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Sport

Drohungen, Drama und ein Detektiv: So kam Bernhard Alpstaeg zur Aktienmehrheit beim FC Luzern

Im FCL-Machtkampf der Aktionäre wird mit harten Bandagen gekämpft. Offenbar auch am Rande der Legalität.
Die Protagonisten im Streit um die Swisspor-Arena beziehungsweise um den FCL (von links): Bernhard Alpstaeg, Marco Sieber, Samih Sawiris, Hans Schmid.
Die Swisspor-Arena. (Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 6. November 2019))

Jérôme Martinu und Cyril Aregger

Jérôme Martinu und Cyril Aregger

Es ist eine Geschichte voller Drama. Wie so häufig rund um den FC Luzern. Und doch sind die Dimensionen sogar für Luzerner Verhältnisse aussergewöhnlich. Es geht um Machtkämpfe, Drohungen, sexuelle Verfehlungen. Und es geht um einen Privatdetektiv. Mitten drin: Bernhard Alpstaeg. Mehrheitsaktionär beim FC Luzern.

Bernhard Alpstaeg, Samih Sawiris, Hans Schmid, Marco Sieber und Josef Bieri. Wenn es beim FC Luzern eine Konstante gibt, sind es die Hauptaktionäre der FCL Holding AG, der Besitzerin des FCL. Als letzter stiess Bieri im Sommer 2014 zum Aktionärskreis hinzu.

Fast ebenso konstant ist allerdings auch die Uneinigkeit, die insbesondere zwischen Hauptaktionär Bernhard Alp­staeg und dem Unternehmer-Trio Sawiris, Schmid und Sieber herrscht. Hauptstreitpunkt: Wem gehört der 25-Prozent-Aktienanteil des ehemaligen FCL-­Präsidenten Walter Stierli? Alpstaeg oder der Holding, die sie für 7,5 Millionen Franken zu Gunsten des FCL verkaufen will?

Der Weg zum vorübergehenden FCL-Burgfrieden

Der Streit schien Ende Mai 2019 beendet: Damals wurde kommuniziert, dass Bernhard Alpstaeg nun offiziell ­Besitzer von 52 Prozent der FCL-Holding-AG-Aktien sei, die übrigen Verwaltungsräte hätten dem zugestimmt. Was hatte plötzlich zu diesem – vorübergehenden – Burgfrieden geführt?

Seit Ende Oktober sitzen nur noch Präsident Philipp Studhalter und Vize Josef Bieri (besitzt 10 Prozent der FCL-Holding-Aktien) im FCL-Verwaltungsrat. Die Gruppe Sawiris, Schmid und Sieber (34,1 Prozent der Aktien) sowie Mehrheitsaktionär Alpstaeg (52 Prozent, jeder Verwaltungsrat besitzt nur 1 Stimme) hatten ihren Rücktritt aus dem Gremium erklärt.

Alpstaeg will zudem keine finanziellen Leistungen für den Klub mehr erbringen. Das war das bislang letzte Kapitel des FCL-Dramas. Nun erhebt die «Triple-S»-Gruppe schwere Vorwürfe gegen Alpstaeg: Er habe die Aktionäre massiv unter Druck gesetzt, um zu seiner Aktienmehrheit zu gelangen. Und das soll sich folgendermassen abgespielt haben:

10. Februar 2019. Der Streit um die «Stierli-Aktien», und somit um die 7,5 Millionen für den FCL, ist im vollen Gang. Bereits im Dezember 2018 hatte eine – erfolglose – Verhandlung vor dem Friedensrichter stattgefunden. Die Verwaltungsräte Sawiris, Schmid, Sieber und Bieri haben den Luzerner Anwalt Marco Bolzern damit beauftragt, die Interessen der FCL Holding AG gegen Mit-Verwaltungsrat Alpstaeg zu vertreten. Gemäss eigenen Aussagen erhält Anwalt Bolzern, der bis vor rund zwei Jahren als offizieller Protokollant der Verwaltungsratssitzungen der FCL Holding fungierte, an jenem Sonntag ein Mail von Bernhard Alpstaeg. Es sei an der Zeit, sich in der Aktien-Sache zu treffen. «Nach der verfahrenen Situation wertete ich dies als positives Zeichen», erinnert sich der Anwalt.

12. Februar 2019. An diesem Dienstagnachmittag treffen sich Bolzern und Alpstaeg im Luzerner Hotel Schweizerhof. Bolzern erzählt: «Herr Alpstaeg eröffnete mir schnell, dass es nur eine Lösung gebe: Die ‹Stierli-Aktien› seien sein Eigentum. Geld dafür gebe es nicht, bloss ‹Goodwill› für die übrigen Aktionäre.» Alpstaeg erklärte auch, dass er eine Klage vorbereitet habe, um via ­Gericht seine Aktien zu erhalten. «Und dann», so Bolzern weiter, «sagte er Folgendes: ‹Ich weiss, dass es schmutzig wird. Ich habe einen Privatdetektiv engagiert, habe sämtliche E-Mails auswerten lassen.›» Sollte es zu einer gerichtlichen Verhandlung kommen, werde, so zitiert Bolzern Alpstaeg, «ganz viel Dreck an die Oberfläche gespült, eine Ehe geht in die Brüche, und es werden sexuelle Verfehlungen bekannt». Der Anwalt hat das Gespräch in einem E-Mail an die «Triple-S»-Gruppe und Josef Bieri, den Alpstaeg in seinen Schilderungen eingeschlossen hatte, gleichentags rapportiert. Der Rapport liegt unserer Zeitung vor. Bolzern: «Es war mir bewusst, dass die Aussagen Alp­staegs auch strafrechtlich relevant sein könnten.»

13. Februar 2019. Am Tag nach dem «Schweizerhof-Gespräch» beraten die vier Aktionäre Sawiris, Schmid, Sieber und Bieri in einer Telefonkonferenz das weitere Vorgehen. «Über die Detektiv-Aussage und die Drohung, Privates öffentlich zu machen, haben wir eigentlich eher gelacht», sagen Schmid und Sieber. «Schwerer wog für uns die Prozessdrohung gegen den FCL.»

22. Februar 2019. Mittlerweile laufen zwischen den beiden Parteien wieder Einigungsgespräche, wie so häufig in den letzten Jahren. Bernhard Alp­staeg reicht die Klage dennoch beim ­Bezirksgericht Luzern ein.

23. Februar 2019. Bernhard Alpstaeg eröffnet den Aktionären, er werde sich nicht an der Defizitdeckung beteiligen, ehe er nicht offiziell im Besitz der «Stierli-Aktien» sei. Die übrigen Aktionäre lenkten ein, Alpstaeg wurde für 500'000 Franken offizieller Besitzer der «Stierli-Aktien» und somit Mehrheitsaktionär. Die Klage wird zurückgezogen. «Uns blieb nichts anderes übrig als einzulenken», sagt Marco Sieber heute. Die Abgabefrist für die Lizenzierungsanträge der Saison 2019/20 lief am 4. März ab. Wir hätten sonst innert einer Woche Millionen für Deckungsbeiträge und Garantien auftreiben müssen. Dem FCL hätten die Lizenzverweigerung und somit der Konkurs gedroht.» Zudem seien die Folgen von Alpstaegs Klage schwer abzuschätzen gewesen. Vieles sei in den letzten Jahren nur mündlich besprochen und entschieden worden. «Heute würden wir das anders machen», ärgert sich Schmid.

5. Juli 2019. Die «Triple-S»-Gruppe schreibt Bernhard Alpstaeg einen dreiseitigen Brief, in welchen sie ihn unter anderem mit den Drohungen und «massiven Druckversuchen» vom Februar konfrontiert. Zudem teilt sie ihm ihre Absicht mit, «aufgrund Deines leider destruktiven Verhaltens» aus dem Verwaltungsrat der FCL Holding AG auszutreten. Kurz vor dem 5. Juli meldete sich Alpstaegs Berater Bernhard Heusler telefonisch bei Marco Sieber. «Er sagte, Bernhard Alpstaeg habe ihm einen Brief vorgelegt und wollte von mir wissen, was es mit den Vorwürfen auf sich habe», sagt Sieber. «Der Brief war aber noch gar nicht verschickt!» Ein Beleg dafür, dass die E-Mail-Konten ausgeforscht wurden?

«Wir können uns jedenfalls nicht erklären, woher Bernhard Alpstaeg Kenntnis vom Brief hatte»,

so Sieber vorsichtig. «Sicher ist, dass der Brief in der Entwurfsphase nur zwischen fünf Personen kursierte.»

Der Rest der Geschichte ist dank Recherchen unserer Zeitung bekannt: Bernhard Alpstaeg übernahm im Sommer ohne Wissen der übrigen Holding-Aktionäre 60 Prozent der Stadionbesitzerin Stadion Luzern AG (die restlichen 40 Prozent gehören der FCL Holding AG). Am 2. Oktober eröffnete die «Triple-S»-Gruppe Alpstaeg ein Angebot: Sie wollte ihm seine Aktien (auch die des Stadions) zum Einstandspreis abkaufen – oder die eigenen Aktien an ihn verkaufen.

Alpstaeg geht auf das Angebot nicht ein, die «Triple-S»-Gruppe gibt am 23. Oktober ihren sofortigen Rücktritt bekannt. Gleichzeitig wird bekannt, dass Bernhard Alpstaeg bereits per 15. Oktober zurückgetreten ist. Zudem macht er in seinem Rücktrittsschreiben vom 4. Oktober klar, «dass mit einer weiteren finanziellen Unterstützung von meiner Person nicht gerechnet werden kann».

Bernhard Alpstaeg schweigt

Im Gespräch vom Februar sparte Bernhard Alpstaeg nicht mit Kritik an seinen Mit-Aktionären, wie aus der Gesprächsnotiz hervorgeht. Gestern liess er über seinen Sprecher Bruno Affentranger ausrichten, dass er die Angelegenheit nicht kommentieren werde.

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