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Giro d'Italia

Ein Déjà-vu mit Happy End

Jai Hindley stand 2020 kurz vor dem Giro-Gesamtsieg. Ein verpatztes Schluss-Zeitfahren riss den Australier damals aus allen Träumen. Zwei Jahre später folgt das Happy End - mit historischem Ausmass.
Bild: KEYSTONE/EPA/MAURIZIO BRAMBATTI

Die Liste der Anwärter auf den Gesamtsieg vor Beginn des diesjährigen Giros war lang, der Name von Jai Hindley hatten sich aber nur die wenigsten Experten notiert. Selbst in seinem Team Bora-Hansgrohe war der Kletterspezialist aus Perth nicht die unumstrittene Nummer 1. Zusammen mit dem Niederländer Wilco Kelderman und dem Deutschen Emanuel Buchmann bildete er zu Beginn der dreiwöchigen Rundfahrt eine Dreierspitze. Schnell kristallisierte sich jedoch heraus, dass Hindley der Stärkste dieses Trios ist.

Mit dem Gewinn der 9. Etappe bei der Bergankunft am Blockhaus unterstrich er seine Ambitionen, den Giro zum zweiten Mal nach 2020 auf dem Podium zu beenden. Vor zwei Jahren gehörte er wie sein damaliger Teamkollege Marc Hirschi zu den Aufsteigern der auf drei Monate verkürzten Corona-Saison. Am zweitletzten Tag des Giros und damit auf den Tag genau 20 Jahre nach seinem Landsmann Cadel Evans, dem Gewinner der Tour de France 2011, eroberte Hindley überraschend die Maglia Rosa.

Verpasste Chance

Er startete danach zeitgleich mit Tao Geoghegan Hart ins abschliessende Zeitfahren. Viele Experten sahen Hindley im Vorteil. Doch der Gesamtführende konnte an diesem Tag nicht abliefern, büsste viel Zeit ein und wurde hinter dem britischen Überraschungsmann "nur" Gesamtzweiter. Auch wenn dieses Topergebnis für ihn überraschend kam, war die Enttäuschung über die verpasste Chance gross. Auch, weil die Gelegenheit nach dem Ausfall zahlreicher Topfahrer so günstig schien wie nie.

Auf seinen bis dahin grössten Triumph folgte für Hindley eine lange Zeit des Leidens. Sitzbeschwerden machten ihm zu schaffen. Statt am Giro 2021 seinen Exploit aus dem Vorjahr zu bestätigen, musste der Westaustralier die Rundfahrt in der zweiten Woche unter Schmerzen aufgeben. Danach stellte Hindley sein Velo einen Monat lang in die Ecke und kehrte schliesslich mit neuem Sattel zurück. Doch sogleich folgte der nächste Rückschlag. Ein Sturz mit einem Schlüsselbeinbruch als Folge sorgte dafür, dass eine unerfreuliche Saison für ihn Mitte September gelaufen war.

Mit Geduld und Cleverness

Nach einem Teamwechsel von Sunweb zum bayrischen Rennstall Bora-Hansgrohe sitzt Hindley nun wieder fest im Sattel. Er behielt in der schwierigen letzten Giro-Woche mit den vielen Höhenmetern die Geduld und nutzte am Samstag, im allerletzten Anstieg dieser 105. Italien-Rundfahrt, die Gunst der Stunde. Als Richard Carapaz 2 km vor dem Ziel eine Schwäche zeigte, liess Hindley den Olympiasieger aus Ecuador mit einem starken Antritt stehen und knöpfte ihm so das Leadertrikot ab. Mit dieser gut getimten Attacke sorgte der Australier für die letztlich entscheidende Differenz im Gesamtklassement.

Denn im Gegensatz zu vor zwei Jahren bestand er diesmal die abschliessende Prüfung gegen die Uhr mit Bravour. So war Hindley diesmal nicht nur der zweite, sondern der erste Sieger. Damit gelang ihm, was seinem Jugendidol Cadel Evans in ebenfalls vier Anläufen (und den Rängen 14, 5, 3 und 8) nie schaffte: Er konnte sich als erster australischer Sieger in die Geschichtsbücher der zweitwichtigsten Rad-Rundfahrt der Welt eintragen.

Logisch, wird da auch die Tour de France in absehbarer Zeit für Hindley zum Ziel. Mit 26 Jahren hat er noch genug Zeit, sich neuen Herausforderungen zu widmen. (sda)

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