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Fussball-WM

Infantino vor WM-Auftakt: «Heute fühle ich mich homosexuell, heute fühle ich mich behindert»

In einer Medienkonferenz am Tag vor WM-Beginn verteidigt Fifa-Präsident Gianni Infantino das Turnier in Katar. Für die Kritik aus Europa hat er kein Verständnis, «sie ist zutiefst ungerecht». 

Gianni Infantino sprach am Samstag gut eine Stunde über die bevorstehende WM.
Bild: Moahamed Messara / EPA

Gianni Infantino blickte ernst, holte tief Luft - und dann legte der Fifa-Präsident vor versammelter Weltpresse einen denkwürdigen, exakt einstündigen Monolog hin. Scheinheilig, rassistisch, ungerecht: Infantino teilte mächtig aus und erhob bei seinem bizarren Auftritt schwere Vorwürfe gegen seine Kritiker und die gesamte westliche Welt.

«Diese einseitige Moralpredigt ist reine Heuchelei», rief er den rund 400 Journalisten in Doha zu und griff einen Tag vor dem Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador am Sonntag (17.00 Uhr live SRF) mit einem Rundumschlag insbesondere die Medien an. «Es fällt mir wirklich schwer, diese Kritik zu verstehen», sagte Infantino, sie sei «zutiefst ungerecht».

«Europa muss sich entschuldigen und keine moralische Lektionen erteilen»

So seien Verurteilungen Katars aus der westlichen Welt vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte unangebracht. So sagte der umstrittene Chef des Fussball-Weltverbands:

«Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, den Menschen moralische Lektionen zu erteilen»

Nicht alles sei gut in Katar, räumte er ein, gleichzeitig beobachte er jedoch Fortschritte im Wüstenstaat und verwies unter anderem auf die Abschaffung des Kafala-Systems.

Katar biete Arbeitsmigranten, deren Bedingungen im Vorfeld des Turniers immer wieder scharf kritisiert wurden, «eine Perspektive», sagte Infantino. «Wir in Europa schliessen unsere Grenzen, und wir erlauben diesen Menschen nicht, legal in Europa zu arbeiten», führte er weiter aus, «wir alle wissen, dass es illegale Arbeit in Europa gibt. Wenn ihr euch wirklich um das Schicksal dieser Menschen scheren würdet, bietet das, was Katar macht, Chancen. Legale Chancen. Gebt ihnen Arbeit, gebt ihnen Sicherheit.»

Infantino drückte zu Beginn seines Monologs seine Unterstützung für diese Gruppen aus. Der Schweizer sagte:

«Heute fühle ich mich katarisch, heute fühle ich mich arabisch, heute fühle ich mich afrikanisch, heute fühle ich mich schwul, heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Gastarbeiter.»

Jeder und jede sei in Katar «herzlich willkommen: Wenn jemand was anderes sagt, ist das nicht die Haltung des Landes - und es ist nicht die Haltung der Fifa», ergänzte er.

Infantino klagt an: «Das ist Rassismus!»

Der 52-Jährige legte bei seinem frei gehaltenen Vortrag häufig längere Pausen ein und erhob immer wieder die Stimme. Er wurde auch persönlich: Er sei der Sohn von Gastarbeitern und als Kind wegen seiner roten Haare gehänselt worden: «Ich weiss, was es bedeutet diskriminiert zu werden. Ich wurde gemobbt.»

In erster Linie jedoch war Infantino im Angriffsmodus. So verurteile er auch Medienberichte über angeblich «gekaufte» Fanparaden im Vorfeld der WM-Endrunde als fremdenfeindlich. «Das ist Rassismus, purer Rassismus - das muss aufhören. Jeder in der Welt hat das Recht, für wen auch immer zu sein», sagte er und fragte: «Kann jemand, der wie ein Inder aussieht, nicht für Deutschland oder Spanien sein?»

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