenüber dieser Zeitung, er fühle sich in der Abfahrt noch nicht auf dem Niveau seines Teamkollegen und noch nicht als potenzieller Siegfahrer. Nur 42 Stunden später glaubt der Nidwaldner nach seiner Zieldurchfahrt und dem gewaltigen Vorsprung von beinahe einer Sekunde auf den dreifachen Saisongewinner Aleksander Aamodt Kilde für einen kurzen Moment, es könnte dank einer «perfekten Fahrt» zum Sensationssieg reichen.

Doch direkt im Anschluss zeigt Bormios Platzhirsch Dominik Paris einmal mehr «einen wilden Ritt» in seiner Wohnstube. Der Südtiroler absolviert die Pista Stelvio noch einmal um 24 Hundertstel schneller als Odermatt und gewinnt als erster Abfahrer der Geschichte sechsmal am gleichen Ort. «Ich mache mir nicht so viel aus solchen Zahlenspielen. Aber ich fühle mich stolz, in einem Atemzug mit Athleten wie Franz Klammer oder Didier Cuche genannt zu werden», sagt Paris im Ziel.

Zurück zu Odermatt. Auch er feiert ein kleines Jubiläum – seinen 20. Podestplatz im Weltcup. Den ersten in der Abfahrt, auch für den Innerschweizer die prestigeträchtigste Disziplin in seiner Sportart. «Dieses Resultat passt perfekt. Es wäre frech gewesen, die Podestpremiere gleich mit einem Sieg zu feiern», sagt Odermatt am Ziel mit einem Schmunzeln.

Gewürdigt wird die Leistung des Allrounders auch von Team- und Podestkollege Niels Hintermann. Die beiden Skifahrer kennen sich seit der gemeinsamen Zeit im Sportgymnasium in Engelberg. «Es ist schon unglaublich, welche Konstanz Odi in seinem Alter bereits an den Tag legt», sagt Hintermann.

Für den 26-jährigen Zürcher selbst ist es der zweite Podestplatz in Serie nach dem dritten Rang von Val Gardena. Die fehlende Routine in der Rolle als Podestanwärter macht sich bei ihm in wechselnden Folgen der Anspannung bemerkbar. Nach guten Eindrücken im Training rechnet sich der Betriebswirtschaftsstudent in Val Gardena und Bormio jeweils einiges fürs Rennen aus. Während Hintermann in Gröden in der Nacht vor dem Rennen kaum einschlafen kann, kämpft er im Veltlin mit einer anderen Nebenwirkung der erhöhten Nervosität.

Zuerst nicht bei der Sache, dann immer mehr im Flow

«Ich hatte beim Start Mühe, mit dem Kopf im Jetzt und Hier zu sein. Auch in den ersten Toren bin ich dem Ski gedanklich nur hinterhergefahren. Es war mir unterwegs nicht wohl und meine Position stimmte nicht», sagt Hintermann. Der 190-m-Hüne befreit sich aus dem gedanklichen Korsett und kommt je länger desto mehr in den Flow. Im unteren Streckenteil fliegt Hintermann förmlich aufs Podest.

Die Schweizer Doppelvertretung auf dem Stockerl ist umso bemerkenswerter, weil mit Urs Kryenbühl auch der zweite Swiss-Ski-Fahrer neben Beat Feuz, der es in den vergangenen vier Abfahrten in Bormio mehrmals unter die ersten Drei schaffte, ausscheidet. Während der Innerschweizer im Ziel seine grosse Enttäuschung nicht verbergen kann und den aufkommenden Druck spürt, in den Rennen im Januar die gute Startposition verteidigen zu müssen, wirkt Feuz trotz des Innenskifehlers entspannt. Der 34-Jährige freut sich auf seine zwei Lieblingsstrecken in Wengen und Kitzbühel. «An diese Rennen denke ich jeweils schon im Sommer während des Konditionstrainings», sagt Feuz. Für ihn dürfte es eine zusätzliche Motivation sein, am Lauberhorn die Hierarchie im Schweizer Team wieder zurechtzurücken.

Bormio (ITA). Abfahrt Männer: 1. Paris (ITA) 1:54,36. 2. Odermatt (SUI) 0,24. 3. Hintermann (SUI) 0,80. 4. Hemetsberger (AUT) 0,99. 5. Schwaiger (GER) 1,10. 6. Kilde (NOR) 1,12. 7. Kriechmayr (AUT) 1,15. 8. Ganong (USA) 1,19. 9. Danklmaier (AUT) 1,26. 10. Marsaglia (ITA). Ferner: 19. Roulin (SUI) 2,03. 23. Rogentin (SUI) 2,27. 32. Murisier (SUI) 3,12. 33. Chabloz 3,14. – Ausgeschieden: Feuz (SUI), Kryenbühl (SUI).

Weltcup-Gesamtwertung (nach 14/36 Rennen): 1. Odermatt 713. 2. Mayer (AUT) 427. 3. Kilde (NOR) 369. 4. Pinturault (FRA) 314. 5. Kriechmayr (AUT) 313. Ferner: 8. Feuz 255. 10. Hintermann 191.

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