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Asylzentrum Wintersried

Widerstand gegen Asylzentrum: Bund will Gerichtsverfahren vermeiden

Ab 2022 will der Bund ein Asylzentrum in Schwyz betreiben. Die kantonale Regierung droht damit, die Zusammenarbeit zu verweigern. Die stellvertretende Direktorin des Staatssekretariats für Migration führt aus, was dem Kanton dann blüht.
Barbara Büschi, stellvertretende Direktorin beim Staatssekretariat für Migration (SEM), am Hauptsitz in Bern.
Bild: Philipp Schmidli

Kari Kälin


Barbara Büschi, die Zentralschweizer Kantone haben sich auf den Standort Glaubenberg im Kanton Obwalden für ein neues Bundesasylzentrum (BAZ) geeinigt. Weshalb will es der Bund dennoch im Winterried bauen?

Seit 2014 haben der Bund und die Zentralschweizer Kantone in Zusammenarbeit mit den Gemeinden 10 Standorte geprüft. Schon 2015 zeigte sich, dass nur der Glaubenberg und das Wintersried in Frage kommen. Wir vom Staatssekretariat für Migration (SEM) haben von Anfang an das Wintersried bevorzugt, weil dieser Standort die Kriterien am besten erfüllt. Vor allem ist Wintersried besser erreichbar und schneidet wirtschaftlich besser ab. Das SEM ist aber immer um eine gemeinsame Lösung bemüht und verfolgte deshalb auch das Projekt Glaubenberg weiter.

Der Kanton Schwyz lehnt ein BAZ ab, weil er im Wintersried eine zusammenhängende Fläche für das Gewerbe reservieren will. Schweizweit gibt es bei mehreren Asylzentren Verzögerungen. Weshalb machen Sie nicht vorwärts mit dem Glaubenberg?

Der Standort auf dem Glaubenberg liegt in einem Moorschutzgebiet von nationaler Bedeutung. Umweltverbände haben bereits Beschwerden gegen ein allfälliges BAZ angekündigt.

Sie könnten es versuchen. Wenn die Gerichte den Glaubenberg ablehnen, gehen Schwyz die Argumente aus.

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) ist in einer Stellungnahme von letztem Februar zum Schluss gekommen, dass ein BAZ wegen des Moorschutzes voraussichtlich nicht bewilligt werden kann, weil ein BAZ nicht unmittelbar an den Standort gebunden ist. Nach der Einschätzung des Bafu würde ein Gericht gleich urteilen.

Das heisst?

Wir haben uns redlich für eine Lösung auf dem Glaubenberg eingesetzt. Wenn wir das Asylzentrum aber dort bauen und betreiben wollen, drohen langwierige Gerichtsverfahren mit jahrelangen Verzögerungen und höheren Kosten als Folge. Das widerspricht dem Volksauftrag, die Asylverfahren möglichst bald zu beschleunigen. Wir können es uns nicht erlauben, während Jahren auf Kosten der Steuerzahler zu prozessieren.

Auf dem Glaubenberg besteht seit Jahrzehnten ein Truppenlager. Derzeit betreibt der Bund dort ein provisorisches BAZ. Es leuchtet nicht ein, weshalb Asylbewerber der Natur mehr zusetzen sollen als Soldaten.

Als das Militär eine Truppenunterkunft auf dem Glaubenberg baute, war der Moorschutz noch nicht in der Bundesverfassung verankert. Die Armee profitiert also von der Besitzstandwahrung, aber heute würde das wohl nicht mehr bewilligt. Die Truppenunterkunft in ein dauerhaftes Bundesasylzentrum mit ganzjähriger Belegung umzufunktionieren, käme einer Umnutzung gleich. Das Bafu und das Bundesamt für Bauten und Logistik kamen unabhängig voneinander zum Schluss, dass eine Nutzungsänderung voraussichtlich nicht bewilligungsfähig ist.

Noch Ende letzten Jahres teilte das Bafu Schwyz mit, der Umbau des Truppenlagers wäre rechtlich zulässig. In einer neuen Bafu-Stellungnahme vom Februar war es dann anders. Die Schwyzer Regierung moniert, sie habe diese schriftliche Stellungnahme erst Ende Juni erhalten, als der Lenkungsausschuss zur Standortfrage den Entscheid für das Wintersried bekannt gab. Finden Sie diesen Ablauf fair?

Wir haben immer offen und fair kommuniziert. Schon in der Stellungnahme vom letzten November wies das Bafu darauf hin, dass es sich wahrscheinlich gegen den Glaubenberg aussprechen werde. Am 31. März habe ich die Regierungsräte Andreas Barraud (Schwyz) und Christoph Amstad (Obwalden) an einer Telefonkonferenz dann über die neue Bafu-Stellungnahme orientiert, und am 10. April haben wir ihnen die schriftliche Version gemailt. Am 15. Mai hat sich dann der Lenkungsausschuss zu Gunsten von Wintersried entschieden. Ende Juni haben wir das Ergebnis an einer Konferenz den Zentralschweizer Kantonen mitgeteilt.

Schwyz ärgert sich auch darüber, dass ihn der Bund vor Ende der Anhörungsfrist zur Standortfrage vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Weshalb haben Sie das getan?

Der Lenkungsausschuss erachtet den Standort Glaubenberg aus den genannten Gründen als zu risikoreich. In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit kommuniziert man das Ergebnis so früh als möglich, damit die betroffenen Kantone Zeit zum Reagieren haben. Wir geben den Zentralschweizer Kantonen die Möglichkeit, bis Ende 2017 eine Alternative vorzulegen.

Tatsächlich? Der Kanton Schwyz hat einen Strauss von Widerstandsmassnahmen angekündigt. Unter anderem droht er mit einem Ausschaffungsstopp von abgewiesenen Asylbewerbern aus dem Bundeszentrum. Wird der Bund das tolerieren?

Zuerst möchte ich dem Kanton Schwyz ein Lob aussprechen.

Bitte.

Schwyz ist stark im Wegweisungsvollzug und besonders gut geeignet als BAZ-Standort. Auch bei der Integration von Asylsuchenden leistet Schwyz ausgezeichnete Arbeit. Wir sind dankbar um einen solchen Partner. Die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Regierungsrat verläuft konstruktiv, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind.

Der Bund wird also den Kanton Schwyz deswegen nicht bestrafen?

Der Wegweisungsvollzug ist ein gesetzlicher Auftrag an die Kantone. Falls ihn Schwyz tatsächlich verweigern würde, würden wir zuerst den Dialog suchen. Wenn das nicht fruchtet, müssten wir das Bundesgesetz anwenden.

Was bedeutet das konkret für den Kanton?

Anstatt dem Bund müsste Schwyz die Kosten für Sozial- und Nothilfe und Unterbringung der Asylsuchenden tragen, die das Land eigentlich verlassen müssten. Wir hoffen jedoch, dass es nicht so weit kommt. Wir schlagen die Tür nicht zu, weder für eine gute Zusammenarbeit mit Schwyz noch für eine alternative Lösung zum Wintersried.

 

Barbara Büschi (56) ist stellvertretende Direktorin des Staatssekretariats für Migration (SEM).

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