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Kunstturnen

Fabien Martin nicht mehr STV-Cheftrainer

Der Schweizer Turnverband beschliesst für das Frauen-Kunstturnen den Neubeginn. Der Trainerstab mit Chefcoach Fabien Martin ist per sofort freigestellt.
Fabien Martin ist nicht mehr Cheftrainer der Schweizer Kunstturnerinnen
Bild: KEYSTONE/MARCEL BIERI

Vieles ist neu im STV. Der Turnverband hat mit Fabio Corti einen neuen Zentralpräsidenten, mit Béatrice Wertli eine neue Direktorin und mit David Huser einen neuen Chef Spitzensport. Sie alle arbeiten mit Hochdruck daran, die belastende Vergangenheit aufzuarbeiten, den Turnsport in der Schweiz auf ein neues Fundament zu stellen, ihn in eine gesündere Zukunft zu führen.

Unterstützt werden sie von der eigens gegründeten Ethikkommission. Das Gremium unter der Leitung von Rechtsanwalt Daniel Mägerle ist unmittelbar nach den publik gewordenen Anschuldigungen gegen das Trainer-Team des Frauen-Nationalkaders ins Leben gerufen worden.

Am Ziel sind sie alle noch nicht. Der Prozess ist zeitintensiv, weil vielschichtig. Alle aber sehen sich auf dem richtigen Weg. "Wir sind auf Kurs", sagte Béatrice Wertli am Mittwoch an einer Medienkonferenz stellvertretend.

Die schweren Vorwürfe

Die Missstände rund um das Kader der Schweizer Kunstturnerinnen waren im vergangenen Oktober publik geworden, vier Monate, nachdem schon Athletinnen der Rhythmischen Gymnastik die Trainings-Bedingungen an den Pranger gestellt hatten. Ehemalige Kunstturnerinnen kritisierten im "Magazin" die Atmosphäre am Nationalen Sportzentrum in Magglingen und erhoben gegen Cheftrainer Fabien Martin schwere Vorwürfe. In den sogenannten "Magglingen-Protokollen" hatten sie von einer "Angst-Kultur" gesprochen und von Missbräuchen, Erniedrigungen und Einschüchterungen erzählt.

Martin war sich, wie er sich im Frühling unmittelbar vor Beginn der Europameisterschaften in Basel äusserte, keiner Schuld bewusst. Kunstturnen sei ein schwieriger Sport, in dem es viele und nicht immer einfach Gespräche gebe, sagte der Franzose, der zu Beginn des Jahres 2017 die Nachfolge von Zoltan Jordanov angetreten hatte. Alle würden den Umgang miteinander unterschiedlich erleben.

Die Probleme schienen aber weit tiefgründiger. Der STV kam in einer internen Analyse zum Schluss, dass das Trainerteam seine Verantwortung abseits des sportlichen Bereichs ungenügend wahr genommen habe. Die Ethikkommission ging noch einen Schritt weiter. Sie hielt fest, dass zum Schutz der psychischen und physischen Gesundheit der Athletinnen zu wenig unternommen worden sei.

Die fehlende Basis

Der Zentralvorstand des STV sah, auch nach Empfehlungen der Ethikkommission, die Basis für eine weitere Zusammenarbeit mit Martin und seinen Assistenten nicht mehr gegeben. Auf Antrag der Geschäftsleitung entschied er sich für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die reguläre Kündigung erfolgte auf Ende November, die Trennung wurde aber im "gegenseitigen Einvernehmen" per sofort vollzogen. Die Leitung der Trainings des Frauen-Nationalkaders übernahmen interimsmässig nicht namentlich genannte Trainerinnen und Trainer des Verbandes.

Den Entscheid zur Trennung fassten die Verantwortlichen des STV nicht nur aufgrund der Schuldzuweisungen von Athletinnen-Seite, sondern auch mit Blick auf die sportliche Situation. Eine Gesamtbeurteilung unter Husers Führung förderte eine seit längerer Zeit stagnierende Leistungsentwicklung zutage. Auch die Erkenntnis, dass hinter der Teamleaderin Giulia Steingruber eine zu grosse Lücke klafft und damit eine Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris mit einer Frauen-Equipe nicht realistisch ist, zwang Huser und seine Leute zum Handeln.

Das neue Projekt

Die sportliche Entwicklung im Frauen-Kunstturnen soll mit dem "Projekt 2028/2032" vorangetrieben werden. Die mit den Regionalen Leistungszentren lancierte Kampagne zielt auf einen Neuaufbau im Hinblick auf die Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles und 2032 in Brisbane. Die Fördermittel von Swiss Olympic sollen die Umsetzung des Plans sichern. Kein Thema war eine Redimensionierung des Frauen-Kunstturnens, wie sie für die Rhythmische Gymnastik beschlossen worden war.

Das Aufbauprojekt wird sich erfahrungsgemäss über zwei oder sogar drei Olympia-Zyklen erstrecken. Vom neuen Trainer-Team wird neben hoher Kompetenz im sportlichen und zwischenmenschlichen Bereich auch Geduld gefordert sein. (sda)

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