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Erfahrungen aus der Olympia-Bubble

Drei Wochen in der olympischen Blase von China - das bedeutet Skurriles, Absurdes, Fragwürdiges, aber auch viele herzliche Begegnungen mit den Menschen vor Ort.
Hotel-Mitarbeiter strecken den Daumen hoch: Hinter den maskierten Helfern in Peking verstecken sich engagierte und freundliche Mitarbeitende
Bild: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Fang, eine freiwillige Helferin im Biathlon-Mediencenter, die mit viel Hingabe verschiedene Versionen des Panda-Maskottchens auf die Pinwand malt. Der Anlass: Sie wünscht damit einen "Happy Lantern Day". Kurz nach dem chinesischen Neujahr also noch ein Feiertag.

Oder auf dem ansonsten wie üblich öden und windumtosten Bus-Wendeplatz: zwei kleine, liebevolle dekorierte Schneemännchen weit abseits der TV-Kameras.

Oder auch dies: Eine Helferin eilt einem Journalisten im Schneetreiben vor dem Mediencenter der Snowboarder und Freestyler hinterher, um ihm zu danken und einen Energy Drink zu bringen. Er hatte ihr vorher einen Karton abgenommen und hereingetragen.

Und schliesslich der Freitagabend in der Hotel-Bar, als die Crew - teils in den klobigen, unansehnlichen Mondanzügen, teils als Kader ersichtlich in Anzug - auf der Bühne singt und tanzt und anschliessend Cocktails und Süsses verteilt, um sich bei den Gästen für ihre Reise nach China zu bedanken.

Privileg oder Fluch?

Es sind kleine Szenen die zeigen, dass es bei allen berechtigten Einwänden zur Durchführung von Olympischen Spielen in Zeiten einer Pandemie und in einem Land wie China auch die andere Seite gibt: herzliche Menschen, die unter schwierigen Umständen einen hervorragenden Job gemacht haben.

Auf jeden Busfahrer, der den atemlos heraneilenden Journalisten schnöde in der Kälte stehen liess, gab es mindestens fünf, die extra nochmal anhielten. Wer die in ihren Anzügen kaum zu unterscheidenden Hotelangestellten anschaute, fragte sich unweigerlich: Ist es ein Privileg oder ein Fluch, hier zu sein?

Die Einschränkungen für die internationalen Besucher waren gravierend. Innerhalb der Bubble war das Leben durchaus angenehm, doch sie schränkte auch gewaltig ein. Drei Wochen Essen vom Hotelbuffet klingt für den ersten Moment praktisch, wird aber schnell sehr eintönig.

Der Besuch eines Restaurants in einem der anderen offiziell anerkannten Hotels oder des einzigen offenen Pubs im Berg-Ressort von Zhangjiakou brauchte eine längere Busreise mit Umsteigen. Olympia-Feeling kommt so naturgemäss nur in bescheidenem Masse auf. Und da fragte sich dann auch der weitgereiste Journalist: Ist es ein Privileg oder ein Fluch, hier zu sein?

Die Blase hielt dicht

Für die Sportler im olympischen Dorf waren die Einschränkungen mit Ausnahme der Maske gemäss deren Auskunft allerdings eher gering. Über ihnen schwebte hingegen besonders drohend das Damoklesschwert eines positiven Corona-Tests, der den olympischen Traum jederzeit platzen lassen konnte.

Doch die Blase hielt dicht. Die täglichen Tests waren effizient, dauerten weniger als eine Minute, und wer einmal drin war, steckte sich kaum mehr an. Am härtesten traf es solche, die sich kurz vor den Spielen ansteckten und dann gar nicht oder erst verspätet anreisen konnten. Die Wettkämpfe verkamen aber nicht zur befürchteten Farce mit ausgedünnten Teilnehmerfeldern.

Der Ort, vor allem in den Bergen von Zhangjiakou, war wegen der Kälte und des Windes ungünstig gewählt, doch die Sportstätten waren 1A. Die Kosten dafür sind ein anderes Thema, doch die Wettkämpfe waren hochklassig und brachten meist die verdienten Sieger hervor.

Für die meisten Sportler war es also wohl klar ein Privileg, in dieser Situation bei Olympischen Spielen starten zu können. Nicht manches Land hätte dies in einer erst seit wenigen Wochen abflauenden Pandemie organisatorisch so gut hingekriegt.

Schein oder Sein?

Es bleibt aber natürlich der Eindruck, nur eine Fassade, ein Potemkinsches Dorf ohne Substanz dahinter gesehen zu haben. War alles nur Show, um von den Verfehlungen im eigenen Land - von Tibet über die Uiguren bis Hongkong - hinwegzutäuschen?

Für die durch und durch autoritäre Führung war es das ganz bestimmt. Die Menschen vor Ort, die auch begeistert Pins sammelten, sich über eine Tafel Schweizer Schokolade oder auch nur ein gemeinsames Foto mit einem Besucher freuten, schien die Arbeit für die Spiele zumindest keine unerträgliche Last zu sein.

Der Stolz, dabei zu sein

"Ich bin stolz, für diesen Anlass einen Beitrag zu leisten", erklärte die Hotel-Receptionistin Yifan - oder Bella, eigentlich eine Englisch-Studentin - doch recht überzeugend. Dass sie nach den Spielen auch noch für die Paralympics im Einsatz ist und dann - trotz Vollschutz bei der Arbeit - noch drei Wochen in Quarantäne bleiben muss, ehe sie zur Uni zurückkehrt, nimmt sie hin.

Sie sehe ihre Familie und Freunde in der dreieinhalb Flugstunden entfernten Provinz Yunnan auch während des Studiums nur selten, meint sie lächelnd. Zumindest scheinst man das Lächeln hinter der Maske, dem Schutzschild und der Brille zu erkennen.

Es waren gerade Menschen wie sie, welche den Besuch in China doch eher zum Privileg denn zur Last machten. Die Spiele waren kalt, sowohl klimatisch als auch vom Ambiente hinter Schutzgittern her, doch die Menschen waren überraschend warmherzig und gar nicht stur, sondern zu vielen Kompromissen bereit.

Das ändert aber nichts am Fazit: Solche Olympischen Spiele möchte man nie mehr erleben. (sda)

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