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«Glauben Sie, ich sei so dumm?»

Lance Armstrong hat sich während mehr als eines Jahrzehnts immer wieder gegen Vorwürfe des Dopings verteidigen müssen. Bis zuletzt besteht er vehement auf seiner Unschuld. Ein Rückblick auf zentrale Aussagen.

Peter Eggenberger

1999 wurde Armstrong vor der Tour de France positiv auf Cortison getestet. Anlass zu verteidigenden Äusserungen des Radfahrers gab dieser Befund allerdings damals noch nicht. Armstrong konnte nämlich eine medizinische Ausnahmegenehmigung nachreichen und so einer Sperre entgehen.

Als 2001 im Umfeld der Tour de France neue Gerüchte auftauchten, er sei gedopt, fragte Armstrong im Ton der Entrüstung: «Glauben Sie, ich sei so dumm und nähme nach all dem, was ich durchgemacht habe, Wachstumshormone?» Armstrong spielte mit dieser Aussage auf seine Krebserkrankung an. 1996 war bei ihm Hodenkrebs diagnostiziert worden. Die Krankheit konnte schliesslich erfolgreich behandelt werden.

Als die beiden Journalisten David Walsh und Pierre Ballester kurz vor der Tour de France im Jahr 2004 ein Buch mit dem Titel «L.A. vertraulich – die Geheimnisse Lance Armstrongs» veröffentlichten, in dem sie schwere Vorwürfe gegen den Texaner erhoben, hinderte ihn dies nicht daran, die Tour de France zum sechsten Mal in Folge zu gewinnen. In dem Buch bezichtigen frühere Teamkollegen Armstrongs sowie Greg LeMond, der die Tour de France ebenfalls gewonnen hat, den Amerikaner des EPO-Dopings.

«Völlige Ehrlichkeit»

Armstrong gab auf die Vorwürfe kurz nach dem Gewinn der Tour de France zur Antwort: «Die drei wichtigsten Eigenschaften eines grossen Athleten sind harte Arbeit, ein natürliches Talent und völlige Ehrlichkeit gegenüber dir selbst und gegenüber dem Team.» Weiterhin stellte er Doping vehement in Abrede.

Die Welle von Vorwürfen ebbte jedoch nicht ab. Als die französische Sportzeitschrift «L'Equipe» einen Monat nach Armstrongs siebtem Tour-Sieg und seinem ersten Rücktritt im Juli 2005 enthüllte, dass in sechs eingefrorenen Dopingproben Armstrongs aus dem Jahr 1999 Spuren von EPO gefunden worden seien, konterte Armstrong noch am gleichen Tag auf seiner Website mit der Aussage: «Ich habe niemals leistungssteigernde Mittel genommen!»

Im November 2005 machte Armstrong an einer Anhörung in einem Schiedsverfahren in Texas folgende Aussagen: «Ja, ich habe der UCI eine Spende gemacht. Ich tue es, um den Kampf gegen Doping zu fördern.» Mehrere Mal wiederholt Armstrong, nie gedopt zu haben. Auf die Frage «Schliesst das zum Beispiel ein, dass Sie nie mit Eigenblut dopten?» antwortete er damals: «Absolut, das wäre verboten.»

Im Zusammenhang mit seinem geplanten Comeback im Januar 2009 wies Armstrong den Vorschlag der französischen Anti-Doping-Agentur zurück, die sechs vor der Tour de France 1999 entnommenen Dopingproben nochmals zu testen. Die Proben seien nicht korrekt gelagert und zudem beschädigt worden, argumentierte Armstrong.

Im März 2009 sah sich Armstrong mit dem Vorwurf der französischen Anti-Doping-Agentur konfrontiert, er habe versucht, einer Dopingkontrolle auszuweichen. «Dies ist nur ein weiteres Beispiel für das unsaubere Gebaren dieser Agentur. Es tut mir leid, dass sie enttäuscht sind, dass alle meine Tests negativ ausgefallen sind. Ich verwende keine verbotenen Medikamente oder Substanzen.»

«Landis mit null Glaubwürdigkeit»

Erneut verteidigen musste Armstrong sich, nachdem seine ehemaligen Teamkollegen beim US-Postal-Team, Floyd Landis und Tyler Hamilton, ihn in den Jahren 2010 und 2011 des Dopings beschuldigt hatten. «Diese Anschuldigungen sind es nicht wert, kommentiert zu werden», sagte er zunächst. Weiterhin bestritt Armstrong jegliches Doping. Schliesslich veröffentlichte er doch noch eine Stellungnahme zu seinen Gunsten: «Diese wiederholten und durch nichts belegten Anschuldigungen gegen mich haben sich in der Vergangenheit als falsch erwiesen. Es ist bedauerlich, dass so viele nun durch die Bitterkeit und den Zorn von Landis angegriffen werden, der null Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann.»

Im Juni 2012 folgte schliesslich die Anklage der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada mit dem Vorwurf des Eigenblutdopings. Umgehend dementierte Armstrong erneut: «Ich habe nie gedopt. Ich habe 25 Jahre als Ausdauersportler Wettkämpfe absolviert, mehr als 500 Dopingtests über mich ergehen lassen und bin dabei nie positiv getestet worden. Dass die Usada dies ignoriert, sagt viel mehr über sie aus, ihren Mangel an Fairness und ihren Rachefeldzug als über meine Schuld oder Unschuld», sagte Armstrong und fügte hinzu, es sei seltsam, dass angesichts des Vorwurfs, es seien vier Radsportteams über zwei Jahrzehnte in das Doping involviert, nur er allein sich einer Anklage stellen müsse.

Und nun also der finale Akt des Mannes, der sich selbst einmal als «meistgetesteter Sportler der Welt» bezeichnet hat. Er unterlässt es aber auch in seiner Erklärung vom 23. August nicht, nochmals darauf hinzuweisen, dass er nach seiner Ansicht stets die Regeln des Radsport-Weltverbands UCI, der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada und der US-Anti-Doping-Agentur Usada eingehalten habe.

Stimmen zum Fall Armstrong

Der ehemalige deutsche Radprofi Jan Ullrich, der 2000, 2001 und 2003 jeweils Tour-Zweiter hinter Lance Armstrong geworden ist, reagierte verhalten auf eine mögliche Aberkennung der Tour-de-France-Titel des Amerikaners: «Ich weiss, wie damals die Reihenfolge auf der Ziellinie war.» Im Übrigen sei er auch auf seine zweiten Plätze «extrem stolz.»

Lance Armstrongs ehemaliger Teamchef Johan Bruyneel hat mit Bedauern auf den Entscheid seines früheren Schützlings reagiert. «Es tut mir leid für Lance und für den Radsport generell», schrieb der umstrittene Belgier in seinem Blog. «Lance hat sich nie von einem fairen Kampf in seinem Leben zurückgezogen, daher unterstreicht der heutige Entscheid, wie ungerecht dieser Prozess gewesen ist.»

Der Franzose Bernard Hinault, 5-facher Tour-de-France-Sieger, sagte zum Fall Armstrong: «Es ist sein Problem, nicht meines. Das ist ein Problem, das schon vor 10 oder 15 Jahren hätte geregelt werden sollen. Aber das passierte leider nicht.»

Der frühere Weltmeister Laurent Jalabert gab zu Protokoll: «Ich bin vor allem für die Tour de France, den Radsport, unseren Sport, meinen Sport, den ich liebe, sehr enttäuscht. Es ist ein Sport, der schon lange massiv kritisiert wird. Natürlich ist Trauer und auch Wut da, weil wir nicht wollten, dass so etwas passiert. Falls ihm seine Titel aberkannt werden, wird es Gründe dafür geben.»

Ski-Star Bode Miller unternahm einen zweifelhaften Verteidigungsversuch. «Er war im Radsport der Beste. Niemand ist in diesem Sport wirklich sauber, also hat er auch niemanden betrogen», twitterte der Olympiasieger in der Super-Kombination und viermalige Weltmeister. «Sollten sie jemanden erwischen, ist das in Ordnung. Aber das jetzt ist Vergangenheit. Ich bin unglücklich über die Umstände und den Verlauf der ganzen Sache. Er hat etwas Besseres verdient.»

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