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Ski alpin

So verdient, so tragisch

Der Premierensieg von Beat Feuz in Kitzbühel wird überschattet vom schweren Sturz von Urs Kryenbühl. Und wieder kommen Fragen auf.
Nach Jahren des Wartens: Beat Feuz meistert die Streif schneller als alle anderen. Bild: Christian Bruna/EPA
Bild: Bild: Christian Bruna/EPA

Martin Probst

Als sein Sieg nach knapp drei Stunden warten endlich feststand, umarmte Beat Feuz seine Freundin Katrin Triendl. Mit ihr hat er eine Tochter. Gemeinsam leben sie in Oberperfuss in der Nähe von Innsbruck. Österreich ist für Feuz längst ein Zuhause geworden. Nur gewonnen hatte der 33-jährige Berner in der Heimat seiner Freundin zuvor noch nie.

Und nun – nach Jahren des Wartens, nach Jahren, in denen Feuz den Sieg in Kitzbühel oft nur knapp verpasst hatte, stand er endlich zuoberst. Kitzbühlsieger Beat Feuz! «Du hast das so was von verdient», sagte Triendl und küsste ihn. Feuz lächelte.

So verdient. Man hört es oft, wenn es um Feuz und diesen Sieg in Kitzbühel geht. Dominik Paris, der die Abfahrt auf der Streif schon dreimal gewonnen hat, kam mit 56 Hundertstel­sekunden Rückstand als Dritter ins Ziel. Der Italiener zeigte mit dem Finger auf Feuz und lachte. So verdient. Matthias Mayer, der Vorjahressieger, wurde Zweiter. Nur 16 Hundertstel fehlten ihm zur Titelverteidigung. Auch er lachte und klopfte Feuz auf die Schulter. So verdient.

Dem Sieg nie nachgelaufen – aber nun trotzdem befreit

Paris und Mayer hatten Feuz in Kitzbühel beide schon von Platz eins verdrängt. Paris vor zwei, Mayer vor einem Jahr. Es waren die zweiten Plätze Nummer drei und vier für Feuz in Kitzbühel. Und stets kam die gleiche Frage: Wann klappt es endlich mit dem Sieg? Feuz aber wiegelte ab. Er laufe diesem Sieg nicht nach. Auch gestern blieb er dabei. Dem SRF sagte er: «Ich durfte schon viele Siege feiern.» Erst danach ergänzte er: «Natürlich, es freut mich riesig, hier zu gewinnen.»

Ein wenig war Feuz da auch noch geprägt von dem, was vorher geschah. Rund zwei Stunden zuvor sitzt er auf dem Stuhl des Führenden, als Urs Kryenbühl, sein Teamkollege, beim Zielsprung stürzt und brutal auf der Piste aufschlägt. Es sind Bilder, die sofort Erinnerungen wecken. An Daniel Albrecht und seinen Sturz 2009.

«Hey, macht vorwärts», ruft Feuz, als es sehr lange geht, bis Helfer bei Kryenbühl eintreffen. Aber immerhin, der 26-Jährige bewegt sich, richtet sich sogar kurz auf, anders als damals Albrecht. «Bleib liegen», sagt Feuz. Und doch denkt man an Albrecht und an alles, was folgte. Und hofft, dass es bei Kryenbühl nicht ganz so schlimm ist, als der Helikopter den Schweizer ins Krankenhaus fliegt.

Erst am Abend, Feuz hat da längst die goldene Gams für den Kitzbühlsieger erhalten, gibt es Informationen aus dem Spital. Ganz so schlimm wie bei Albrecht ist es nicht. Die Saison ist für Kryenbühl aber vorbei. Die Diagnose: Gehirnerschütterung, Bruch des rechten Schlüsselbeins sowie Risse des Kreuz- und des Innenbandes im rechten Knie. Aufatmen – aber trotzdem so tragisch.

Die Athleten zahlen den Preis für den Wahnsinn

Warum aber kam es zum Sturz? Haben die Organisatoren Fehler gemacht? Der Wahnsinn ist in Kitzbühel Programm, ja sogar Konzept. Aber zu welchem Preis? Die Frage kommt immer wieder auf. In diesem Jahr ein erstes Mal nach dem zweiten Training. Der Franzose Johan Clarey war ebenfalls beim Zielsprung gestürzt. Ohne schlimme Folgen zwar. Aber die Athleten waren sich einig, der Sprung geht zu weit. Dominik Paris, der gerne weit springt, sagte: «Es ist schon geil. Aber man muss gut in der Position sein, sonst kann das böse enden.»

Kitzbühel vermarktet diese Gratwanderung zwischen Sieg und Krankenhaus. Die Stürze der Vergangenheit werden, sofern sich die Athleten erholten, jährlich gezeigt. «One Hell of a Ride» heisst ein Film über die Streif. Der Höllenritt wird zum Mythos. Aber immer wieder sind es die Athleten, die dafür leiden. Vor Kryenbühl erwischte es auch Ryan Cochran-Siegle, der in der Traverse in die Fangnetze flog und sich eine leichte Halswirbelfraktur zuzog, die ohne Folgen bleiben sollte.

Nach dem Rennen wurde erneut Kritik am Zielsprung laut. Es ist zwar nach dem Training zu Veränderungen gekommen. Diese seien aber alibimässig erfolgt, hiess es von Seiten der Athleten. Die Verantwortlichen hingegen sahen nicht den Sprung als Problem. Vielmehr hätte der Wind für die Probleme gesorgt. Das Rennen wurde nach Kryenbühls Sturz dann auch aufgrund von Böen mehrmals unterbrochen und nach 30 Fahrern abgebrochen. So oder so: Für die Abfahrt vom Samstag soll der Sprung nun deutlich entschärft werden.

Endgültig im Olymp der Abfahrer angekommen

So tragisch der Unfall von Kryenbühl ist, so schön endete der Tag für Feuz. Der Berner gehört nun zum kleinen Kreise der Abfahrer, die sowohl in Wengen wie auch in Kitzbühel gewinnen konnten. Obwohl ihn Dominik Paris, als nach drei Stunden endlich feststand, dass das Rennen gewertet wird, foppte: «Eigentlich war es ja das Ersatzrennen für Wengen. Und Wengen gehört ja dir.» Im Berner Oberland hat Feuz schon dreimal gewonnen. Paris, mit dem er privat befreundet ist, bisher noch nie.

Feuz, dessen Karriere nach einer Knieinfektion 2012 schon fast zu Ende war, ist nun endgültig im Olymp der Abfahrer angekommen. 2017 wurde er Weltmeister. Dreimal beendete er zuletzt die Saison als bester Abfahrer. Und nun ist er Kitzbühelsieger. Was für eine Geschichte. Und so verdient.

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