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Goldau

Erfolgsgeschichte Garaventa: Schweben nach Goldauer Art

Die Seilbahnherstellerin hat in ihrer 90-jährigen Firmengeschichte etliche Rekorde erzielt. In rund 40 Ländern transportiert sie heute Passagiere über Fels- und Häuserschluchten. Eine Erfolgsstory.
Garaventa hat die vor einem Jahr eröffnete Stoosbahn gebaut – die steilste Standseilbahn der Welt. (Bild: Urs Flüeler/Keystone, Stoos, 25. Juli 2018)

Robert Wildi

Es herrscht Ratlosigkeit am Berg. Seit Jahren zügeln spottbillige Flugpreise massenhaft Touristen vom Skilift ab und treiben alpinen Hoteliers sowie Seilbahnbetreibern den Angstschweiss auf die Stirn. Verschiedene Unternehmen mussten bereits schliessen, andere fusionieren, rationieren ihre Betriebszeiten oder investieren teils risikoreich in einen unerbittlichen Verdrängungskampf. Ohne Schneegarantie.

Nicht so Garaventa. Das 1928 gegründete Traditionsunternehmen aus Goldau im Kanton Schwyz machte mit dem Bau der 1992 eröffneten Titlis-Rotair-Bahn erstmals international Schlagzeilen. Es handelte sich um die weltweit erste Seilbahn mit drehenden Kabinen. Und als die «Alles fährt Ski»-Euphorie der 80er schon kräftig am Verblassen war, eröffnete Garaventa 1995 in Samnaun die erste Pendelbahn der Welt mit doppelstöckigen Kabinen. Früh hatten die Tüftler und Entwickler in Goldau realisiert, dass der Schweizer Seilbahnmarkt auf Dauer nicht genug hergeben würde. Mit Innovationen war dem Unternehmen eine gesteigerte Aufmerksamkeit über die Grenzen hinaus gewiss.

Das zahlt sich für Garaventa heute aus. Im Jahr 2002 fusionierten die Zentralschweizer mit dem vormaligen österreichischen Konkurrenten Doppelmayr zur Doppelmayr/Garaventa-Gruppe und legten damit das Fundament für eine gezielte internationale Expansionsstrategie. Während Doppelmayr mit seinen Ingenieuren und Technikern aus dem öster­reichischen Wolfurt heraus den weltweiten Markt für Gondel- und Sesselbahnen bearbeitet, ist Garaventa innerhalb der Gruppe das Kompetenzzentrum für Pendel- und Standseilbahnen, Materialseilbahnen sowie anspruchsvolle Seilarbeiten geblieben, und zwar erfolgreich.

Viele Projekte auch im urbanen Umfeld

Mit heute 390 Mitarbeitenden, darunter viele aus der Zentralschweiz, agiert die Garaventa AG mittlerweile in über 40 Ländern. «Gegenwärtig sind zahlreiche Projekte – etwa in Indien, Vietnam, China, Südamerika und den USA – in Arbeit respektive Planung», sagt Arno Inauen, der die Garaventa AG im April dieses Jahres als CEO übernommen hat.

Die dynamische Entwicklung des weltweiten Fremdenverkehrs ist für Garaventa zum wichtigen Erfolgsfaktor geworden. So setzt das Unternehmen viele Projekte auch im urbanen Umfeld und in nicht traditionell bahnaffinen Ländern um. «Dort stellen sich teilweise ganz andere Herausforderungen als im alpinen Raum», so Inauen. Glücklicherweise zähle man auf zahlreiche international erprobte Mitarbeitende, die auch entsprechend geschult würden. Auch aus diesem Grund wird der Nachwuchs bei Garaventa intensiv gefördert. Derzeit absolvieren bei Garaventa 29 Lernende ihre Ausbildung.

Der alpine Raum und speziell der Heimmarkt Schweiz werden parallel zur Auslandexpansion indes nicht vernachlässigt. «Wir pflegen mit allen Schweizer Tourismusgebieten nach wie vor einen engen Austausch», so Inauen. In diesem Sommer hat das Unternehmen mit dem Bau der V-Bahn in Grindelwald begonnen. Mit ihr sollen Reisende noch schneller auf das Jungfraujoch gelangen.

Für internationale Beachtung hat auch die kürzlich eröffnete Stoosbahn gesorgt. Für diese Standseilbahn, die an bestimmten Stellen eine Steigung von 110 Prozent überwindet, habe man in der Entwicklungsphase jenseits der gewohnten Schemata denken müssen, erklärt Arno Inauen.

Zu den Innovationen der letzten Jahre gehört auch die im Dezember 2017 eröffnete Bayerische Zugspitzbahn. Wie es sich für Garaventa gehört, stellt auch diese Bahn drei neue Weltrekorde auf. So beträgt der Abstand zwischen der einzigen Stütze und der Bergstation oben auf der Zugspitze 3213 Meter, was dem längsten freien Spannfeld der Welt entspricht. Mit ihren 127 Metern ist der einzige Pfeiler zugleich auch die weltweit höchste Stahlbaustütze für Pendelbahnen. Schliesslich überwindet die Bahn auch noch den weltweit grössten Höhenunterschied, stolze 1945 Meter.

Wichtige Zentralschweizer Zulieferfirmen

Für ihre Seilbahnoffensive auf sechs Kontinenten setzt Garaventa an ihrem Produktionsstandort Goldau zum grössten Teil auf inländische Zulieferfirmen. Überproportional vertreten sind Zentralschweizer Partner. «Regionale Verankerung ist uns wichtig, sowohl bei Mitarbeitenden wie auch bei Zulieferern», sagt Arno Inauen. So entstehe Identität und Vertrauen. Am relevantesten für den Seilbahnbau seien die Frey AG in Stans und die Sisag AG in Schattdorf. «Beide beliefern uns mit Steuerungen.» Für die mechanische Blechbearbeitung arbeitet Garaventa intensiv mit der Mechwerk AG in Ingenbohl sowie der Brand Metallbau AG in Schattdorf zusammen. Weitere Lieferanten aus der Zentralschweiz sind: Teko Oberflächentechnik, Flüelen (Oberflächenbearbeitung), Paint-Styling, Dallenwil (Oberflächenbearbeitung), Arthur Weber in Seewen (Werkzeuge und Eisenwaren) und Meyer BlechTechnik in Grosswangen (Blechbearbeitung).

«Wir sind seit bald 100 Jahren mitten in der Schweiz fest verankert, schaffen für die ganze Region direkt sowie indirekt Arbeitsplätze und damit einen volkswirtschaftlichen Mehrwert», sagt der CEO. Das sei ihm viel wichtiger als alle zwar schönen, aber letztlich nicht match­entscheidenden Weltrekorde, die Garaventa schon aufgestellt hat. «Wir streben nicht nach Rekorden, sie ergeben sich vielmehr im Laufe eines Projekts.» Und wenn damit dem zuletzt gebeutelten Schweizer Alpintourismus wie im Fall Stanserhorn oder Stoos tatkräftig geholfen werden könne, sei dies umso erfreulicher.

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