Schon vor vier Jahren in Pyeongchang hatte Nathan Chen zu den Topfavoriten gehört. Er erlebte jedoch im Kurzprogramm ein Fiasko, patzte bei sämtlichen drei Sprungelementen und ging lediglich als 17. in die Kür. In dieser war er dann klar der Beste, schrieb er Geschichte, in dem er als erster Läufer sechs Vierfach-Sprünge stand. Das war jedoch angesichts des 5. Schlussranges ein schwacher Trost.
Diesmal zeigte der 22-jährige Chen, der vor seinen Auftritten jeweils den Rapper Eminem hört und zuerst den linken Schlittschuh anzieht, keine Nerven. Nachdem er das Kurzprogramm mit der höchsten je erzielten Punktzahl von 113,97 Punkten gewonnen hatte, blieb er auch in der Kür nahe an der Perfektion, wobei er sich diesmal mit fünf Vierfachen begnügte.
Der Fehler bei der geplanten Sprungfolge Vierfach-Toeloop/Dreifach-Flip - beim Flip machte er nur eine Umdrehung - ärgerte ihn zwar, aber insgesamt war er mit seinem Auftritt zufrieden. "Ich hatte nie wirklich das Gefühl, dass ich es in meiner Karriere so weit schaffen könnte", sagte Chen. "Natürlich habe ich aber immer von Olympia-Gold geträumt."
Nach der Niederlage in Pyeongchang beendete Chen nur noch einen Einzelwettkampf nicht als Sieger, den Grand Prix "Skate America" im vergangenen Oktober (3.). Er wurde dreimal in Folge Weltmeister. Umso grösser war der Druck in Peking. Der Triumph gewinnt für ihn insofern noch an Wert, als seine Mutter in der chinesischen Hauptstadt auf die Welt kam und dort aufgewachsen ist. Seine Grossmutter lebt immer noch dort.
Chen selber ist in Salt Lake City geboren, wo 2002 die Olympischen Spiele stattfanden. Das gab ihm die Motivation, eines Tages auch dabei zu sein. 20 Jahre später liess er der Konkurrenz keine Chance: Mit dem Total von 332,60 Punkten distanzierte er den zweitplatzierten Japaner Yuma Kagiyama um 22,55 Punkte. Chen ist nicht nur ein begnadeter Eiskunstläufer, er ist auch ein helles Köpfchen. Er studiert an der Yale University, einer der renommiertesten Universitäten der Welt, Statistik und Data Science. Die letzten zwei Jahre hat er allerdings pausiert - der Erfolg gibt ihm Recht.
Chen trat die Nachfolge von Yuzuru Hanyu an. Der 27-jährige Japaner verpasste nicht nur seinen dritten Olympiasieg in Folge, sondern als Vierter auch den Sprung auf das Podest. Hanyu, nach dem Kurzprogramm nur Achter, versuchte zu Beginn seines Programms mit dem vierfachen Axel eine Weltpremiere, die ihm aber knapp misslang.
Britschgi gelang auch die Kür nicht nach Wunsch. Nach diversen Fehlern blieb er mit 136,42 Punkten deutlich unter seiner beim 15. Platz an der letztjährigen WM in Stockholm erzielten Kür-Bestleistung (147,28). "Schade. Ich habe ein paar Fehler gemacht, die nicht hätten passieren sollen", sagte der bald 24-Jährige aus Schaffhausen.
Vielleicht habe er den Wettkampf zu sehr genossen und sei zu wenig konzentriert gewesen. "Trotzdem fahre ich mit positiven Gefühlen nach Hause. Es war eine unvergessliche Zeit hier in Peking." Sein Traum sei es gewesen, an Olympischen Spielen teilzunehmen, den habe er sich erfüllt. (sda)