«Der Juni 2008 war ein struber Monat», sagt Frank Mischler von der Betriebsführung der SOB und deutet auf die Tabellen vor ihm auf dem Bildschirm: «Wir beförderten 3211 Gruppen mit total 72'913 Personen – zusätzlich zum regulären Verkehr. Dafür mussten wir 332 zusätzliche Wagen einsetzen.» Die Planung des täglichen Einsatzes von Rollmaterial (Lokomotiven und Wagen) Lok und Zugpersonal (rund 100 Lokomotivführer und 50 Zugbegleiter) sei aufwändig, schreibt die Südostbahn in einer Mitteilung. Die Loks und Lokführer für den Schiebedienst verursachen einen zusätzlichen Aufwand: 70 Schiebediensteinsätze fuhr die SOB allein im Juni dieses Jahres.
Maximal vier Zusatzwagen sind möglich
Um Kunstbauten wie Kehrtunnels zu vermeiden, wurde vor 120 Jahren die Strecke so angelegt, dass zwischen Freienbach und Biberbrugg und zwischen Arth-Goldau und Rothenthurm eine Steilrampe mit bis zu 50 Promille Steigung entstand – die beinahe doppelt so steil ist wie am Gotthard (27 Promille). Diese Steigung macht den Schiebedienst notwendig.
Die übliche VAE-Komposition mit einer Lokomotive und fünf Wagen verfügt über 236 Plätze, zusätzlich sind maximal vier Zusatzwagen mit zirka 400 Plätzen möglich, das ist weit mehr als eine Verdoppelung des Angebots und eine Erhöhung des Gewichts um rund 100 Prozent. Die SOB-Lokserie Re 456 zieht Richtung Rapperswil – Arth Goldau die übliche Voralpenexpress-Komposition mit fünf Wagen, in der Gegenrichtung (Arth-Goldau – Rapperswil) einen Wagen zusätzlich.
Sechs bis dreizehn Schubfahrten täglich
Müssen aufgrund des Passagieraufkommens mehr Wagen angehängt werden, als die entsprechende Lok ziehen kann, kommt eine zweite Lokomotive zum Einsatz. Dabei wird die Zugkraft der ersten Lokomotive mit der (Schub-)Kraft der zweiten kombiniert. Die zusätzlichen Loks werden in Rapperswil beziehungsweise Arth-Goldau an den Zug gekuppelt. Von Arth-Goldau kommend, wird die Schublok im Bahnhof Biberbrugg vom Zug getrennt.
An einem normalen Tag sind sechs Schubfahrten nötig. Anders läuft es, wenn Schulreisezeit ist. «Wir müssen täglich das Reservationssystem kontrollieren und die Reservationen nachführen und bei Bedarf Rollmaterial und Personal aufbieten», erklärt Frank Mischler. «Und dann die Abbestellungen! Bis 15 Uhr am Vortag können Gruppen ihre Reservation stornieren. Dann verläuft der ganze Prozess rückwärts: Wagen abbestellen, Lok abbestellen, Lokführer umbuchen.»
Der Spitzentag im Spitzenmonat Juni war am Donnerstag, dem 19. Die Südostbahn beförderte an diesem Tag 455 Gruppen mit 10'252 Personen – vor allem Kinder und Jugendliche auf Schulreisen – zusätzlich zum üblichen Betrieb. Der Andrang machte 35 Verstärkungswagen und 13 Schubfahrten notwendig. Würden alle diese Passagiere in einen einzigen Zug steigen, so würde dieser 128 Wagen umfassen und wäre mehr als drei Kilometer lang.
Ersetzt der Firt den Voralpen-Express, verschwindet die Schublok
Möglichkeiten, auf den aufwändigen Schubdienst zu verzichten, gibt es zurzeit keine. Die fehlende Kraft der Lokomotiven ist allerdings nicht der einzige Faktor, der die Kapazitäten an der Steilrampe begrenzt. Auch die Physik setzt Grenzen: Vom Stahlrad auf die Schiene kann nicht unendlich viel Kraft übertragen werden; zwei Zugloks mit acht angetriebenen Achsen bringen mehr als eine doppelt so starke Lok.
Für die Flirt, die neuen Nahverkehrstriebzüge der Südostbahn, ist die Steigung kein Problem. Die Überwindung der Rampen war eine Voraussetzung bei der Beschaffung dieser Fahrzeuge. Dieser Fahrzeugtyp könnte auch für die Nachfolge des Voralpen-Express in Frage kommen. Bis zu vier Flirt – das sind 16 angetriebene Achsen – können aneinander gehängt und von einem Lokführer bedient werden. Mit den neuen Kompositionen des Voralpen-Express wird der Schiebedienst verschwinden. Ein Fahrzeugkonzept soll bis Ende des kommenden Jahres Klarheit über den Zugtyp geben und beschlussreif vorliegen. Ab 2015, so ist es zurzeit geplant, fahren die neuen Voralpen-Express-Züge.
ana/pd