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Niederlande

Das verrückte Jahr von Andries Noppert

Andries Noppert bestreitet am Freitagabend sein fünftes Länderspiel. Der 28-jährige Goalie der Niederländer ist ein Überraschungsgast in Katar mit erstaunlichem Werdegang.
Bild: KEYSTONE/AP/Petr David Josek

Mit seinen 2,03 m ist Noppert der grösste Spieler der WM. Mit fast 90 Prozent gehaltener Schüsse gehört er zu den statistisch besten Goalies in Katar. Und doch wäre er in der Heimat leicht zu übersehen gewesen. Nur weil Nationalcoach Louis van Gaal gern mal ungewöhnliche Wege geht, ist Noppert mit dem Starensemble der "Oranjes" nach Katar gereist.

Vor zwei Jahren deutete vieles auf ein vorzeitiges Karrierenende hin, vor drei Monaten kaum etwas auf eine WM-Teilnahme, vor drei Wochen nur wenig auf Einsätze in Katar. Nun steht Noppert vor dem Duell mit Argentinien und muss deshalb Fragen zu Lionel Messi beantworten. "Er ist wie wir, er ist ein Mensch", versichert der Keeper ohne sichtbare Ehrfurcht.

Der steinige, lange Weg bis nach Doha hilft Noppert zu relativieren. "Wenn du ein kleiner Kerl bist, träumst du von der WM. Ich habe das natürlich auch gemacht. Aber ich hatte meine Träume auf die Seite gelegt, weil ich dachte, es sei nicht mehr möglich."

Langer Leidensweg, steiler Aufstieg

Bis Anfang des Jahres hatte Noppert nur drei Spiele in der höchsten Liga bestritten; im Sommer 2017 stand er dreimal in Folge für Breda im Einsatz. Er kassierte in 270 Minuten zehn Gegentore und fand sich rasch auf der Ersatzbank wieder. Auch in Italiens zweiter Liga bei Foggia war er fast nur zweiter Goalie, bis der Klub Konkurs ging. Bei Dordrecht verletzte er sich, zuerst am Oberschenkel, dann zweimal am Knie.

Die Familie hatte Noppert nahegelegt, seine Karriere aufzugeben. Eine Weile lang beschäftigte er sich mit der Möglichkeit, eine Ausbildung zum Polizisten zu machen. Ein letztes Mal wollte er es aber nochmals wissen. Harmen Kuperus, den er aus seiner Anfangszeit bei Heerenveen kannte, gab ihm eine Chance. Als Torwarttrainer von Go Ahead, dem Erstligisten aus Deventer, setzte er sich im Januar 2021 für ihn ein und förderte ihn.

"Er war immer noch verletzt. Aber ich wusste, dass das kein Problem sein würde, also sagte ich dem Trainer, dass er fit ist", erzählte Kuperus im Gespräch mit "Sky Sports". "Ich wusste, dass er die richtige Mentalität hat, das Wichtigste bei einem Goalie. Kombiniert mit seiner Grösse und den Reflexen ist es unglaublich, was er mitbringt. Aber man muss die Gelegenheit erhalten, es zu zeigen."

Unter Kees van Wonderen, der lange Zeit im niederländischen Verband als Coach arbeitete, kann sich Noppert ab Anfang 2022 zeigen. Der Trainer setzt auf ihn und nimmt ihn im Sommer mit, als er bei Heerenveen, in der Heimatstadt von Noppert, einen neuen Vertrag unterschreibt.

Van Gaals Coup

Dass im Normalfall zehn Monate Spitzenfussball noch nicht reichen, um an eine WM zu reisen, ist Noppert bewusst. "Ich habe gekämpft für meinen Traum. Aber es gab nur einen Coach, der mich hierher bringen konnte, und das ist unser Coach." Van Gaal scheute noch nie vor schwierigen oder unpopulären Entscheiden zurück und tut es nun, in seinem 36. Trainerjahr, erst recht nicht.

Am 11. November, einige Stunden bevor Van Gaal sein Aufgebot für die WM bekannt gibt, teilte er dem 63-fachen Nationalgoalie Jasper Cillessen mit, dass er nicht auf ihn zählt. Dafür stehen drei Torhüter mit kumuliert acht Länderspielen Erfahrung unter den 26 Spielern, mit denen der 71-Jährige Weltmeister werden will. Auch aus diesem Trio war Noppert nicht der Topfavorit auf den Posten wenige Wochen nach dem ersten Aufgebot und ohne einen einzigen Einsatz für die Niederlande.

Noppert überzeugt aber im Camp mit seiner entspannten und doch direkten Art. Als es dann zählt, ist er der erhoffte, aber nicht unbedingt erwartete Rückhalt. Er ist ein Exot im Team der Niederländer, mit Sicherheit derjenige aus dem Kader, der am wenigsten verdient, wie er lachend bestätigte. "Aber dafür kann ich durch ein Einkaufszentrum gehen, ohne dass man mich erkennt."

Darauf sollte er allerdings nicht mehr wetten. Nicht nur in Heerenveen, sondern in ganz Holland sind die Blicke mittlerweile auf den Goalie aus Friesland gerichtet. (sda)

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