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Fussball, Europa League, Arsenal

Nach unbefriedigenden Jahren ist Arsenal der beste Saisonstart seit 18 Jahren geglückt. Die Spielphilosophie von Trainer Mikel Arteta ist angekommen - und lässt die Menschen im Norden Londons träumen.

Im Gunners Pub im Norden Londons sind die Gunners allgegenwärtig. Trikots und Bilder zieren die Wände über den rustikalen Tischen. Die Geschichte des Arsenal FC, der 1886 von einer Gruppe Arbeiter einer Rüstungsfabrik in Woolwich ins Leben gerufen wurde, ist in diesem Haus nicht zu übersehen. "Dial Square" nannten sich die Fabrikarbeiter zuerst, in Bezugnahme auf die Sonnenuhr, die oberhalb des Eingangs hing, wenig später wurde "Royal Arsenal" daraus.

Seit Generationen treffen sich Fans Arsenals in diesem Pub, das nur wenige Minuten vom Stadion entfernt liegt. Dem einen oder der anderen dürfte dieser Tage zwischen zwei Pints der Gedanke durch den Kopf gegangen sein, was in dieser Saison wohl möglich sein würde für den AFC. Die ersten fünf Partien der Premier-League-Saison gewannen die Gunners allesamt. Und auch wenn am Sonntag ausgerechnet gegen den Rivalen und Rekordmeister Manchester United die erste Niederlage folgte (1:3), ist die Mannschaft von Mikel Arteta Leader. Die ganz verwegenen Pubgänger dürften nach dem fünften Sieg de suite Ende August gegen Aston Villa (2:1) gedacht haben, vielleicht werde es ja wieder wie damals, als niemand in England Arsenal bezwingen konnte.

Wengers Puzzle

In der Saison 2003/2004 wars, als Arsenal als erst zweites Team in der Geschichte der englischen Liga ungeschlagen blieb. Die Bilanz von 26 Siegen, 12 Unentschieden und 0 Niederlagen brachte dem Team den Übernamen "The Invincibles" ein, die Unbesiegbaren. Es war der Höhepunkt im Schaffen von Trainer Arsène Wenger, der 1996 als unbekannter Franzose in die englische Metropole gekommen war. In dieser Phase hatte er endlich die Puzzleteile zusammen, welche seine Spielidee des niederländisch inspirierten totalen Fussballs Realität werden liessen.

Der deutsche Nationaltorhüter Jens Lehmann im Tor, der englische Hüne Sol Campbell in der Abwehr, die Kreativspieler Patrick Vieira, Robert Pirès und Frederick Ljungberg im Mittelfeld und in der Offensive mit Dennis Bergkamp und Thierry Henry zwei, die sich nur schwer stoppen liessen, wenn die Maschinerie Arsenal mal ins Rollen gekommen war. Wenger veränderte die Spielphilosophie grundlegend. Weg vom typisch englischen Kick-and-Rush, hin zu Kombinationsfussball mit passgenauen Ballstafetten und hohem Pressing.

Henrys Fussstapfen

Seit 2004 ist für den 13-fachen Champion Arsenal kein Meistertitel mehr dazugekommen, auch wenn mit grossen Investitionen und Transfers Jahr für Jahr versucht wird, auf den Thron des englischen Fussballs zurückzukehren. Als dem Klub 1902 das Geld fehlte, um Spieler zu kaufen, wurde ein Wettkampf im Bogenschiessen organisiert und mit dem Erlös drei neue finanziert. Heute sind die Dimensionen freilich andere. Granit Xhaka wechselte 2016 für rund 50 Millionen Franken von Mönchengladbach zu Arsenal und sorgte im Fanshop beim Stadion zwischenzeitlich für einen Engpass in der Druckerei, weil für seine damalige Nummer 29 keine Neunen mehr verfügbar waren.

Der Captain der Schweizer Nationalmannschaft ist in seine siebte Saison bei Arsenal gestartet und gesetzt im System von Trainer Mikel Arteta. Ganz im Gegensatz zu anderen Spielern, die für viel Geld nach Nordlondon gezogen sind. Pierre-Emerick Aubameyang, Mesut Özil, Alexandre Lacazette, Nicolas Pépé, Alexis Sanchez, Olivier Giroud, Andrej Arschawin - sie alle wurden einst geholt in der Hoffnung, Arsenal wieder ganz nach oben zu führen, optimalerweise gar in die Fussstapfen von Klublegende Thierry Henry zu treten, dessen Torrekord von 228 wohl einer für die Ewigkeit ist.

Lernen bei Guardiola

Dass Arsenal nun der beste Saisonstart seit 18 Jahren gelungen ist, hat vor allem mit Vertrauen zu tun, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Arteta steht in seiner vierten Saison in der Verantwortung, und die Ideen des Spaniers, der schon als Spieler für Arsenal aktiv war und einst als Assistent von Pep Guardiola amtete, scheinen immer besser zu fruchten. Gerade weil er das Team nach seinen Vorstellungen umbauen und mit Spielern ergänzen konnte, die dazu passen. Der 40-Jährige will ganz nach Guardiolas Schule ein Spiel kontrollieren. Dazu braucht es spielstarkes Personal in jeder Reihe. Goalie Aaron Ramsdale soll ebenso einen Angriff initiieren wie Innenverteidiger Gabriel, und die jungen Gabriel Martinelli, Captain Martin Ödegaard und Bukayo Saka sollen zusammen mit Gabriel Jesus in der Offensive ein unberechenbares Quartett bilden und Tore liefern.

Am 27. August stand Arteta zum 100. Mal für Arsenal an der Linie und feierte gegen Fulham seinen 53. Sieg. Nur Wenger hat in derselben Zeitspanne mehr gewonnen (54). Das zeigt, weshalb die "Arteta out"-Rufe, welche nach drei Niederlagen in Serie zum Auftakt der letzten Saison durchs Emirates Stadium hallten, mittlerweile längst verstummt sind. Die Richtung stimmt, und im Gunners Pub wird wieder geträumt. (sda)

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